Als Marcel Koller nach seiner Premiere im St.-Jakob-Park und einer emotional aufgeladenen Partie gegen GC durch die Senftube zurück auf das Spielfeld marschiert, um dem Fernsehen Auskunft zu geben, stört er mit einem fast zärtlichen Zwischenruf ein Interview mit Ricky van Wolfswinkel. «Hey Ricky!», ruft der Trainer des FC Basel dem Offensivspieler zu, ballt dabei beide Fäuste und entlockt dem Holländer ein Schmunzeln, das die ganze Zufriedenheit des 29-Jährigen transportiert.
Es geht in diesen Tagen auch um Beziehungspflege. Darum, dass der neue Mann an der Seitenlinie seine Spieler kennenlernt, eine Bindung zu ihnen aufbaut, ihnen Vertrauen schenkt. Und es wird Balsam sein, wenn van Wolfswinkel irgendwann erfährt, was Koller nach dem 4:2-Sieg gegen den Tabellenletzten über ihn sagte:
«Ricky hat sich hervorragend bewegt und sich Räume geschaffen. Zudem ist er viel marschiert und hat in der Defensive Räume geschlossen. Dieser Spieler lebt, er hat Feuer und ist bereit, für die Mannschaft alles zu geben. Als Trainer bin ich sehr froh, dass Ricky ein solches Spiel gezeigt hat.»
Eher zwischen den Linien als ein klassischer Flügel
Koller hat in einer 4-2-3-1-Grundordnung van Wolfswinkel eine neue Rolle zugedacht: als rechter Flügel, der eigentlich kein Flügel ist.
Während seiner ganzen Karriere war van Wolfswinkel fast ohne Ausnahme Mittelstürmer gewesen. Zur neuen Aufgabe sagt er: «Die Position ist neu und anders für mich. Jeder weiss, dass ich kein Flügelspieler bin, der an der Seitenlinie bleibt und Flanken schlägt. Ich löse die Aufgabe nicht wie Kevin Bua oder Noah Okafor und muss meinen Weg in diese Rolle finden.»
Van Wolfwinkel löste seine Aufgabe zur vollen Zufriedenheit Kollers. Der Trainer sei rasch auf ihn zugekommen mit der Idee, ihn als Flügel aufzustellen. «Er hat ein paar Spiele von uns gesehen und kannte meine Qualitäten. Der Coach will aber nicht, dass ich als klassischer Flügel spiele, sondern mich eher zwischen den Linien und in der Nähe des Mittelstürmers bewege, fast als eine Art Nummer 10», sagt van Wolfswinkel.
Den Drang nach vorne hat van Wolfswinkel sowieso. Und im Zentrum, da, wo es ihm besonders wohl ist, erzielte er gegen GC in der 68. Minute das 4:0. Bua hatte ihn in der Kontersituation angespielt, van Wolfswinkel legte sich den Ball mit einer Berührung vor und bezwang GC-Goalie Heinz Lindner aus knapp elf Metern.
Wir liefern nach: Das 4:0 von Ricky van Wolfswinkel! #FCBasel1893 #zämmestark #rotblaulive pic.twitter.com/BIMkj0yCoM
— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) 4. August 2018
Seit der 32. Runde der abgelaufenen Saison hatte van Wolfswinkel nicht mehr getroffen. Und wer sich an das Testspiel im Winter gegen den FC Luzern erinnert, als van Wolfswinkel dem verdutzten Dimitri Oberlin den Ball wegnahm, um statt seiner einen Elfmeter zu verwandeln, kann sich ausmalen, wie wichtig dem Stürmer Tore sind.
Zumal die letzten Wochen und Monate für den Stürmer schwierig waren. Raphael Wicky hatte kaum mehr auf van Wolfswinkel gesetzt, sondern Albian Ajeti forciert. Van Wolfswinkel war mit seiner Situation unzufrieden, froh um den Trainerwechsel sei er deswegen aber nicht:
«Ich habe Raphael nach der Trennung angerufen und ihm gesagt, dass ich nicht glücklich war, kaum gespielt zu haben und ich damit nicht einverstanden war. Dass er nicht auf mich gesetzt hat, gründet allerdings nicht in unserer Beziehung. Wir respektieren uns gegenseitig. Zumal Raphael einen grossen Anteil daran hat, dass der FC Basel mich verpflichtet hat.»
Van Wolfswinkel nimmt die Mannschaft in die Pflicht
Überhaupt glaubt van Wolfswinkel, dass Wickys Entlassung zu grossen Teilen der Mannschaft angelastet werden kann: «Raphael musste gehen, weil er der Verantwortliche war. Aber wir Spieler sind die ersten, die erkannt haben, dass wir nicht alles richtig gemacht hatten. Es war unschön für alle, dass der Coach deswegen gehen musste.»
Kommende Woche fliegt der FC Basel nach Arnheim, in die niederländische Stadt nahe der deutschen Grenze, wo van Wolfswinkel bei Vitesse fussballerisch gross geworden ist. «Ich wäre zwar lieber in Moskau», wo der FC Basel die dritte Runde der Champions-League-Qualifikation bestritten hätte, «aber für mich ist es zumindest ein grosser Spass, nach Arnheim zu fahren. Es ist immer schön, nach Hause zu kommen», sagt van Wolfswinkel.
Vier Tore hat der FC Basel gegen die Grasshoppers erzielt. Das ist eines mehr als in den vorherigen vier Spielen zusammen und zumindest ein Versprechen für das Duell in der dritten Runde der Europa-League-Qualifikation. Und wenn van Wolfswinkel seinen Weg in die neue Position findet, sie mit seinen Qualitäten interpretiert und darin so auflebt wie gegen die Grasshoppers, dann hat der Trainer auf der rechten Aussenbahn eine vielversprechende Option mehr in der Hand.