Am Ende eines aufregenden Fussballjahres steht der SC Freiburg in der Spitzengruppe der Bundesliga, legt sich im DFB-Pokal mächtig ins Zeug, erreicht erstmals seit 2007 wieder die Viertelfinals und bringt aus Karlsruhe gleichsam 1,3 Millionen Franken Prämie mit.
Einer für alle. So verstand Christian Streich die Frage nach dem Trainer des Jahres in der Fussball-Bundesliga. Sie hatte ihm gegolten, der den SC Freiburg zunächst vor dem Abstieg bewahrt, danach bis auf Tabellenplatz fünf und nun auch noch ins Viertelfinale des DFB-Pokalwettbewerbs geführt hatte.
Im Viertelfinal des DFB-Pokal kommt es am 26./27. Februar zum neuen Klassiker München-Dortmund und damit zur Neuauflage des letzten Endspiels, das die Borussia 5:2 gewonnen hatte. Nachdem die Bayern sich am Dienstag mit einem Tor von Xherdan Shaqiri 2:0 in Augsburg durchgesetzt hatten, legte der Titelverteidiger am Mittwoch mit einem rauschenden 5:1 nach.
Die Viertelfinals
Kickers Offenbach–VfL Wolfsburg
Bayern München–B. Dortmund
VfB Stuttgart–VfL Bochum
Mainz 05–SC Freiburg
Doch daraus leitete der 47 Jahre alte Südbadener, der mit dem «Hype» im Profifussball sowieso nichts anfangen kann, keinerlei persönliche Eitelkeiten ab. Trainer des Jahres? «Den gibt’s nicht», entgegnete der frühere Leiter der Freiburger Fussballschule, der Fragestellerin – und zeichnete «alle Trainer, die arbeiten und fleissig sind» mit diesem Etikett aus.
Streich selbst fand nach dem 1:0-Erfolg des Sportclub beim Drittliga-Zweiten Karlsruher SC durch ein Tor von Jonathan Schmid nach nur 61 Sekunden kaum die Musse, auch noch die Zugabe nach einer fabelhaften Bundesliga-Halbserie zu geniessen.
Der Pädagoge war sichtlich aufgewühlt, weil er sich wieder einmal missverstanden und ungerecht behandelt glaubte. Aufs Neue war der graublonde Fussballpädagoge mit der Zunft der Unparteiischen aneinandergeraten – diesmal sogar sehr persönlich und unmittelbar, weil ihn Schiedsrichter Drees in der 89. Minute auf die Tribüne des mit 28‘500 Zuschauern ausverkauften Wildparkstadion verbannt hatte.
Streich wie er leibt, lebt und leidet
Dabei war sich Streich, der in den Wochen davor schon eine Reihe von Fehlentscheidungen gegen seine Mannschaft beklagt hatte, keiner Schuld bewusst. Er habe lediglich «Elfmeter» oder «Freistoss» gerufen, als der Freiburger Spieler Caligiuri nach einer harten Karlsruher Attacke am Boden liegen geblieben war.
Drees sah die Szene anders, pfiff überhaupt nicht und machte stattdessen von seinem Weisungsrecht gegenüber Streich Gebrauch. «Ich war mal wieder die Projektionsfläche», sagte der Freiburger Querkopf später, «damit muss man leben, dann ist es okay.»
Christian Streich, wie er leibt, lebt und leidet: In Karlsruhe bot das Original noch einmal das volle Programm mit allem, was bei ihm dazugehört: plakative Gesten, leidenschaftliche Mimik, lautstarke Proteste und aufmunternde Worte. Die Intensität ihres Meisters, mit dem die Freiburger Fussballschüler in der Rückrunde der vorigen Spielzeit 27 Punkte eroberten und in der Hinrunde dieser Saison 26 Zähler, hat Streichs Profis zu einer Dauerleistung beflügelt, bei der sie, wie ihr Chef es sieht, «bis an die Kante gegangen sind».
An Weihnachten gibts Gans
Eben wie Streich selbst, der sich dem Bundesligastress schonungslos ausgesetzt hat und dabei stets kreativ und akribisch geblieben ist. Nun, da die kurze Weihnachtspause naht, freut sich selbst einer wie er auf ein paar Tage ohne Fussball, in denen er «auch andere Dinge tun kann als Gegner zu studieren und den ganzen Tag zu reden».
So wird er am Heiligen Abend wie viele andere Deutsche auch «schauen, dass die Gans nicht zu lange im Ofen ist». Ehe dann am 2. Januar 2013 der hochtourige Trainingsbetrieb am idyllischen Bundesliga-Standort Freiburg aufs neue beginnt, möchte der Bürger Streich noch kurz in die Schweiz oder in Frankreich vorbeischauen, dort einen Käse kaufen und «merci» sagen.
«Das glauben Sie vielleicht nicht, ich komme schnell runter», verriet der oft aufgewühlt anmutende Trainer, «ich brauche nur ein paar andere Häuser oder Menschen zu sehen, dann denke ich nicht mehr an Fussball.»
Toll, aber anstrengend
Abzuschalten wird für einen wie ihn nötig sein, der alles, was er anpackt, mit alemannischer Gründlichkeit zu tun pflegt. Auch deshalb sagt Streich über seinen Aufstieg vom erfolgreichen A-Jugend-Trainer zum gefeierten Bundesliga-Chefcoach des SC Freiburg: «Es ist wahnsinnig toll, da oben zu arbeiten, aber es ist auch wahnsinnig anstrengend.»
In diesem Showbusiness mehr anzubieten als nur die Wege zum Sieg, hat sich Streich mit seiner Mannschaft vorgenommen. «Wir haben vielen Leuten immer wieder Freude gemacht, das ist mir das Wichtigste», sagt der Trainer über den Stil seines Teams, der von Mut, Erobererdrang und dem Glauben an die eigene Stärke geprägt ist. «Ehrlich, sauber, fair und leidenschaftlich», das sind die Attribute, die Streich seinen Spielern voller Empathie attestiert.
Und so möchte er auch selbst gesehen werden – bis hin zu den Schiedsrichtern, die er gleichwohl schon öfters provoziert hat.
«Weil uns nicht alles egal ist»
Der SC Freiburg, das zeigte auch der Arbeitssieg in Karlsruhe, ist mit seinem Trainer an der Spitze auf einem guten Weg, ein besonders erfreuliches Kapitel in dieser Fussballsaison zu schreiben. Warum? Christian Streich sagt es so: «Mir ist nicht alles egal. Und die Mannschaft ist dahin gekommen, wo sie ist, weil ihr nicht alles egal ist und sie sich nicht von glücklichen Siegen und unglücklichen Niederlagen blenden lässt.»
Blender mögen sie in Freiburg gar nicht, ehrliche Arbeit um so mehr. Dafür zu kämpfen, hat sich in diesem Jahr gelohnt. Und ganz nebenbei war der Einzug in die Pokal-Viertelfinals, wo Freiburg Ende Februar in Mainz wird antreten müssen, umgerechnet 1,35 Millionen Franken Prämie wert.