Polen ist mehr als Robert Lewandowski

Am Samstag spielt die Schweiz im Achtelfinal in Saint-Etienne gegen die Polen (15 Uhr), bei denen Robert Lewandowski auf seinen ersten Treffer wartet. Da sind ihm andere einen Schritt voraus – beispielsweise Arkadiusz Milik, der einst beim Kicken zwischen tristen Häuserblocks entdeckt wurde.

epa05370818 Arkadiusz Milik (L) of Poland and Mats Hummels of Germany in action during the UEFA EURO 2016 group C preliminary round match between Germany and Poland at Stade de France in Saint-Denis, France, 16 June 2016.....(RESTRICTIONS APPLY: For editorial news reporting purposes only. Not used for commercial or marketing purposes without prior written approval of UEFA. Images must appear as still images and must not emulate match action video footage. Photographs published in online publications (whether via the Internet or otherwise) shall have an interval of at least 20 seconds between the posting.) EPA/FILIP SINGER EDITORIAL USE ONLY

(Bild: Keystone)

Am Samstag spielt die Schweiz im Achtelfinal in Saint-Etienne gegen die Polen (15 Uhr), bei denen Robert Lewandowski auf seinen ersten Treffer wartet. Da sind ihm andere einen Schritt voraus – beispielsweise Arkadiusz Milik, der einst beim Kicken zwischen tristen Häuserblocks entdeckt wurde.

Wer zwei Tage vor dem Spiel der Schweiz gegen Polen die Sportseiten der Zeitungen aufschlägt, der sieht Robert Lewandowski. Der Stürmer des FC Bayern München ist der grosse Name dieser Achtelfinalpaarung (Samstag, 15 Uhr), da müssen andere Kaderspieler der Osteuropäer hinten anstehen. Beispielsweise Arkadiusz Milik.

Der 22-Jährige wird gar zu Lewandowskis Zukunft und zu dessen Frau befragt. Das muss Milik gehörig auf die Nerven gehen, es zeigt aber andererseits den Stellenwert, den Polens fussballerische «Geheimwaffe» inzwischen erlangt hat. Und der Versuch, über Milik an Informationen zum Bayern-Topstar zu kommen, ergibt ja durchaus Sinn: Wer sich auf dem Rasen so gut versteht, der wechselt wahrscheinlich auch im Privaten das ein oder andere Wort miteinander.

Milik ist der kongeniale Partner von Lewandowski. In der Qualifikation bildeten sie mit 19 Toren das gefährlichste Angriffs-Duo Europas. Und es ist längst nicht mehr nur der Bundesliga-Torschützenkönig, auf den sich beim zweiten deutschen Gruppengegner alles konzentriert. Auch Miliks sechs Tore und sechs Vorlagen können sich sehen lassen. Dass er im Auftaktspiel gegen Nordirland das 1:0-Siegtor erzielte, war ein weiterer Beweis seiner Klasse.

Miliks Treffer, der das Spiel gegen Nordirland entschied:

Arkadiusz Milik rückte erst am 11. Oktober 2014 so richtig in den Blickpunkt des internationalen Fussballs. Wird der Torjäger auf diesen Tag angesprochen, beginnen seine braunen Augen zu leuchten. Es läuft die 51. Minute, ein weiter Ball von Dortmunds Lukasz Piszczek fliegt in den Strafraum. Milik steigt hoch und erwischt gerade noch den Ball, während Manuel Neuer ins Leere fliegt – der Führungstreffer für die Polen im EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland ist Tatsache.

Am Ende heisst es 2:0, erstmals gewinnt eine polnische Mannschaft gegen die DFB-Auswahl. Und Milik, damals gerade einmal 20 Jahre jung, steht im Rampenlicht.

Vielleicht wäre es doch besser gewesen, Leverkusen hätte ein wenig mehr Geduld gezeigt mit «Polens grösstem Talent»

«Die Party nach dem Sieg gegen Deutschland dauerte zwei Tage. Wir haben 40 Millionen Polen extrem glücklich gemacht. In Tychy war meine Mutter die stolzeste Person der Welt», erzählt Milik, der in der Gruppenphase mit seinen polnischen Mitspielern wieder auf Deutschland traf und ein 0:0 erreichte.

Vielleicht war dieses Tor in der Qualifikation so etwas wie die Initialzündung für Miliks Karriere. Nicht nur in der Nationalelf, auch im Verein bei Ajax Amsterdam. Mit 21 Treffern war Milik in der abgelaufenen Saison drittbester Torschütze der niederländischen Ehrendivision, was auf dem überhitzten Transfermarkt in Europa Begehrlichkeiten weckt.



epa05370800 Poland's Arkadiusz Milik (bottom) in action against Germany's Jerome Boateng (up) during the UEFA EURO 2016 group C preliminary round match between Germany and Poland at Stade de France in Saint-Denis, France, 16 June 2016.....(RESTRICTIONS APPLY: For editorial news reporting purposes only. Not used for commercial or marketing purposes without prior written approval of UEFA. Images must appear as still images and must not emulate match action video footage. Photographs published in online publications (whether via the Internet or otherwise) shall have an interval of at least 20 seconds between the posting.) EPA/ABEDIN TAHERKENAREH EDITORIAL USE ONLY

Jerome Boatengs Deutschland und Arkadiusz Miliks Polen trennen sich in der Vorrunde 0:0. Beide Nationen haben am Ende sieben Punkte, mehr hat kein Team gewonnen. (Bild: Keystone)

Auf 15 Millionen Euro wird sein Marktwert taxiert. Zahlreiche Topklubs wie Englands Meister Leicester City, Jürgen Klopps FC Liverpool bis hin zu Europa-League-Sieger FC Sevilla sollen sehr an seiner Verpflichtung interessiert sein.

Leverkusens weises Verhandlungsgeschick

Vielleicht dämmert es einigen in Leverkusen, dass es doch besser gewesen wäre, ein wenig mehr Geduld zu zeigen mit «Polens grösstem Talent», wie Bayer-Sportchef Rudi Völler Milik nach der Verpflichtung im Januar 2013 für 2,6 Millionen Euro nannte. Doch die Begeisterung für den Spieler von Gornik Zabrze war unter dem Bayer-Kreuz schnell abgeklungen. Nach einem halben Jahr wurde Milik an den FC Augsburg verliehen.

Aber der Pole spült noch immer viel Geld in die Bayer-Kasse. In Augsburg blieb ihm auch der Durchbruch versagt, also wechselte er zu Ajax Amsterdam. Beim Verkauf an die Holländer erhielt Leverkusen drei Millionen Euro und liess sich in weiser Voraussicht 30 Prozent einer zukünftigen Ablöse in den Vertrag schreiben. Also könnten bald weitere Millionen aus England oder Spanien folgen.

Von Bergkamp bis Nawalka – die Förderer nach einer schwierigen Kindheit

Denn Amsterdam wurde für Milik eine goldrichtige Entscheidung. Beim niederländischen Rekordmeister, der schon so viele Weltklasse-Stürmer formte, startete Milik durch – auch dank seines prominenten Mentors Dennis Bergkamp. Dem früheren Offensivmann der Oranje liegt im Trainerstab von Frank de Boer besonders die Ausbildung der Stürmer am Herzen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Milik zum richtigen Zeitpunkt an die richtigen Personen gerät. Aufgewachsen in der Arbeiterstadt Tychy, die eher für die Produktion von Bier als von herausragenden Fussballern bekannt ist, erlebte Milik eine schwierige Kindheit. Sein Vater hatte die Familie verlassen, als er sechs Jahre alt war.



epa05381921 Arkadiusz Milik of Poland (R) in action during the UEFA EURO 2016 group C preliminary round match between Ukraine and Poland at Stade Velodrome in Marseille, France, 21 June 2016.....(RESTRICTIONS APPLY: For editorial news reporting purposes only. Not used for commercial or marketing purposes without prior written approval of UEFA. Images must appear as still images and must not emulate match action video footage. Photographs published in online publications (whether via the Internet or otherwise) shall have an interval of at least 20 seconds between the posting.) EPA/OLIVER WEIKEN EDITORIAL USE ONLY

Die schwierige Kindheit vergessen, inzwischen zählt die grosse Bühne: Arkadiusz Milik im Abschluss gegen die Ukraine. (Bild: Keystone)

Zwischen tristen Häuserblocks kickte Milik auf Bolzplätzen, ehe ihn Nachwuchstrainer Slawomir Mogilan zur Jugendakademie von Rozwoj Katowice brachte. Dort debütierte der Fan von Cristiano Ronaldo mit 16 in der vierten polnischen Liga.

Nur ein Jahr später klopfte Erstligist Gornik Zabrze an, wo Milik auf Adam Nawalka traf. Der Coach erkannte schnell das Talent, Milik gab schon nach vier Wochen sein Debüt und zahlte mit Toren zurück. Heute ist jener Nawalka Nationaltrainer, bei dem Milik im Angriff als hängende Spitze neben Lewandowski gesetzt ist.

FIFA 16: Milik schafft es auf das Cover – nicht Lewandowski

Die beiden Stürmer harmonieren auf dem Platz prächtig miteinander, wenngleich der 1,86 Meter grosse Linksfuss artig sagt: «Robert ist von uns beiden der deutlich bessere Spieler, ich habe noch viel zu lernen.»

Eines hat «Arek», wie er in seiner Heimat gerufen wird, seinem Partner aber in diesem Jahr voraus. Auf dem Cover der polnischen Ausgabe des Computerspiels FIFA 16 ist neben Lionel Messi nicht Lewandowski sondern Milik zu sehen.

In der Nachbetrachtung ist die Bildwahl in weiser Voraussicht getroffen worden: An der Europameisterschaft hat Lewandowski noch nicht getroffen, Milik mit seinem Tor aber bereits ein Spiel entschieden. Polen, das ist eben tatsächlich mehr als nur Lewandowski.



epa05381666 Poland's Robert Lewandowski reacts during the UEFA EURO 2016 group C preliminary round match between Ukraine vs Poland at the Stade Velodrome in Marseille, France, 21 June 2016.....(RESTRICTIONS APPLY: For editorial news reporting purposes only. Not used for commercial or marketing purposes without prior written approval of UEFA. Images must appear as still images and must not emulate match action video footage. Photographs published in online publications (whether via the Internet or otherwise) shall have an interval of at least 20 seconds between the posting.) EPA/Bartlomiej Zborowski POLAND OUT EDITORIAL USE ONLY

Robert Lewandowski läuft es noch nicht nach Wunsch – auf einen Treffer wartet der grosse Name der Bayern nach wie vor. (Bild: Keystone)

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