Mit einer «gewissen Arroganz» an die Europameisterschaft

Irland ist am Karfreitag Testspielgegner gegen die Schweiz. Vladimir Petkovics Mannschaft spielt ohne den bisherigen Captain Gökhan Inler – dieser Verzicht könnte dauerhaft sein.

Trainer Vladimir Petkovic, rechts, waehrend dem Training der Schweizer Fussball A-Nationalmannschaft am Mittwoch, 23. Maerz 2016, in Feusisberg. Die Schweiz tritt am Freitag zu einem EM-Testspiel gegen Irland an, am kommenden Dienstag empfaengt die SFV-Auswahl in Zuerich Bosnien-Herzegowina. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

(Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)

Irland, Teilnehmer an der Europameisterschaft in Frankreich wie die Schweiz, ist am Karfreitag in Dublin Testspielgegner von Vladimir Petkovics Mannschaft – im ersten Länderspiel nach dem Verzicht auf den Captain Gökhan Inler, was sehr wohl ein Entscheid auf Dauer sein könnte.

Vladimir Petkovic, der Schweizer Selektionär, blickt in diesen ersten Tagen des Jahres, die er gemeinsam mit seinen Nationalspielern verbringt, auch schon nach vorne – vorbei an den Testspielen in Irland, am kommenden Dienstag in Zürich gegen Bosnien-Herzegowina und dann in den letzten Tagen der Vorbereitung gegen Belgien und Moldawien. Hin zur Europameisterschaft in Frankreich. Und da sagt er: «Wir müssen vor der EM am Boden bleiben, aber auch mit einer gewissen Arroganz ins Turnier gehen.»

Damit meint er zwar eher «selbstbewusst» als «arrogant». Vor allem aber denkt er daran, wie das (erste) Ziel zu erreichen ist, das er so formuliert: «Wir wollen nach den ersten zwei Spielen schon weiter sein und dann gegen Frankreich um den Gruppensieg spielen.» Albanien und Rumänien sind die beiden Gegner, welche die Schweiz gemäss üblicher Hierarchie hinter sich lassen muss, um sicher Achtelfinalist zu sein. Frankreich ist dann der Favorit, den man auch noch herausfordern möchte. Und dann sagt Petkovic auch noch: «Wir wollen nicht einfach eine ‹schöne› Mannschaft sein, sondern auch eine, die Resultate macht.»

Inler «ist mit uns, nur physisch nicht»

Doch Petkovic blickt auch zurück, auf den «Fall» seines Captains Gökhan Inler und andere Dinge, die ihn in letzter Zeit beschäftigten. Zu Inler fand er eine besonders schöne Formulierung: «Er ist mit uns, nur physisch nicht.» Inler spielt seit Monaten nicht oder nur wunderselten bei Leicester City; er spielt also auch gegen Irland und dann gegen Bosnien-Herzegowina nicht – und ändert sich seine Lage in Leicester nicht mehr grundlegend, dann spielt Inler auch an der Europameisterschaft nicht.

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Petkovic sagt, wie schwer es ihm fiel, diesen Entscheid gegen den mit seinen 89 Länderspielen sehr verdienten Nationalspieler zu fällen. Definitiv geworden sei er erst am vergangenen Freitag, am Morgen vor der Bekanntgabe des ersten Aufgebots des Jahres.

Allerdings heisst das nicht, Petkovic sei sich seiner Sache nicht sicher gewesen, es heisst nur: Hätte sich im Mittelfeld dasselbe zugetragen wie in der Offensive, wo Josip Drmic und Eren Derdiyok kurzfristig ausfielen und auch Xherdan Shaqiri angeschlagen ist, hätte Petkovic eher Inler nachgezogen «als einen geholt, der weit entfernt ist». Aber es hat dann fürs Mittelfeld keine Kapazität abgesagt, also zog der Coach die Konsequenzen, die sich kaum mehr länger vermeiden liessen.

Lichtsteiner fehlt verletzt, Behrami wird deswegen neuer Captain

«Gökhan hatte einen Bonus», sagt Petkovic, «mehr als andere.» Aber auch das habe seine Grenzen. Und der Coach erzählt, er habe «schon im November und Dezember» versucht, seinen Captain dafür zu sensibilisieren, «etwas zu unternehmen». Will heissen, den Klub zu wechseln. «Aber er wollte nicht weglaufen – und das ist jetzt die Konsequenz.»



Granit Xhaka, Fabian Schaer, Trainer Vladimir Petkovic und Philippe Senderos, von links, waehrend dem Training der Schweizer Fussball A-Nationalmannschaft am Mittwoch, 23. Maerz 2016, in Rapperswil-Jona. Die Schweiz tritt am Freitag zu einem EM-Testspiel gegen Irland an, am kommenden Dienstag empfaengt die SFV-Auswahl in Zuerich Bosnien-Herzegowina. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Erläuterungen, bevor es am Freitag gegen Irland zum ersten Test des Jahres geht: Vladimir Petkovic wendet sich an Granit Xhaka, Philipp Senderos (rechts) und Fabian Schär lauschen mit. (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)

Ob er, wurde Petkovic gefragt, das nicht als Fehler Inlers sehe? «Fehler würde ich nie sagen – und vielleicht wird sich das Risiko ja noch auszahlen.» Das allerdings tönt doch eher nach Wunschdenken. Im Moment hilft Inler auch nichts, dass er schöne Worte von den Teamkollegen hört, dass der Trainer sagt: «Er fehlt uns in jedem Sinn.» Nimmt man die letzten sportlichen Leistungen, dann fehlt er am wenigsten im sportlichen Sinn. Dort gibt es valablen, wenn nicht besseren Ersatz.

«Ich werde nie eine Garantie abgeben, dass einer spielt.»
Petkovic zu seinen Prinzipien

Was die spezifische Rolle des Captains betrifft, fällt die Würdigung für die Integrationsfigur Inler verdientermassen anders aus. Er bleibt vorderhand grundsätzlich der Captain, «und spielt er wieder, ist er auch wieder der Captain», fügt Petkovic bei. Ist er aber nicht da, ist die Rangfolge klar: «Dafür haben wir ja gewählt», sagt Petkovic.

Nummer 2 in dieser Hierarchie ist Stephan Lichtsteiner, Nummer 3 Valon Behrami, Nummer 4 Johan Djourou und Nummer 5 Yann Sommer. Weil Lichtsteiner in Dublin wegen Wadenproblemen nicht spielt, ist Behrami der Captain. Wird er ausgewechselt, geht die Binde zu Sommer über.

Lustenbergers Selbsteinschätzung – die man wirklich nicht teilen muss

Es sei, sagt Petkovic, diesmal grundsätzlich «nicht einfach» gewesen, das Aufgebot zu erlassen – mit den Ausfällen. Aber auch mit dem kleinen «Fall» Fabian Lustenberger, Captain von Hertha Berlin, der dem Coach in einem Telefongespräch beschieden hat, er, Lustenberger, sehe sich «als Stammkraft». Und nicht als «Ergänzungsspieler», wie ihn Petkovic einstuft, und zwar eher für die Abwehr und nicht fürs Mittelfeld, wo aber Lustenberger in Berlin zurzeit vorgesehen ist – wenn er denn überhaupt spielt.

«Ich werde nie eine Garantie abgeben, dass einer spielt», sagte Petkovic. Also verzichtete Lustenberger von sich aus aufs Aufgebot. In einer Selbsteinschätzung, die man wirklich nicht teilen muss.

«In Dublin gibt es keine Freundschaftsspiele.»
Petkovic über die Partie am Freitag

Im Mittelfeld werden Behrami, der Captain des Tages, und Granit Xhaka, irgendwann der Captain der Zukunft, das Zentrum bilden. In der Abwehr werden dies Timm Klose, der mit seinem Vereinswechsel nach Norwich einen – zumindest mit Blick auf die Nati – guten Zug tat, und Fabian Schär spielen. Zur Verfügung steht auch Philippe Senderos, der erstmals seit Herbst 2014 aufgeboten wurde und schon bei der letzten Begegnung gegen Irland vor über zehn Jahren im Kader stand.



Die Spieler waehrend dem Training der Schweizer Fussball A-Nationalmannschaft am Mittwoch, 23. Maerz 2016, in Rapperswil-Jona. Die Schweiz tritt am Freitag zu einem EM-Testspiel gegen Irland an, am kommenden Dienstag empfaengt die SFV-Auswahl in Zuerich Bosnien-Herzegowina. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Eindrücke des Trainings der Schweizer Nationalmannschaft. (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)

Senderos wurde Steve von Bergen vorgezogen, Petkovic aber sagt: «Eigentlich war vorgesehen, dass beide nicht zum Aufgebot gehören.» Denn beide seien noch nicht zu «100 Prozent bereit». Also erhielt auch Senderos schon eine SMS, dass er nicht dabei sei. Aber dann kam die Absage Djourous, Petkovic entschied sich für Senderos – und der staunte, nun doch zum Kader zu gehören.

Die Schilderung einer «medialen Polemik»

Michael Lang (für Lichtsteiner) und Ricardo Rodriguez dürften die Aussenverteidiger sein. Admir Mehmedi dürfte links, Renato Steffen könnte rechts im Mittelfeld spielen, denn Shaqiri ist genauso wenig zu erwarten wie Lichtsteiner. Und dann gibt es für die Offensive noch Breel Embolo und Haris Seferovic. In Frage kommt für einen Teileinsatz auch Shani Tarashaj, der eine Neuling, den Petkovic aufbot.

Was Petkovic in diesen Tagen aber auch noch abhandelte: Wie er seine Vertragsverlängerung sieht oder die, in seinen Worten, mediale «Polemik» dazu. Denn manchen war es auffallend lang gegangen, bis diese Vertragsunterzeichnung vollzogen war. Also formuliert Petkovic: «Es ist am Ende so herausgekommen, wie ich von Anfang an sagte. Ich spürte immer die Unterstützung und das Vertrauen des Verbandes, für mich war immer alles klar.»



Die Spieler tragen das Tor waehrend dem Training der Schweizer Fussball A-Nationalmannschaft am Mittwoch, 23. Maerz 2016, in Feusisberg. Die Schweiz tritt am Freitag zu einem EM-Testspiel gegen Irland an, am kommenden Dienstag empfaengt die SFV-Auswahl in Zuerich Bosnien-Herzegowina. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Der wird doch nicht! Luca Zuffi, noch nicht lange dabei, hilft nicht mit beim Tore-Tragen, sondern spielt im Vordergrund mit dem Ball. (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)

Petkovic schildert weiter: «Wir sassen nur dreimal zusammen, und es gab keine Spielchen, um etwas zu bekommen.» Glauben wir es mal so. Und dass einer, der mit der Schweiz eine Endrunde erreichte, einen neuen Vertrag erhält, ist nur logisch. Allerdings ist Petkovics Kommunikationsverhalten nicht immer ganz einfach.

Irland: ein Testspielgegner, den Jack Charlton erst auf die Landkarte setzte

In Irland übrigens sind sie von ihrem Coach Martin O’Neill, einem Nordiren, ja auch begeistert – und doch hat er noch keinen Vertrag über die Europameisterschaft hinaus. Hektik ist darob noch nicht aufgekommen. Die Iren fühlen sich mit der Art, wie O’Neill eine Mannschaft ohne besondere individuelle Grössen an die EM führte, an die Zeit Jack Charltons erinnert. Das war der englische Weltmeister von 1966, älterer Bruder des noch wesentlich berühmteren Bobby, der die Fussballer der irischen Republik eigentlich erst auf die Landkarte setzte: Unter ihm qualifizierten sie sich für ihre ersten Turniere.

An der Europameisterschaft 1988 schlugen die «Boys in Green» gar England (ehe sie wegen eines Abseitstores des späteren Europameisters Niederlande im letzten Gruppenspiel doch scheiterten); an der WM 1990 kamen sie bis in die Viertelfinals, 1994 in den USA immerhin in die Achtelfinals. Es waren Mannschaften, die für Leidenschaft und gute Stimmung standen – und das erkennen die Iren auch jetzt wieder.

So sieht es auch Petkovic, wenn er sagt: «In Dublin gibt es keine Freundschaftsspiele.» Also möchte er eine Schweizer Mannschaft sehen, «die auch unter Druck bestehen kann».

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