Rafael Nadal: Der Sandplatzkönig muss um seine Krone bangen

Das Formtief von Rafael Nadal lässt sich mit Zahlen belegen: Nach dem verlorenen Final von Madrid gegen Andy Murray bleibt der Spanier bei einem Turniersieg in diesem Jahr auf seiner Lieblingsunterlage. Und in der Weltrangliste ist er auf Platz 7 abgerutscht.

Spain's Rafael Nadal reacts after losing a point against Britain's Andy Murray during their final match at the Madrid Open tennis tournament in Madrid, Spain, May 10, 2015. REUTERS/Sergio Perez (Bild: Reuters/SERGIO PEREZ)

Das Formtief von Rafael Nadal lässt sich mit Zahlen belegen: Nach dem verlorenen Final von Madrid gegen Andy Murray bleibt der Spanier bei einem Turniersieg in diesem Jahr auf seiner Lieblingsunterlage. Und in der Weltrangliste ist er auf Platz 7 abgerutscht.

Auch in den letzten Momenten dieses frustrierenden Finalabends tauchte es immer wieder auf – jenes verzerrte Grinsen, mit dem Rafael Nadal seine teils absurden Fehlschläge auf dem Centre Court von Madrid quittierte. Der grösste Sandplatzspieler unserer Zeit, sonst ein furchterregendes Bollwerk der Souveränität auf seinem geliebten Kampfterrain, bot an einem Sonntagabend, an dem es eigentlich nichts zu lachen gab, ein merkwürdiges Bild der Zerrissenheit und Konfusion.

Dass Nadal das spannungsarme Endspiel in der Heimat sage und schreibe 3:6 und 2:6 gegen den Schotten Andy Murray verlor, war der Höhe- und zugleich Tiefpunkt einer 2015er-Saison der aussergewöhnlichen Beschwerlichkeiten. «Ich denke nur an die glücklichen Augenblicke, die ich hier hatte. Ich bleibe optimistisch», sagte Nadal später etwas merkwürdig, ohne Anlass, ohne Zusammenhang. Immerhin nach der härtesten Pleite, die er auf einem Aschecourt seit Jahr und Tag kassiert hatte.

Das Tief ist mit den Verletzungen allein nicht zu erklären

An den Tatsachen war allerdings nichts zu deuteln, nicht für Nadal, nicht für seinen Betreuerstab, nicht für seine Fans und Parteigänger: So formschwach wie in diesem Frühling, eigentlich aber in der ganzen Serie hat der normalerweise energisch zupackende Matador seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gespielt. Zwei Wochen vor dem Höhepunkt der Rutschpartien im Sand, den French Open in Paris, steckt der 28-Jährige in einer veritablen Ergebniskrise, in einem Tief, das längst nichts mehr mit Verletzungen im vergangenen Herbst zu tun hat.



Andy Murray of Britain, right, holds the winners trophy as he poses with runner-up, Rafael Nadal of Spain, after their men's singles final match at the Madrid Open Tennis tournament in Madrid, Spain, Sunday, May 10, 2015. Murray defeated Rafael Nadal 6-3, 6-2. (AP Photo/Paul White) )

Bedröppelt: Rafael Nadal fingert am zweiten Preis heraum, rechts Andy Murray, der den Sandplatzkönig im Final von Madrid verblüffend klar dominiert hat. (Bild: Keystone/PAUL WHITE)

Leicht ungläubig blicken die Branchenexperten auf die neuesten Werte aus dem Weltranglisten-Computer: Dort wird Nadal zum ersten Mal seit Anfang Mai 2005 nicht mehr unter den Top-5 geführt, nach der Madrid-Pleite rangiert er nun auf Platz 7. Im Extremfall könnte es also im Pariser Stadion Roland Garros schon im Viertelfinale zu einem Showdown mit dem momentanen Seriensieger und Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic kommen, vorausgesetzt die Turnierherren beschliessen eine Setzliste strikt nach der offiziellen Hackordnung der Spielerorganisation ATP.

Dem Kraftmeier fehlt das Selbstvertrauen

Was sich schwarz auf weiss in allen möglichen Zahlen, Daten und Fakten zur Causa Nadal dokumentiert, ist auf dem Spielfeld schnell und unbarmherzig zu erkennen: Der Kraftmeier aus Manacor ist im Hier und Jetzt ohne das beflügelnde Selbstvertrauen ausgestattet, das er noch mehr als andere Spitzenkräfte im Männertennis lebenswichtig braucht.

Die ATP-Weltrangliste vom 11. Mai 2015

Die ATP-Weltrangliste vom 11. Mai 2015

Im Jahr 2015 holte er bisher nur einen einzigen Sandplatztitel, im Februar in Argentinien gegen bescheidene Konkurrenz. Das nagt gewaltig am Ego des Spaniers. In anderen Jahren jagte er im Frühling von Triumph zu Triumph auf Sand, holte sich alle Masters-Titel und stürmte dann auch in Paris zum Grand-Slam-Erfolg.

Der Griff zum alten Racket

Nun kassierte er sowohl in Monte Carlo im Halbfinale gegen Djokovic und im Endspiel von Madrid gegen Murray demütigend klare Schlappen, jedes Mal ohne wirkliche Siegchance. In seiner leichten bis mittleren Verzweiflung wechselte Nadal sogar wieder auf ein älteres Racket um – allerdings ohne Wirkung beim Madrid-Masters.

«Es geht trotzdem aufwärts. Ich spiele besser», behauptete Nadal nach dem Match gegen Murray, ohne dass ihm das viele abgenommen hätten. Denn vor allem eins stimmte bedenklich: Weder in diesem Duell noch in zurückliegenden Top-Partien war Nadal der Mann, der in entscheidenden Situationen die wichtigen Punkte erzielte. «Es ist ganz offensichtlich: Er traut sich und seinem Spiel nicht», sagte Fachmann Mats Wilander, der einstige Weltranglisten-Erste aus Schweden.

«Dieses Mal müsste Nadal sich so übertreffen wie nie zuvor»

Ganz ausschliessen will freilich keiner im Wanderzirkus, dass der «Kannibale» (L’Equipe) auf dem geliebten Sand von Paris doch noch eine Wundertat vollbringt – inspiriert von der Stätte, an der er bereits neunmal den Siegerpokal in die Höhe stemmte. «Ich würde Federer nie in Wimbledon abschreiben – und Nadal nie in Paris», sagt Altmeister John McEnroe, «aber dieses Mal müsste Rafa sich selbst so übertreffen wie nie zuvor.»

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» French Open – 24. Mai bis 7. Juni

» Roger Federer schiebt das Turnier in Rom ein (10. bis 17. Mai). Bei der Auftaktpartie trifft er auf den Uruguayer Pablo Cuevas.



Spain's Rafael Nadal looks up during the coin toss before his final match against Britain's Andy Murray at the Madrid Open tennis tournament in Madrid, Spain, May 10, 2015. REUTERS/Andrea Comas

Die Skepsis ins Gesicht geschrieben: Rafael Nadal beim Münzwurf vor dem Final gegen Andy Murray. (Bild: Reuters/ANDREA COMAS)

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