Murat Yakins glückliche Landung auf Platz 1A

Die Meisterschaft mit dem FC Basel macht Murat Yakin zu einem jung vollendeten Trainer. Aber er will mehr – wie sein grosses Vorbild.

Basel, 1. Juni 2013, Fussball Super League, FC Basel - FC St. Gallen. Trainer Murat Yakin (FCB) mit dem Pokal bei der PK. (Roman Aeschbach/EQ Images). (Bild: EQ Images/Roman Aeschbach)

Die Meisterschaft mit dem FC Basel macht Murat Yakin zu einem jung vollendeten Trainer. Aber er will mehr – wie sein grosses Vorbild.

Ganz vorne, in der ersten Reihe links nahm Murat Yakin Platz. Eine Woche war er Trainer in Basel, und ein Airbus brachte den FCB-Tross nach Budapest zum Europa-League-Spiel gegen den FC Videoton. «Jahrelang musste ich auf diesen Platz warten», sagte Yakin und seine Mimik und der Unterton verrieten eine feine Ironie. Zu seiner Zeit als Spieler des FCB gehörte dieser Platz bei den weiten Auswärtsreisen dem grossen Christian Gross. Stets war Murat Yakin attestiert worden, selbst ein guter Trainer werden zu können, und dies eines schönen Tages auch beim FC Basel. Nun, im Oktober 2012, war er angekommen. Auf einem Platz, der eine Woche zuvor noch ein Schleudersitz gewesen war, als sich der FCB Knall auf Fall von Heiko Vogel trennte.

Wie das erste Spiel unter Yakin in Luzern, so verlor der FCB vier Tage später auch die Partie in Szekesfehervar, aber intern wurde daraus dennoch Zuversicht gewonnen. Präsident Bernhard Heusler war beeindruckt, wie der neue Trainer am Vormittag des Spiels im strömenden Regen mit der Mannschaft auf dem Platz taktisch gearbeitet hatte. Und Yakin erkannte in der Niederlage die Bereitschaft der Spieler, seine Vorstellungen anzunehmen und umzusetzen.

Yakins Imagekorrektur

Achteinhalb Monate später ist Murat Yakin Meister. Damit ist er mit 38 Jahren ein jung Vollendeter in der Trainergilde, und einer, der die hohen Erwartungen an den und des FC Basel erfüllen konnte. Und er hat noch etwas geschafft: Als Spieler mit dem Etikett des Glamourboys und Lebemanns versehen, oft als schlampiges Talent beschrieben, nimmt die Öffentlichkeit nun wahr, dass da ein akribischer Yakin am Werk ist. In den achteinhalb Monaten ist ihm eine Imagekorrektur gelungen, und darüber ist er froh.

Froh, dass man sich für seine Arbeit interessiert und nicht die «Schweizer Illustrierte» für sein Privatleben. «Man darf auch dazulernen», hat er mal am Rande fallen lassen.
Von Münchenstein aus einer gros-sen türkischen Familie ausgezogen, um die Fussballwelt zu erobern, hat Murat Yakin nach seiner überaus erfolgreichen Zeit als Spieler den unumgänglichen, steinigen Weg zum diplomierten Coach beschritten. Der FC Concordia, der FC Frauenfeld und die U21 der Grasshoppers stehen am Anfang seiner Trainerlaufbahn, ehe es beim FC Thun ernst wurde. Eine Station, die Yakin als «wichtiges Puzzleteil in meiner Karriere» bezeichnet und wo er mit dem Aufstieg in die Super League sofort einen ersten höheren Leistungsausweis erbrachte.

«Nach jedem Erfolg braucht es wieder die nötige Bescheidenheit.»

Hätte der FC Luzern Murat Yakin im August vorigen Jahres nicht entlassen – wer weiss, wie es in Basel weitergegangen wäre. Vielleicht doch mit Heiko Vogel, dem die Clubleitung nicht mehr zugetraut hatte, die Mannschaft weiterzuentwickeln? Dass Yakin auf dem Markt und im Visier von Konkurrenten des FCB war, hat den unpopulären Schnittt einfacher gemacht.

«Die mutigste Entscheidung des Vereins war, mich als Trainer zu verpflichten», hat Yakin der «NZZ am Sonntag» Anfang Februar erzählt, «es war ja nicht so, dass dem FCB viele Punkte fehlten. Deshalb brauchte es Mut. Am Samstagabend hatte ich den ersten Telefonkontakt, am Sonntag ein Gespräch, am Montag wurde ich vorgestellt – allein dieses Tempo und die Entschlusskraft beeindruckten mich.»

Was folgte, war eine fussballerische Stabilisierung, eine Besinnung auf Basics, die Captain Marco Streller ganz unprätentiös beschrieb: «Wir mussten über den Kampf wieder zu unserem Spiel finden. Wir lernten wieder, schnell umzuschalten nach Ballverlusten.» So schaffte es der FCB, in elf Heimspielen ohne Gegentor zu bleiben, die Mannschaft rauschte durch die Liga und den Europacup, während der Trainer mit dem Personal jonglierte und rochierte.

Gelassenheit als Markenzeichen

«Zaubern kann ich nicht», sagte Yakin in der Winterpause, «aber auch beim FCB sind Überraschungen nötig bei der Aufstellung und der Taktik.» Er hat Wort gehalten. In 41 Spielen stellte Yakin – notgedrungen oder aus freien Stücken – nie zweimal hintereinander dieselbe Elf auf.

Zum Markenzeichen des Trainers Yakin ist die grosse Gelassenheit geworden. Die strahlte er während des wochenlangen Marathons durch drei Wettbewerbe aus, und zu der fand er nach verlorenem Cupfinal und der Niederlage bei GC rasch zurück. Als er den Meisterkübel in Händen hielt, triumphierte er nicht, sondern sagte: «Nach jedem Erfolg braucht es wieder die nötige Bescheidenheit. Denn jeder Erfolg muss bestätigt werden.»

Der Weg ist nun vorgezeichnet, und Yakin bekennt: «Ich habe ein grosses Vorbild, das hier in Basel zehn Jahre im Amt war und sehr viele Titel geholt hat.» Jener Mann also, der einst auf Platz 1A gesessen hat.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 07.06.13

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