Die Urteile über die Vorstellung des FC Basel beim 0:0 in Tel Aviv gehen weit auseinander. Murat Yakin ist unbeeindruckt davon, stellt für den Sonntag und das Spitzenspiel bei GC (16 Uhr) zwar ganz anders auf, kündigt indes an: «Es ist nicht so, dass wir nach Zürich gehen und sagen: Wir wollen unbedingt die drei Punkte.»
Es gibt Leute, die sagen, nur Deutschland gegen Österreich anno 1982 sei schlimmer gewesen. Der Nichtangriffspakt von Cordoba, mit dem Algerien aus dem Turnier gekegelt wurde, hinkt natürlich als Vergleich zum Nullzunull von Tel Aviv. Aber es gibt auch Leute, die behaupten, mit solch einer Vorstellung würde sich Murat Yakin daheim den ultimativen Volkszorn zuziehen und im St.-Jakob-Park geteert und gefedert werden.
Weil das Europa-League-Hinspiel das Ergebnis einer Verhinderungstrategie war, haben sich FCB-Fans, die die Reise nach Tel Aviv mitgemacht haben, fürchterlich aufgeregt. Über ihre Mannschaft, über ihren Trainer und vor allem über Matias Delgado..
«Red Bull lässt von Ajax nichts übrig» – titelte «De Volkskrant» nach dem aufsehenerregenden 3:0 von Salzburg in Amsterdam. FC Basel gegen Red Bull Salzburg – eine Achtelfinalparrung, die nach den Hinspielergebnissen nicht mehr utopisch erscheint. «Damit beschäftige ich mich, wenn es dann soweit ist», sagt FCB-Trainer Murat Yakin. Seine Assistenten haben den Rückflug von Tel Aviv genutzt, um eine Aufzeichnung anzuschauen und ihrem Cheftrainer zu berichten: «Es müssen sehr beeindruckende erste dreissig Minuten gewesen sein», so Yakin.
Andererseits sassen am Donnerstag im Bloomfield Stadion aber auch Beobachter, die von der Tribüne aus eine zwar nur in defensiver Hinsicht, aber insgesamt taktisch durchaus eindrückliche Vorstellung des FC Basel gesehen haben.
Dem Fernsehzuschauer zu Hause blieb das weitgehend verborgen, aber Murat Yakin wollte sich nach der Rückkunft nicht gross auf Diskussionen einlassen: «Meine Ansicht ist sowieso nicht mit anderen zu teilen.»
Was wohl unterstreichen soll, dass die Perspektive eines Trainers zwangsläufig eine andere ist als jene, die das Spiel von Aussen beurteilen. «Was ich den Spielern vorgegeben habe, haben sie vollumfänglich umgesetzt», sagt Yakin, «taktisch und mental war es ein gutes Spiel der Mannschaft. Ein Teilziel ist erreicht worden, und wir werden dann im Rückspiel sehen, was das Resultat wert ist.»
«Defensiv haben wir alles richtig gemacht»
Es war ein Experiment, das Yakin in Tel Aviv vorgenommen hat, eine Versuchsanordnung mit der berühmten Dreier-Abwehrkette, die Yakin eigentlich schon ad acta gelegt zu haben schien, die er nun aber plötzlich wieder hervorgekramt hat. Für den Trainer ist das eine Frage der Konstellation, des Personals, das zur Verfügung steht und zusammen passt oder eben nicht.
Sein Urteil lautet unbeeindruckt von externen Anwürfen: «Wir haben defensiv eigentlich alles richtig gemacht, und offensiv hat Maccabi nicht mehr zugelassen.» Philipp Degen bekam von Yakin sogar ein Sonderlob, was durchaus bemerkenswert ist, auch wenn der Trainer einräumte: «Die Rolle der beiden Aussenspieler könnte man offensiver interpretieren, aber sie sind mit dem System des Gegners abgedeckt gewesen.»
Dass Delgado nicht zur Geltung kam, mag an der grundsätzlichen Ausrichtung des FCB mit lediglich einem zweiten offensiv gepolten Spieler (Giovanni Sio) liegen, aber Yakin redet die 63 Minuten des Argentiniers auch nicht schön: «Matias Delgado hatte eigentlich viele Freiheiten, aber auch viele Ballverluste. Das hat unser Offensivspiel nicht wirklich gefährlich gemacht.»
Die Ausgangslage in Zürich ist nicht gross anders als in Tel Aviv
Klar ist: Yakins Aufstellung und Vorgaben waren auf den Gegner abgestimmt und dem Programm geschuldet, das der FCB abspult. Ein Beispiel ist Valentin Stocker, der in Tel Aviv bis zur 79. Minute auf der Bank sass. Nicht aus purem bösem Willen des Trainers, sondern weil Yakin den Nationalspieler nach dessen Muskelverletzung noch nicht parat sieht für den Drei-Tages-Rhythmus.
Schon am Sonntag steht die nächste Bewährungsprobe auf dem Programm. Yakin kündigt weitreichende Veränderungen zur Aufstellung von Tel Aviv an. Taulant Xhaka ist Gelb-gesperrt, Fabian Frei und Marcelo Diaz kehren zurück, auch Marco Streller, der gar nicht erst nach Israel gereist war, und Valentin Stocker.
Dazu kommen Davide Callà oder Matias Delgado – oder beide gemeinsam. Das wollte der Trainer gar nicht ausschliessen. Er sagt sogar, dass auch noch Sio in der Startelf denkbar wäre, aber bevor Yakin mit sechs offensiven Spielern beginnt, zumal in einem Auswärtsspiel, wird eher das Sechseläuten auf den Barfüsserplatz verlegt.
Man mag Yakin diese Überlegung schon deshalb nicht abnehmen, weil er gleichzeitig Signale aussendet, die mehr nach Tel Aviv als nach Hurra-wir-stürmen-den-Letzigrund klingen: «In erster Linie muss der Gegner mal was machen. Nicht, dass ich den Jungs die Handbremse vorgebe, aber wir dürfen das Spiel gewinnen, wir müssen nicht.»
Für GC steht mehr auf dem Spiel
Es ist zwar erst die 22. von 36 Runden, aber der neue GC-Präsident Stephan Anliker hat die Partie vom Sonntag (16.00 Uhr) schon als «Spiel der letzten Chance» für die Grasshoppers apostrophiert. Trainer Michael Skibbe muss auf den gesperrten Amir Abrashi im Mittelfeld verzichten, wird offenbar Goalie Roman Bürki trotz Gehirnerschütterung einsetzen können und hat in Munas Dabbur (von Maccabi Tel Aviv) einen neuen Stürmer zur Verfügung, der mit zwei Toren und einem Assist beim 5:1 in St. Gallen einen Traumeinstand erlebte.
Sechs Punkte fehlen GC auf Tabellenführer Basel, und Murat Yakin kündigt einerseits an: «Unsere Mannschaft wird so auftreten, wie man es von ihr gewohnt ist.» Was Interpretationsspielraum offen lässt, zumal der FCB-Trainer anderseits zur verstehen gibt: «Es ist nicht so, dass wir nach Zürich gehen und sagen: Wir wollen unbedingt die drei Punkte.» Auch das hört sich irgendwie ein bisschen nach Tel Aviv an.