«Ranger, hol‘ den Eimer!»

Als haushoher Favorit steigt der FC Basel am Sonntag (14 Uhr, live auf SF2) in den Cup-Halbfinal beim FC Winterthur. Das sieht FCB-Trainer Heiko Vogel nicht gross anders und gibt einen kleinen Einblick ins Seelenleben von Club, Mannschaft und Trainer.

Wenn dem Cheftrainer beim Zuschauen schlecht wird: Heiko Vogel (rechts) und sein Assistent Marco Walker. (Bild: Daniela Frutiger/freshfocus)

Als haushoher Favorit steigt der FC Basel am Sonntag (14 Uhr, live auf SF2) in den Cup-Halbfinal beim FC Winterthur. Das sieht FCB-Trainer Heiko Vogel nicht gross anders und gibt einen kleinen Einblick ins Seelenleben von Club, Mannschaft und Trainer.

Hat ein Trainer, der mit seiner Mannschaft auf der Erfolgswelle surft, der kurz davor steht, mit Singen und Pfeifen Schweizer Meister zu werden, irgendein ein Problem, wenn er ebendiese Mannschaft auf ein Cupspiel gegen einen unterklassigen Gegner einschwören muss?

Heiko Vogel holt ein bisschen aus und erklärt das so: «Der FC Basel gehört zu den wenigen Vereinen in Europa, die permanent mit Druck umgehen müssen. Weil die Zielsetzung lautet, national jeden Titel zu holen. In Deutschland ist es vielleicht noch der FC Bayern, der den selben Druck hat, in England sind es zwei, drei Vereine und in Spanien zwei. Ich beurteile das als sehr positiv, weil es eine ganz besondere Mentalität braucht, um sich durchzusetzen und Jahr für Jahr diesem Anspruch gerecht zu werden.»

Das lässt sich mit dem massiven Abstand, den der FCB zur Konkurrenz in der Liga aufgebaut hat, natürlich locker sagen. «Deshalb», sagt der FCB-Trainer, «geniessen wir den Komfort eines 17-Punkte-Vorsprungs. Das ist einmalig und wird so schnell nicht wieder kommen. Wir wissen aber auch, und das wissen auch die Spieler, dass die Mentalität die gleiche bleiben muss: trotzdem jedes Spiel zu gewinnen.» Gerade jetzt, sagt der Trainer, wo jeder Aussenstehende glaubt, der FCB habe ja alles schon in der Tasche. «Nein», sagt Vogel, «jetzt zeigt sich, wie gut die Mentalität wirklich ist.»

«Da würde man liebsten kotzen»

Einen kleinen Geschmack dessen, was passieren kann, wenn sich in die Überlegenheit Nonchalance und Überheblichkeit mischt, bekam der FCB vergangenen Samstag in Luzern. Statt zur Pause mit 3:0 zu führen, musste die Mannschaft 20, 25 Minuten lang in der zweiten Halbzeit unten durch und kassierte den Ausgleich.

Sieben Tage später sagt der Trainer über das Zwischentief von Luzern: «Ich hätte den Zampano markieren können, aber das hätte am Spiel nichts geändert. Ich hätte in diesem Moment am liebsten elf Mann ausgewechselt.» Und urteilt drastisch: «Da würde man am liebsten kotzen.» Seinem Assistenztrainer Marco Walker raunte er auf der Bank zu: «Ranger, hol den Eimer!»

Allzu böse kann Vogel seinen Spielern aber nicht sein: «Schön ist, dass die Mannschaft sich selbst einschätzen kann. Ich musste sie nicht darauf hinweisen, dass die 20 Minuten nach der Pause desaströs waren, das wissen die Spieler.» Deshalb ist sein Appell wohl auch eher nach Aussen als nach Innen gerichtet: «Wer glaubt, das Spiel in Winterthur sei schon für uns entschieden, der macht den grössten Fehler, den man machen kann.»

Der FCB kann seinen 17. Cupfinal erreichen

Es ist der 27. Cup-Halbfinal, den der FC Basel am Sonntag in Winterthur bestreitet. In der 87-jährigen Geschichte des Schweizer Cup hat er 16-mal das Endspiel erreicht und durfte sich schliesslich zehn Mal als Cupsieger feiern lassen. Sehr viel spricht dafür, dass die Basler am 16. Mai in Bern ihren 17. Final spielen können: ihre Formkurve, ihre Überlegenheit in der Super League, ihre Übermächtigkeit in allen Belangen im Vergleich mit dem FC Winterthur.

Der Weg bis hier hin war für die Winterthurer zumindest ab dem Achtelfinal auf dem Papier anspruchsvoller als für den FC Basel. Der schrammte in Wil knapp an einer Blamage vorbei und erledigte Lausanne im Spiel 1 nach der herben Klatsche von München. Winterthur setzte sich in zwei dramatischen Heimspielen jeweils im Penaltyschiessen gegen die Young Boys und St. Gallen durch und löste eine Rieseneuphorie in der Stadt aus.

FCW-Trainer Kuzmanovic weiss, wie es geht

Mit 8500 Zuschauern wird die Schützenwiese am Sonntag ausverkauft sein, ein Kontingent von 1800 Tickets ging an den FCB, und es wird ein Wiedersehen mit einigen Ehemaligen geben: Michel Sprunger, Altin Osmani und Dominik Ritter haben im FCB-Nachwuchs gespielt, und Co-Trainer des FCW ist Ex-FCB-Stürmer Dario Zuffi, dessen 22-jähriger Sohn Luca nun im defensiven Mittelfeld eine Teamstütze der Winterthurer ist.

Ausserdem weiss FCW-Trainer Boro Kuzmanovic, wie man gegen den FC Basel im Cup gewinnt: Der kroatisch-holländische Doppelbürger stand 1994 als Mittelfeldspieler in jener Elf des FC Schaffhausen, die den FCB im Halbfinal aus dem Cup kegelte. Im Elfmeterschiessen war Dario Zuffi der erste Fehlschütze der Basler, Kuzmanovic verwandelte seinen Penalty, und mit Samir Tabakovics Fehlschuss war das Ausscheiden der Basler besiegelt.

Vogel: «Wollen der Favoritenrolle gerecht werden»

Fussballerisch erwartet Heiko Vogel einen variablen Gegner, den er je nach dem in einem 4-1-4-1- oder 4-1-2-3-System («Das ist Ansichtssache») agieren sieht: «Es ist eine unangenehme Aufgabe, weil es sehr schwer vorherzusehen ist, wie sie spielen. Sie haben schnelle Aussenspieler, die sie in Szene zu setzen verstehen. Sie können sich hinten reinstellen, defensiv kompakt spielen, sie können bisweilen aber auch aggressiv gegen den Ball spielen und uns unter Druck setzen.» Deshalb, so der FCB-Trainer, müsse man aber keine Angst haben vor dem Gegner: «Wir wollen unserer Favoritenrolle gerecht werden.»

Mental bereitet Vogel seine Mannschaft für Winterthur auf alles vor, auch auf ein Penaltyschiessen, ohne verraten zu wollen, welche Schützen er im Auge hat. Nur soviel: «Ich könnte mir vorstellen, dass Alex Frei dazugehören könnte.» Ein Satz, der Fans der Schweizer Nationalmannschaft in Erinnerung an die WM 2006 in den Ohren klingen wird.

Schweizer Cup, Halbfinal
FC Winterthur–FC Basel, Sonntag, 14.00 Uhr (SF2 live)

Mögliche Aufstellungen
FC Winterthur: Leite; Iten, Sereinig, Exouzidis, Lenjani; Zuffi; Sprunger, Lüscher, Radice, Kuzmanovic; Bengondo.
FC Basel: Sommer; Steinhöfer, Abraham, Dragovic, Park; Shaqiri, Yapi, Xhaka, Stocker; A. Frei, Streller.

Bemerkungen: FCB ohne Degen, Chipperfield, Voser, Jevtic (verletzt). – Bereits qualifiziert: FC  Luzern (1:0 in Sion am Mittwoch); Cupfinal am Mittwoch, 16. Mai in Bern.

 

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