Pflichtbewusst auf dem Weg nach Brasilien

Die Schweizer Fussballer haben in der WM-Ausscheidung – in einer nicht besonders starken Gruppe – bisher eine bemerkenswerte Konstanz gezeigt. An diesem Freitagabend können sie in Tirana den letzten Schritt an die WM 2014 in Brasilien tun. Eine Bestandsaufnahme.

Die Spieler der Schweizer Fussball Nationalmannschaft hoeren den Ausfuehrungen des Trainerteams zu, anlaesslich des Trainings der Schweizer Fussball Nationalmannschaft am Dienstag, 8. Oktober 2013, in Freienbach. Die Schweiz trifft im Rahmen ihrer Qualifi (Bild: Keystone/STEFFEN SCHMIDT)

Die Schweizer Fussballer haben in der WM-Ausscheidung – in einer nicht besonders starken Gruppe – bisher eine bemerkenswerte Konstanz gezeigt. An diesem Freitagabend können sie in Tirana den letzten Schritt an die WM 2014 in Brasilien tun. Eine Bestandsaufnahme.

Als vor zwei Jahren die Auslosung der Qualifikationsgruppen für Brasilien bevorstand, fand sich die Schweiz in der Europazone nur in Topf 3 wieder. Darüber brauchte sich nicht zu wundern, wer ein Jahr nach dem grossen Sieg in Durban über den späteren Weltmeister Spanien im Fifa-Ranking auf Platz 30 abgerutscht war und in Europa nur noch die Nummer 18 besetzte.

Wer bereits für die WM 2014 qualifiziert ist

Brasilien (Gastgeber)
Argentinien (Südamerika)
Niederlande (Europa)
Italien
USA (Concacaf)
Costa Rica
Japan (Asien)
Iran
Südkorea
Australien

In Europa stehen am Freitag und Dienstag die letzten Gruppenspiele an; in Afrika werden die Hinspiele der fünf Playoffs ausgetragen.

Jetzt aber sieht alles ganz anders aus, erfreulich für Ottmar Hitzfeld und seine «Nati». Nach fünf Siegen und drei Unentschieden führt die Schweiz ihre Gruppe ungeschlagen und mit einem Plus von mindestens fünf Punkten und neun Toren auf die Gegnerschaft an.

Wie die Schweiz nach Brasilien kommt

Sie ist in insgesamt zwölf Länderspielen seit Anfang Juni 2012 ohne Niederlage. Sie braucht aus den letzten zwei Qualifikationsmatches in Albanien und am kommenden Dienstag in Bern gegen Slowenien im dramatischsten Fall noch zwei Punkte; nach menschlichem Ermessen wird aber schon einer genügen.

Sehr wohl möglich ist aber auch, dass die Schweiz selbst mit zwei Niederlagen ans Ziel kommt: Island und Slowenien müssen schon noch zweimal gewinnen, davon einmal gegen Norwegen, um den Schweizern gefährlich werden zu können.

Die erstaunliche Konstanz

Sollte diese erreichen, was eigentlich jeder von ihnen erwartet, hätten sie in einem Jahrzehnt von 2004 bis 2014 an fünf von sechs grossen Turnieren teilgenommen, an drei Weltmeisterschaften hintereinander – und das wäre eine Leistung, wie sie kein anderes Land dieser Grösse vorzeigen könnte. Das ist ein Nachweis von Kontinuität, genauso wie der Weg durch die aktuelle Kampagne von erstaunlicher Beständigkeit geprägt war.

So sieht es am Vorabend der womöglich schon entscheidenden Runde auch Ottmar Hitzfeld. «Wir waren in dieser Ausscheidung sehr konstant – und dies trotz der Veränderungen, zu denen wir immer wieder gezwungen wurden, erreicht zu haben, ist nicht selbstverständlich.»

Es gehört ja zu den rhetorischen Gewohnheiten des Welttrainers auf der Schweizer Bank, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Qualifikation für eine WM- oder EM-Endrunde «für ein Land wie die Schweiz nie eine Selbstverständlichkeit ist».

Reifeprüfung bestanden und neuen Stürmer gefunden

Klar war in dieser Kampagne bisher zweierlei: Die Konstanz wurde im September 2012 in Ljubljana begründet, als die Mannschaft mit dem 2:0 gegen Slowenien zeigte, rechtzeitig bereit zu sein. Sie hatte in Freundschaftsspielen gegen Deutschland (5:3) und in Kroatien (4:2) Nachweise offensiven Potentzials geliefert – und bestand dann in Slowenien ihre erste Reifeprüfung. Und klar war, dass die Mannschaft im guten Jahr seither auch eine Entwicklung mitmachte, für die vor allem das Auftauchen des Stürmers Haris Seferovic steht.

Hitzfeld sagt zum einen, dass sich seine Mannschaft zumal im Vergleich zur vorangegangenen EM-Ausscheidung «defensiv gesteigert» habe. Er bemängelt zwar noch, «dass unsere Effizienz im Angriffsbereich besser werden muss.» Aber auch ihm ist klar, «dass Seferovic in der Offensive ein Gewinn ist im Vergleich zum Start.» Entsprechend ist der zwischendurch in einem längeren Tief verschwundene U17-Weltmeister von 2009 zurzeit auch absolut unbestrittene Angriffskraft Nummer 1.

Das gefestige Nervenkostüm

Zur Konstanz gehört aber auch, wie Hitzfeld beifügte, «dass wir immer gute Nerven zeigten. Wir schafften es immer, uns aufs Spiel zu konzentrieren.» Das sei gelungen im ersten Match gegen die Albaner, als die Geschichten vom «speziellen Spiel» für die Internationalen albanischer Abstammung (wobei: aus dem Kosovo oder Mazedonien stammend) ein erstes Mal Überhand nahmen.

Und geschafft hätten sie es auch, so Hitzfeld, «schon mehrmals in wichtigen Spielen auswärts, gute Nerven zu zeigen.» Damit meint er den Hattrick an 2:0-Siegen in der Fremde, nach jenem in Slowenien auch in Island und zuletzt in Norwegen. In Oslo bot die Schweiz «die bisher reifste Leistung,» wie auch Hitzfeld befand – nur vier Tage nach dem in jeder Beziehung aussergewöhnlichen Heimspiel gegen Island.

Das Tief in den Zypern-Spielen

Im Prinzip gingen die Schweizer in den ersten acht Runden der Ausscheidung nur durch ein kleines Tief: Der Herbst 2012 war mit drei 2:0-Siegen und dem Heim-1:1 gegen an diesem Tag sehr starke Norweger eine runde Sache. Es folgten die zwei Spiele gegen Zypern, in einem Halbjahr, das für die Nationalteams so termindünn war, dass sie kaum einen Rhythmus finden konnten.

Die Schweiz aber litt in dieser Zeit darunter, dass wichtige Exponenten im Club Schwierigkeiten hatten: Granit Xhaka spielte kaum mehr; Eren Derdiyok war in Hoffenheim geradezu abgestürzt; Tranquillo Barnetta, im Herbst noch eine gewichtige Stütze, kannte in Schalke fast nur noch die Ersatzbank. Und – last but not least – Hitzfeld durfte zweimal nicht coachen.

Seferovics Tor als Erlösung und Shaqiris Einfluss

Das einzige Tor gegen die Zyprioten, Seferovics 1:0 in Genf nach nsgesamt 180 Minuten, war dann eine Erlösung. Und als die neue Saison begann, stand’s um manche Personalie wieder günstiger: Bei Xhaka beispielsweise, im Sturm dank Entdeckung Seferovic.

Es gab zwar diese letzte Halbstunde gegen Island, diesen taktischen Blackout, aber die Stunde davor und die 90 Minuten danach in Oslo lassen eben doch das selbe Fazit zu wie es sich schon nach dem guten Start angedeutet hatte: Im Normalfall ist die Schweiz die beste Mannschaft der Gruppe, keine andere hat einen wie den Xherdan Shaqiri der guten Tage.

Erstmals kann sich die Schweiz vorzeitig qualifizieren

Natürlich wäre da noch beizufügen, dass es die Schweiz in eine gute Gruppe verschlagen hat. Sie hatte keinen «Grossen» aus Topf 1, der – wie Spanien oder Deutschland – unantastbar gewesen wäre. Sie bekam es aus Topf 2 nicht mit Frankreich oder Russland zu tun.

Aber wie pflichtbewusst sie dann diese Chance nutzte, war eben doch eine gute Leistung. Noch ist ein Schritt zu tun nach Brasilien. Wird er schon heute in Tirana getan, dann hat sich die Schweiz zum ersten Mal in ihrer Geschichte vorzeitig für eine Endrunde qualifiziert.

Der Sprung im Ranking

Und plötzlich sieht’s jetzt auch im Fifa-Ranking wieder ganz anders aus – mit der Schweiz auf Platz 14 welt- und Platz 9 europaweit. Das sind die Zahlen zu einer positiven Entwicklung. In einer Personalie übrigens hat Hitzfeld noch am Vortag des Spiels offen gelassen, wie er wählt: Ob Johan Djourou, in den ersten sechs Runden Stammkraft, oder Fabian Schär, in den letzten zwei Spielen Stellvertreter, im Abwehrzentrum neben Steve von Bergen spielt.

Die Tendenz geht hin zu Schär, dessen klares Plus der Offensiv-Kopfball ist. In Zahlen heisst das übrigens: Schär schoss in zweieinhalb Länderspielen drei Tore, Djourou in 41 eines…

In der «ewigen» Skorerliste steht der Verteidiger Schär damit auch schon vor prominenten Stürmern der Schweizer Fussballgeschichte: vor David Sesa (36 Länderspiele/1 Tor) und Daniel Jeandupeux (35/2).

WM-Qualifikation, Europa, Gruppe E
Datum Spiel Resultat
11.10.2013 Albanien – Schweiz 20.30
11.10.2013 Island – Zypern 20.45
11.10.2013 Slowenien – Norwegen 20.45
R Mannschaft Sp S U N G : E P
1. Schweiz 8 5 3 0 14 : 5 18

2. Island 8 4 1 3 14 : 14 13

3. Slowenien 8 4 0 4 11 : 10 12
4. Norwegen 8 3 2 3 9 : 9 11
5. Albanien 8 3 1 4 8 : 9 10
6. Zypern 8 1 1 6 4 : 13 4

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