Der Trainer, der gehen muss, verbarg seine Enttäuschung nicht, und der Club war bedacht, kein Geschirr zu zerschlagen. Erhellend war die Medienkonferenz zur Trennung von Murat Yakin nicht, konnte sie wahrscheinlich auch nicht sein. Aber es gab Momente, in denen Yakin etwas tiefer blicken liess.
Als das Podium wieder leer war, das letzte Mikrofon eingesammelt und Murat Yakin endgültig all seiner Pflichten als Trainer des FC Basel enthoben, da fühlte sich der Beobachter unwillkürlich an Bertold Brechts «Der gute Mensch von Sezuan» erinnert: «Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.»
Knapp eine Stunde lang hatte der Versuch des FC Basel gedauert, die Trennung von Cheftrainer Yakin dergestalt in viele Worte zu verpacken, dass am Ende möglichst wenig zerschlagenes Geschirr übrig bleiben würde.
Es war wohl bereits die Übungsanordnung zum scheitern verurteilt gewesen. Unten die Medienleute, die am liebsten jedes Detail eines grossen Zerwürfnisses erfahren hätten. Und oben die FCB-Protagonisten, die diese Fragen eigentlich gar nicht beantworten konnten, wollten sie nicht alle Regeln des Anstands und der Menschlichkeit gegenüber Yakin über Bord werfen.
Wie erklären, ohne zu desavouieren?
Denn wie sollte FCB-Präsident Bernhard Heusler die Trennung von seinem leitenden Angestellten begründen, ohne diesen zu desavouieren? Wie wollte Sportchef Georg Heitz über Yakins Schwächen reden, ohne den gleich neben ihm Sitzenden unnötig zu verletzen?
Die Gründe, die zur Vertragsauflösung geführt hatten, waren sowieso längst jedem einigermassen bekannt, der in den letzten Tagen, Wochen, ja Monaten irgendeinen Sportteil einer Schweizer Zeitung durchgeblättert hatte: Yakin war ein nach Resultaten sehr erfolgreicher Trainer.
Er schaffte es aber zugleich nicht, die Mannschaft hinter sich zu bringen, den Spielern seinen Fussball schmackhaft zu machen und sie menschlich zu sich ins Boot zu holen. Dazu war er zu distanziert, dazu verbiss er sich auch viel zu stark in von aussen nicht ganz nachvollziehbare Machtkämpfe mit einzelnen Spielern.
Heusler: «Wir hatten die Zukunft im Auge»
In dieser Situation musste sich der Vorstand entscheiden: Sollte er auf den Trainer setzen, der stets die Resultate lieferte, die von ihm gefordert waren? Der FCB entschied sich gegen diese Variante. Der Entschluss, die Zusammenarbeit zu beenden, sei nicht mit Blick auf die Vergangenheit gefallen, versuchte Heusler deswegen am Montag zu erklären: «Wir hatten die Zukunft im Auge.»
Eine Argumentation, die sich einfacher mit einem Blick zurück auf den Meistertitel 2008 verstehen lässt: Als damals die Beziehung zwischen Christian Gross und der Mannschaft bereits unwiderruflich zerrüttet war, unterbreitete der Club seinem Meistertrainer unter dem Eindruck des Erfolgs trotzdem noch einmal einen neuen Vertrag. In der Folgesaison implodierte das Erfolgs-Gefüge, Gross musste gehen. Ein Jahr zu spät in der Retrospektive. Einen ähnlichen Fehler wollte der FCB 2014 ganz offensichtlich nicht noch einmal begehen.
Yakins Irrtum
Yakin selbst schien in seiner Basler Zeit immer davon auszugehen, dass der sportliche Erfolg seine Stellung untermauern würde. Kein Zufall, dass er in seiner letzten Pressekonferenz als FCB-Trainer fünf Mal darauf verwies, «dass ich immer alle Resultate erreicht habe, die in unseren Vereinbarungen standen».
Doch diese Einschätzung erwies sich als Irrtum. Es gab drei kleine Momente an dieser Abschiedspressekonferenz, die tatsächlich etwas tiefer blicken liessen. Die zeigten, wie sehr Yakin durch das Verhalten einiger seiner Spieler genervt gewesen sein musste, wie wenig Verständnis er für ihre Wünsche nach mehr Empathie in der Menschenführung aufbringen konnte.
In seinem Arbeitspapier sei deutlich gestanden, dass er als Trainer angestellt sei, führte Yakin aus: «Nicht als Politiker, Unternehmer oder Schauspieler.» Dann machte er den Vergleich mit seiner Zeit als Spieler, als es auch unzufriedene Spieler in der Kabine gegeben habe: «Aber damals stand der Erfolg des Clubs über allem anderen. Die Generationen haben sich verändert.»
Yakin: «Das geht mich nichts mehr an»
Wobei die Resultate der heutigen FCB-Generation den Verdacht aufkommen lassen, auch heute gelte der Erfolg der Mannschaft noch einiges. Und schliesslich antwortete Yakin auf die Frage, ob das ganze Team hinter ihm gestanden sei: «Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem mich das nichts mehr angeht.»
«Enttäuscht» sei er, nun nicht mehr FCB-Trainer zu sein, sagte Yakin noch, «zugleich aber auch etwas erleichtert. Denn wer sagt einem, dass du im kommenden Jahr die Erfolge wiederholen kannst, die wir gefeiert haben.» Insofern hat der Zeitpunkt der Trennung für ihn auch etwas Tröstliches: Aufhören, wenn es am Schönsten ist.
Vorerst mag er sich nicht auf die Suche nach einer neuen Stelle machen, sondern die 19 Monate seiner Tätigkeit bei den Rotblauen sacken lassen. 19 Monate mit 99 Matches, zwei Meistertiteln sowie einem Halb- und einem Viertelfinal in der Europa League.
Rasenmähen und eine Einladung
Möglich, dass sich Murat Yakin und Bernhard Heusler dereinst in einem Zürcher Lokal treffen, um alles noch einmal zu besprechen, was da passiert ist. Sie hätten in den ganzen 19 Monaten nicht einmal die Zeit gefunden, gemeinsam ein Glas Wein zu trinken und einfach mal gemeinsam in die Zukunft zu blicken, berichtete Heusler. Doch nun habe ihm Yakin ein Essen angeboten, um mit etwas zeitlicher Distanz zu schildern, was sich aus Trainersicht in der Mannschaftskabine vorgetragen hat.
Vorerst aber wird Bernhard Heusler damit beschäftigt sein, gemeinsam mit dem neuen FCB-Trainer eine neue Basler Mannschaft zusammen zu stellen. Und Murat Yakin? Der hat bereits Interesse in der zweiten Bundesliga und der englischen Championship geweckt. Vorerst aber, sagte er am Sonntag an der Meisterfeier, freue er sich darauf, daheim mal den Rasen zu mähen.
Das Video der Medienkonferenz via «watson» (die Übertragung beginnt ab 23:15 min.):