In der dritten Runde des US Open trifft Roger Federer auf Philipp Kohlschreiber. Dieser hat schon fast alle Grossen mal geschlagen. Nur ein Sieg gegen Federer ist ihm in bislang neun Partien noch nicht gelungen.
Er hat sie alle schon geschlagen. Den Djoker, Novak Djokovic, die Nummer 1 der Welt. Den Matador und Sandplatz-König, Rafael Nadal. Auch Andy Murray, den schottischen Braveheart. Und dazu den grössten Teil der Weltelite, ob nun Tomas Berdych oder Jo-Wilfried Tsonga.
Nur einer aus der echten Königsklasse fehlt Philipp Kohlschreiber noch in seiner Sammlung, in der Galerie der erlesenen Geschlagenen – und das ist ausgerechnet, aber auch kein Wunder, sein Freund und liebster Trainingspartner Roger Federer. «Einmal muss es noch klappen, bevor er aufhört», sagt Kohlschreiber, «irgendwie, irgendwo, irgendwann.»
US Open 2015
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Vielleicht ist dieses Irgendwo ja New York, die US Open 2015 und die riesige Betonschüssel des Arthur-Ashe-Stadions, in die über 22’000 Fans hineinpassen. Dort jedenfalls hat Kohlschreiber am Samstag nach neun Niederlagen seinen zehnten Versuch, das unmöglich Scheinende und den Traum möglich zu machen, in der dritten Runde des Grand Slam-Spektakels im Big Apple: «Warum sollte es nicht klappen», fragt sich Kohlschreiber, «ich gehe raus und bin überzeugt, es zu gewinnen. Sonst kann ich auch im Hotel bleiben.»
Schon einmal nahe dran
Hat er Angst, in der grössten Tennisarena des Planeten eine Abreibung zu kassieren, gegen den ewigen Roger, den Publikumsliebling, den gerade wieder neu modellierten Superstar am Racket? Als ihm diese Frage gestellt wird, am Donnerstagabend, nach seinem sicheren Drei-Satz-Sieg gegen den Tschechen Lukas Rosol, muss Kohlschreiber schmunzeln: «Dann kriege ich wenigstens vor vielen Leuten eins auf die Mütze.»
Aber ans Verlieren denkt Kohlschreiber nicht, darf er auch nicht als Profi. Auch wenn es gegen den Supermann geht, den 17-maligen Grand-Slam-Champion, den Mister Nice Guy des Tennis. «Ich rechne mir eine Chance aus», sagt der deutsche Nummer 1-Spieler, der nur zu gerne Partyschreck wäre.
Wenn Kohlschreiber von Chancen redet, dann tut er es vor allem in Erinnerung ans letzte Match, die Erstrundenpartie in Halle (Westfalen). Da hatte Kohlschreiber im Tiebreak des dritten, entscheidenden Satzes 5:3 geführt, hätte die Partie mit eigenen Aufschlägen gewinnen können – um dann doch wieder und auch wie immer zu verlieren. Es sei eine jener Partien gewesen, «die dir ein paar Tage nachhängen, die du nicht gleich verdauen kannst», sagt Kohlschreiber. «Aber ich habe im Nachhinein doch auch gesehen, wie gut ich dran war an Roger.»
Vom schweren Los verfolgt
Kohlschreiber ist in den letzten US Open-Jahren, aber auch in den letzten Tenniswochen nicht vom Auslosungsglück verfolgt gewesen – um es mal milde auszudrücken. 2013 und 2014 verlor er nach bravourösen Auftritten in New York jeweils gegen den späteren Champion, 2013 war das Nadal und im Jahr darauf Djokovic. Nach dem unglücklichen Erstrunden-Rendez-vous mit Federer jüngst bei den Gerry Weber Open, wurde Kohlschreiber dann in Wimbledon zum Auftakt Djokovic zugeteilt, der gewann das Turnier bekanntlich später.
Aber Kohlschreiber jammerte nie über die Pechserie, stellte sich tapfer und wacker den David-gegen-Goliath-Duellen, verdiente sich den Respekt der Gegner und der Fans. «Ein richtig guter Tennisspieler» sei Kohlschreiber, sagt Federer, «oft unterschätzt, oft nicht richtig gewürdigt.»
Und tatsächlich: Wenn einer aus Deutschland im Moment mit den Besten der Welt mitzuhalten vermag, Turniere gewinnen kann und wenigstens eine respektable Aussenseiterchance gegen Federer hat, dann ist es nur Kohlschreiber. Der junge Alexander Zverev ist noch nicht so weit. «Für Philipp war es schon eine Erleichterung, dass er das Erstrundenspiel gegen Zverev hier in New York gewonnen hat. Da steckte schon viel Prestige drin», sagt Davis Cup-Chef Michael Kohlmann, «jetzt kann er frei aufspielen und das Match gegen Federer geniessen.» Vielleicht, vielleicht sogar als Sieger. Im zehnten Anlauf.