Mit einem Linksschuss aus 25 Metern, dem darauf folgenden Eckball und einem Freistoss auf den Kopf seines neuen bosnischen Teamkollegen Sead Kolasinac leitete Granit Xhaka das erste grosse Ereignis für den Arsenal FC in dieser Saison ein. Im Supercup gegen Meister Chelsea erhielt Xhaka nach dem 4:1 im Elfmeterschiessen zudem die Auszeichnung als prägendster Spieler. «Wembley ist für mich sowieso etwas Besonderes», sagte Xhaka anschliessend, «hier habe ich mit 17 Jahren mein erstes Länderspiel absolviert.»
Nach dem Sieg im FA-Cup zum Abschluss der vergangenen Saison und dem prestigeträchtigen Community Shield hat Xhaka mit Arsenal nun schon zwei Pokale gewonnen auf der Insel. Daran war im Frühjahr nicht zu denken nach dem peinlichen Aus in der Champions League und dem Abrutschen in der Liga auf Rang fünf.
Der Stimmungsumschwung setzte erst mit dem Pokaltriumph ein, der die kontroversen Diskussionen bei den Fans um die Zukunft von Trainer Arsène Wenger wieder beruhigte. Wenger geht an diesem Freitag in seine 21. Saison bei Arsenal, im Eröffnungsspiel der Premier League trifft sein Team auf Vorjahresmeister Leicester City.
Der Poker um Özil und Sanchez
Xhakas Energieanfall in der zweiten Halbzeit und die Wende des Spiels nach dem Rückstand drängte in dieser Woche Arsenals Pokerspiel um den Verbleib der besten Offensivkräfte in den Hintergrund. In der bisherigen Transferperiode sah der Klub davon ab, für Mesut Özil und Alexis Sanchez zusammen einen dreistelligen Millionenbetrag einzunehmen. Obwohl nach derzeitigem Stand beide Spieler den Klub in einem Jahr ablösefrei verlassen könnten.
Das Bestreben der Nord-Londoner, deren Verträge über Sommer 2018 hinaus zu verlängern, scheiterte nämlich bislang. Für gewöhnlich tendieren Vereine in einer solchen Lage zum schnellen Geschäft. Mit dem Transfererlös liesse sich ja eigentlich adäquater Ersatz besorgen.
Von dieser Vorgehensweise möchte Coach Wenger jedoch nichts wissen, er verzichtet lieber auf das Geld. Aber warum nur?
Die Menschen auf der Insel schätzen Wenger für seinen Weitblick. In der Premier League gehört er zu den wenigen Vertretern, die sich auch mit Themen beschäftigen, die über die 90 Spielminuten hinausführen. Vor einem Jahr, als in Grossbritannien die Abstimmung über den Verbleib in der Europäischen Union anstand, wies der gebürtige Elsässer öffentlich auf die Gefahren eines EU-Austritts hin.
In der Sommerpause hat der 67-jährige Wenger zur Entwicklung auf dem Spielermarkt seine Prognose gestellt: «Die Transfersummen werden derart hoch werden, dass niemand die geforderten Ablösen noch bezahlen will. In den nächsten zehn Jahren wird es zum Normalfall werden, dass die Topspieler bloss noch nach Vertragsende wechseln.»
Der Wertverlust des Geldes
Was sich in jedem Fall abzeichnet, ist der Wertverlust des Geldes. Im Hinblick auf die anstehende Saison investierten die zwanzig Klubs in der Premier League mehr als eine Milliarde Euro in neue Spieler. Selbst Durchschnittsprofis wie Kyle Walker (für rund 50 Millionen Euro von Tottenham zu Manchester City) kosten aberwitzig viel.
Die abgebenden Vereine auf der Insel benötigen das Geld der Konkurrenten eigentlich nicht mehr, weil sie selbst genug haben durch den Rechteverkauf und obendrein von ihren steinreichen Eigentümern. Ausser in Spieler lässt sich das Geld auch nirgendwo mehr investieren, denn Stadien, grosse Akademien und riesige Trainerstäbe haben die Klubs bereits.
Ein Drittel der Transferausgaben stammt aus Manchester. Die Branchengiganten City und United versuchen sich den Erfolg wortwörtlich einzukaufen. Seit der Übernahme Citys durch Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan im September 2008 hat es der Verein auf den Triumph in der Champions League abgesehen. Geld stellt dabei kein Hindernis dar, sondern ist nur Mittel zum Zweck. Scheich Mansour, ein Öl-Milliardär aus Abu Dhabi, stammt aus der dortigen Herrscherfamilie.
Manchester United leistet sich den Rekordtransfer
Beim Stadtrivalen Man United etwa fehlte nach der Kreuzband-Verletzung des alternden Angreifers Zlatan Ibrahimovic ein zentraler Stürmer. Um die eigenen Ambitionen auf die erste Meisterschaft nach 2013 zu wahren, leistete sich der englische Rekordmeister die Dienste von Romelu Lukaku. Bei ungefähr 85 Millionen Euro gab der FC Everton dem Werben nach – bis dato der teuerste Transfer in diesem Sommer in England.
Der rapide Anstieg der Ablösesummen ruft Fantasiebeträge hervor bei den abgebenden Klubs, die Forderungen driften häufig ab ins Unverschämte. Während sich die meisten Spitzenvereine befreit haben von moralischen Werten, zögert Wenger, das Preistreiben mit dem Geld Arsenals zu befeuern. Wenger agiert gemeinhin vorsichtig, was Neuzugänge betrifft.
Gemessen an der Erwartungshaltung der Fans, nach dem Titelgewinn 2003/04 mal wieder ganz oben in der Liga zu stehen, wirkt ein kostspieliger Zugang etwas spärlich. Mit immerhin 53 Millionen Euro für Angreifer Alexandre Lacazette (von Olympique Lyon) versucht Arsenal in der Offensive die Abhängigkeit vom Duo Özil/Sanchez zu verringern.
Xhakas Entwicklung zum Stabilisator
Dass die Gunners im Mittelfeld nicht mehr nachbessern müssen, liegt auch am Schweizer Xhaka. Vor seiner zweiten Saison in England hat sich der gebürtige Basler als defensiver Stabilisator etabliert, mit der Fähigkeit auch offensiv für einen Impuls zu sorgen. «Wir haben nur wenige Spieler, die versuchen, aus der Distanz zu schiessen. Vielleicht ist das eine neue Waffe für uns», sagt Xhaka. Weitschüsse mit dem linken Fuss sind ja seine Spezialität, sein erstes Tor für Arsenal gelang ihm im September 2016 auf diese Art und Weise.
Die beachtliche Leistungsentwicklung Xhakas in seinem ersten Jahr auf der Insel überrascht durchaus. Bei seiner Ankunft an der Themse war Xhaka auf sich alleine gestellt. Die anfängliche Sprachbarriere machte dem gebürtigen Basler sichtbar zu schaffen. Nach der Europameisterschaft 2016 waren die deutschen Nationalspieler zu Beginn der Vorbereitung noch im Urlaub, Kapitän Per Mertesacker fehlte verletzt. Ein wirklicher Ansprechpartner zur Eingewöhnung war nicht vorhanden. Das übertrug sich auf die Hinrunde, in der Xhaka sich meist als Reservist auf der Bank wiederfand.
Aber Wenger ist es nicht verborgen geblieben, dass es dem durchaus ansehnlichen Kombinationsfussball Arsenals an einer Absicherung fehlt. Deshalb hatte er Xhaka ja für 43 Millionen Euro aus seinem Vertrag beim deutschen Bundesligisten Borussia Mönchengladbach herauskaufen lassen.
Champions League verpasst, Meistertitel im Visier
Die neue Balance soll sich besonders in der Premier League bemerkbar machen. Erstmals in der Ära Wenger, die seit Oktober 1996 anhält, hat Arsenal die Teilnahme an der Champions League verpasst. Mehr denn je schielen die Gunners auf die erste Meisterschaft seit mehr als zehn Jahren.
Vom Abschneiden in der Liga wird dann auch abhängen, ob es Arsenal gelingt, die Verträge von Mesut Özil und Alexis Sanchez doch noch verlängert zu bekommen. Um den 24-jährigen Granit Xhaka muss sich der Klub erst mal keine Sorgen machen, seine Vertragslaufzeit datiert bis ins Jahr 2021.
Auf einen Blick: Der erste Spieltag der Premier League.