Murat Yakin, der Wetterbericht und eine Dreierketten-Entscheidungshilfe für Dummies

Wie entscheidet ein Trainer, ob er mit drei oder vier Mann verteidigen lassen will? Murat Yakin hat sich vor dem Spiel beim FC Thun (So. 13.45 Uhr, #rotblaulive) zur Erklärung eine Allegorie einfallen lassen.

30.01.2014; Basel; Fussball Super League - Training FC Basell;Marek Suchy (L) im Gespraech mit Trainer Murat Yakin (Andy Mueller/freshfocus) (Bild: Andy Mueller/freshfocus)

Wie entscheidet ein Trainer, ob er mit drei oder vier Mann verteidigen lassen will? Murat Yakin hat sich vor dem Spiel beim FC Thun (So. 13.45 Uhr, #rotblaulive) zur Erklärung eine Allegorie einfallen lassen.

Man hat es nicht einfach als Fussballtrainer. Schon gar nicht, wenn man eine Mannschaft anleitet, die sich einer gewissen Medienpräsenz, nun ja, erfreut ist hier vielleicht der falsche Ausdruck. Besser: Die ein gewisses Medieninteresse auf sich zieht.

Oft sitzt man dann Journalisten gegenüber, die verzweifelt zu verstehen versuchen, warum Spieler A auf Position B eingesetzt wurde. Und woher in aller Welt eigentlich diese Dreierkette in der Abwehr wieder aufgetaucht ist? Ja, die Dreimann-Abwehr. Sollte Murat Yakin mal ein Buch über seine Zeit als Trainer des FC Basel schreiben, der Titel dürfte stehen: «Denn sie wussten nicht, was ich tu – mein Leben mit der Dreierkette.»

Dabei scheint das Nicht-Wissen inzwischen allerdings nur noch auf die externen Beobachter zuzutreffen. In den beiden Partien gegen Maccabi Tel Aviv jedenfalls bewiesen die FCB-Spieler erstmals, dass sie zumindest bereit sind, sich auf das Abenteuer mit den drei Innenverteidigern einzulassen. Yakin befand am Tag nach dem 3:0 im Heimspiel gar, die Mannschaft habe «eindrücklich bewiesen, dass sie das System begriffen hat».

Erst der Blick aufs Wetter, dann die Kleider auswählen

Was nicht heisst, dass Yakin von nun an fix auf die Dreierkette setzen wird. Das wäre dann doch etwas zu einfach. Nein, der FCB-Trainer will auch in Zukunft von Spiel zu Spiel entscheiden, ob er hinten drei oder vier Mann auflaufen lässt. Und damit auch die Medienleute begreifen, warum er das tut, hatte Yakin am Freitag eine Allegorie mit in die Pressekonferenz mitgebracht, die nun echt jeder verstehen sollte: «Ihr steht ja auch nicht auf und zieht dieselben Kleider wie gestern an. Ihr schaut auch erst, wie das Wetter ist – und wählt die passenden Kleider.»

Wobei, ganz so einfach wie die Wahl zwischen Flipflops und Moonboots ist Yakins Arbeit dann schon nicht. Der Gegner, der Formstand der eigenen Spieler, die Platzbeschaffenheit und wohl auch eine Prise Bauchgefühl – daraus ergibt sich Yakins Wetterbericht, nach dem er das taktische Mäntelchen auswählt, in das er seine Mannschaft kleidet.

Suchy macht die Dreierkette möglich

Und ganz frei in der Wahl ist der Münchensteiner auch nicht. Die Hoffnung darauf, dass eine Dreierabwehr mit Fabian Schär, Ivan Ivanov und Arlind Ajeti innert nützlicher Frist funktionieren würde, hatte Yakin wohl bereits aufgegeben. Da fielen Schär und Ivanov aus – und der Himmel in Form der FCB-Technikkommission schickte Yakin den Tschechen Marek Suchy.

«Ich habe ihn gefragt, ob er das System kenne», erzählt Yakin. Suchy kannte es. Was aber weitaus wichtiger ist: Er hat ganz offensichtlich die Fähigkeit, seine Mitspieler so zu dirigieren, dass auch sie auf dem Feld plötzlich wissen, was zu tun ist. «Zusammen mit Fabian Frei hält Suchy die Mannschaft im Zentrum zusammen», stellt Yakin zufrieden fest.

Ganz nebenbei erlebt einer eine Renaissance in Rotblau, der damit unter Yakin wohl auch nicht mehr gerechnet hätte: Philipp Degen, der sich am Donnerstag mit Nachdruck für weitere Aufgaben empfahl. «Dieses System ist auf Philipp massgeschneidert», befindet sein Trainer, «da kann er sein offensives Naturell voll ausleben.»

Da kommt Yakin ins Schwärmen

Überhaupt bekommt Yakin immer etwas Schwärmerisches, wenn er vom System mit den drei Verteidigern spricht. Er erklärt dann, um wie viel einfacher das Leben für die Abwehrspieler wird, «weil sie nicht seitwärts verteidigen müssen», wie sehr die defensiven Mittelfeldspieler profitieren, die «nicht mehr so weit zurück rücken müssen». Kurz: «Es bietet so viel kreative Möglichkeiten.»

Und doch – gegen Maccabi scheint Yakin fast ein wenig zu seinem Dreierketten-Glück gezwungen worden zu sein. Einerseits, da er in der Offensive mit den wegtransferierten Mohamed Salah und Stephan Andrist zwei Spieler weniger zur Verfügung hat. Und andererseits, weil sich Maccabi-Trainer Paulo Sousa auf eine Dreierabwehr festgelegt hat. Offenbar während des 3:3 zwischen den beiden Teams im August in der Qualifikation zur Champions League.

Praktisch während der Partie muss Sousa das System für sich entdeckt haben. «Als sie 0:3 hinten lagen, hat er umgestellt», erinnert sich Yakin, «vorher hatten sie noch nie so gespielt.» Maccabi kam noch auf 3:3 heran, schied schon damals trotzdem gegen den FCB aus – und blieb der Dreierkette treu. «Und wenn der Gegner mit einer Dreierkette spielt, bist du praktisch gezwungen, ebenso zu spielen», stellt Yakin fest, «sonst bekommst du auf den Flügeln Probleme.»

Der Versuch einer Wettervorhersage

Und was bedeutet das alles nun für das FCB-Spiel vom Sonntag beim FC Thun? Hier der Versuch einer taktischen Wettervorhersage. Davide Callà, im Europacup nicht spielberechtigt, darf in Thun wieder ran. Der FC Thun spielt bislang nicht mit Dreier-, sondern Viererkette, Behrang Safari fällt mit einer leichten Muskelzerrung im Oberschenkel wahrscheinlich aus. Also vermuten wir mal, dass der FCB in Thun wieder mit einer Viererabwehr spielen dürfte.

Wobei bei Yakin stets gilt: Erstens kommt es anders – und zweitens als man denkt. Fast wie das Wetter eben. Seine Spieler, die hätten damit sowieso keine Probleme mehr, ist sich der FCB-Trainer sicher: «Die haben sich langsam daran gewöhnt, dass es am Morgen vor dem Spiel noch Änderungen geben kann.»

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