Murat Yakin erlebt in Moskau seine erste Eiszeit

Murat Yakin erwischte mit Spartak Moskau einen starken Start in die russische Liga. Doch nur ein paar Monate später wird in Moskau bereits über eine mögliche Entlassung des ehemaligen Trainers des FC Basel gemunkelt.

epa04260719 Newly appointed FC Spartak's head coach Murat Yakin attends a news conference at the press center of the new Spartak Stadium, Otkrytiye Arena stadium in Moscow, Russia, 16 June 2014. The 47,000-seat Spartak stadium is designed to meet FIFA requirements for the 2018 FIFA World Cup. EPA/MAXIM SHIPENKOV (Bild: EPA/Maxim Schipenkow)

Murat Yakin erwischte mit Spartak Moskau einen starken Start in die russische Liga. Doch nur ein paar Monate später wird in Moskau bereits über eine mögliche Entlassung des ehemaligen Trainers des FC Basel gemunkelt.

Russischer Fussball kann krank machen. Noch vor einer Woche sprach Murat Yakin ganz entspannt über den enorm frostigen Moskauer Oktober – zuletzt zeigte das Thermometer bis zu minus 9 Grad – und zupfte lächelnd an seiner Hose. «Wir haben ja genug Material. Es dauert ein Paar Tage, bis man sich daran gewöhnt», sagte der Münchensteiner zu «Sowjetski Sport».

Aber schon am Dienstag musste er ins Krankenhaus gebracht werden – Angina, 39 Grad Fieber. Der Arzt verweigerte die Entlassung aus dem Spital, also musste Yakin das Cup-Aus von Spartak Moskau bei Rubin Kasan (0:2) am Donnerstag vom Bett aus verfolgen. An der Seitenlinie stand sein Assistent Marco Otero, einst Leiter Préformation des FC Basel.

Murat Yakin ist in Moskau kalt erwischt worden. Sowohl vom Wetter als auch von den Gegebenheiten in russischen Fussball. Spartak-Trainer zu sein, ist sicher kein Traumjob, schon seit längerer Zeit nicht mehr. Derzeit entsteht der Eindruck, Yakin sei sich nicht ganz bewusst gewesen, welch schwere Bürde er da auf sich genommen hat, als er nach seiner Verabschiedung beim FC Basel in Moskau anheuerte.

Spartak-Fans sind misstrauisch und sensibel

Nehmen wir an, Sie seien Fan des FC Basel. Und jetzt stellen Sie sich vor, der FCB würde in zehn Saisons keinen einzigen Titel mehr gewinnen. Vorgestellt? Nun wissen Sie, was ein Spartak-Supporter so ungefähr fühlt. Einst zur dominanten Macht in Russland aufgestiegen, mit neun Meistertiteln in der Periode von 1992 bis 2001, kann der Traditionsclub aus Moskau schon seit 11 Jahren nichts mehr gewinnen. Die Folge: Die grösste Anhängerschaft Russlands ist ständig frustriert und unzufrieden. 

Spartak-Fans sind meist misstrauisch und sensibel, und mit jedem weiteren Jahr wird das extremer. Je grösser die Euphorie nach einem Sieg, desto schmerzhafter der Schmerz und die Frustration, falls man am nächsten Spieltag wieder verliert.

Spartak unter Yakin spielt derart instabil, da können sogar immense Wutausbrüche vorkommen. Und im Moment sieht es so aus, als ob die Geduld der Fans schon fast zu Ende sei: Drei Ligaspiele ohne Sieg in Serie, Rang acht und elf Punkte Rückstand auf den Leader Zenit St. Petersburg haben gereicht.

Mourinhos Rat: «Nehmt Yakin, Pochettino oder Martinez»

Man hat ja sowieso nie mitbekommen, warum von allen verfügbaren Trainern der Welt ausgerechnet Murat Yakin ausgewählt wurde. Angeblich soll Club-Boss Leonid Fedun vom Münchensteiner fasziniert gewesen sein. Zumindest nachdem Yakins FCB in Champions und Europa League Mourinhos Chelsea und auch den russischen Riesen Zenit St. Petersburg geschlagen hat. «Mir wurde klar: Falls dieser Bursche trotz des knapp bemessenen Budgets Erfolg hat, dann kann er auch aus Spartak das Beste herausholen», sagte Fedun im September.

Vorher gab es noch diese wunderbare Geschichte über José Mourinho und seine persönliche Empfehlung für den neuen Trainer von Spartak. Auf der Suche nach einem Trainerkandidaten hat Fedun den Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch um Hilfe gebeten. Abramowitsch sollte Mourinho fragen, wer ihn zuletzt am meisten beeindruckt habe. Öffentlich wurde, dass Mourinho geantwortet haben soll: «Nehmt Yakin.» Nur wenige jedoch wissen, dass «The Special One» noch zwei Namen ausser Yakin nannte: Mauricio Pochettino (derzeit bei Tottenham) und Roberto Martinez (Everton).

Mit den ersten Niederlagen war das Misstrauen wieder da

Da Spartak einen prima Start in die Saison erwischt hat mit Siegen gegen Top-Mannschaften wie Dinamo und ZSKA Moskau, wurden alle Zweifel an Yakins Berufung (vorläufig) beiseitegewischt. Es gab eine Menge Begeisterung in der Presse. Und Yakin konnte sich über Schlagzeilen wie «Yakin hat deutsche Disziplin eingeführt» oder «Endlich mal kein Abwehr-Chaos bei Spartak» freuen.

Darauf aber folgten Niederlagen gegen die Schlusslichter Amkar und Ural – und Misstrauen und Verärgerung waren im Umfeld des Clubs sofort wieder zurück. Plötzlich erinnerten sich die Fans wieder an die absurde Mourinho-Geschichte und beschimpften das Spartak-Management. «Man konnte doch voraussehen, dass Yakin Spartak zu einer defensiv geprägten, feigen Mannschaft machen wird», schrieb einer der Ahänger.

Plötzlich wissen alle, warum Yakin vom FCB trotz der gewonnenen Meisterschaft entlassen wurde. Weil eben nicht attraktiv genug gespielt wurde. Weil es «atmosphärische Störungen» im Team gab. Als die Resultate mit Spartak noch stimmten, wurde über diese Sachen hinweggesehen. Jetzt nicht mehr.

Plötzlich sind die Freunde weg

Und plötzlich hat Murat Yakin keine Unterstützung und keine Freunde mehr in Russland. Es wird ihm vorgeworfen, er baue auf schlichten Defensivfussball und wisse nicht, wie man gegen Gegner aus der unteren Tabellenhälfte agiert. Man wirft ihm vor, seine Mannschaft sei zu leicht durchschaubar und setze zu sehr auf Kontertaktik.

Man wirft ihm vor, er versuche aus Spartak eine neue Art Basel zu formen. Dazu passt, dass sein Stürmer Artjom Dsjuba scheinbar perfekt in die Rolle passt, die Marco Streller beim FCB innehatte. Man wirft Yakin vor, dass er keine russischen Assistenten hat und deswegen die Verbindung mit manchen Spielern verliere. Neben Otero wurde Yakin von Markus Hoffmann, seinem Co-Trainer beim FC Basel, nach Moskau begleitet.

Keine Resultate, kein Spektakel, keine Anzeichen auf Besserung – einige Ex-Spieler von Spartak sind entsetzt, einige Fans fordern Entlassung. Es sieht nicht gut aus für Yakin, der Druck ist enorm.

Ein freiwilliges Training mit bloss drei Spielern?

Und als ob er nicht schon genug Probleme hätte, wurde  vor dem wichtigen Spiel gegen Lokomotive Moskau auch noch die Nachricht verbreitet, es gebe Streit zwischen Yakin und den Spielern. Gerüchten zufolge habe Yakin an einem freien Tag eine freiwillige Extra-Trainingseinheit verordnet – und nur drei Spieler hätten mittrainiert.

Yakin und Spartak-Captain Artjom Rebrow haben die Gerüchte schnellstens dementiert. Trotzdem hat die Geschichte einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Zumal der Trainer im folgenden Spiel gegen Lokomotive eine reichlich bizarre Startaufstellung wählte: eine ohne Top-Scorer Dsjuba sowie ohne den Spielmacher und Star Roman Schirokow. Immerhin kamen beide in der zweiten Halbzeit noch ins Spiel, und Schirokow erzielte ein Tor, das im Endeffekt das Unentschieden für Spartak rettete.

Nach dem Schlusspfiff allerdings geschahen wieder merkwürdige Dinge. Schirokow, der scharfzüngigste Profi der Liga, auch als russischer Joey Barton bekannt, warf Yakin ganz offen vor, die falsche Taktik zu benutzen. «Erstaunlich, dass Spartak lange Pässe nach vorn bevorzugt. Wir sollten das Umschalten von Verteidigung auf Angriff über die zentralen Mittelfeldspieler trainieren», sagte Schirokow in der Mixed-Zone. Und heizte damit die Diskussionen weiter an, ob am Gerücht über das Zerwürfnis zwischen Spielern und Trainer doch etwas dran sei.

Yakin wünscht sich mehr Zeit – das haben schon andere getan

Im jüngsten Interview mit «Sowjetski Sport» klingt Murat Yakin trotzdem ganz cool. Mehrmals wiederholt er das Wort «Geduld» und spricht davon, mehr Zeit zu brauchen. Die allerdings hätte Ex-Spartak-Trainer Unai Emery auch gerne gehabt. Doch der Spanier wurde nach einem halben Jahr entlassen, als Spartak auf dem sechsten Rang war, mit zehn Punkten Rückstand auf den Leader ZSKA.

Das war im November 2012. Man sagt, Clubboss Fedun sei seither viel geduldiger geworden. Mal sehen. Emery hat dann kurz nach seinem Rauswurf in Moskau mit dem FC Sevilla die Europa League gewonnen und sorgt auch in dieser Saison in Spanien für Furore.

 

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