Er kann es noch: Europameister Viktor Röthlin belegte am Tokio-Marathon Rang 5 in 2:08:32-Stunden – der drittschnellsten Zeit, die er über die 42 Kilometer je gelaufen ist.
Zwei Stunden und zehn Minuten – das war die Marke, an der sich Viktor Röthlin bei seinem Tokio-Marathon-Start orientiert hat. Seit seiner Premiere in der japanischen Metropole vor vier Jahren und dem Sieg in Streckenrekordzeit von 2:07:23-Stunden hatte er 2:10-Marke nie mehr geknackt.
Und Röthlin schaffte seine eigene Vorgabe souverän. Nach einer taktisch und kämpferisch formidablen Leistung erreichte er das Ziel nach den 42,195 Kilometern nach 2:08:32-Stunden. Es stellt seine drittbeste Zeit in seinem 23. Marathon dar – nach Tokio 2008 und Zürich 2007 (2:08:20).
«Diskussionen sind vom Tisch»
«Ich bin sehr glücklich», sagt der 37-jährige Obwaldner. Sein Gefühl aus der Vorbereitung sieht er bestätigt: «Alles deutete auf eine Leistung in diesem Bereich hin, aber das war schon zehn Monate zuvor in London so gewesen.» Damals jedoch scheiterte er klar. Und den Beweis, dass die unsachgemässe Dopingprobe am Vorabend ihn derart aus dem Konzept geworfen hatte, konnte er nahe liegender Weise nie stichhaltig erbringen.
Die Frage, ob kann Röthlin noch schnell laufen kann, blieb im Raum. Die beiden erlittenen Lungenembolien 2009 umschwebten ihn weiterhin. Und darum sagt er nun: «Ich atme auf, diese Diskussionen sind nun endgültig vom Tisch.»
Mit Reserven unterwegs?
Erfreulich waren für ihn ebenso die Erkenntnisse aus dem Rennen selber. Er fand sich auch im Riesenfeld – die Japaner liefen für die Olympia-Qualifikation und bis Kilometer 25 fand er sich in einer Gruppe von rund 20 Athleten wieder – und der «Harakiri-Taktik» der Kontrahenten zu Recht. Und rasch stellte er fest, dass er mit dem Rhythmus «extrem gut» umgehen konnte.
Als sich bei ebendiesem Kilometer 25 die Spreu von der Weizen zu trennen begann, traute sich Röthlin nicht zu, den Rhythmus mit den Besten zu erhöhen. «Ich verfügte nicht über das Selbstvertrauen von 2007 und 2008», gibt er zu. Unglücklich über seine Zurückhaltung war er aber nicht. Vielmehr zahlte sich «das Regelmässig-Laufen» aus. Und das Ziel erreichte er in erstaunlicher Verfassung. «Womöglich verfügte ich noch über Reserven», berichtet er bestens gelaunt aus Tokio.
Nur knapp hinter Gebrselassie
Problemlos verkraften konnte er, dass er das Ziel lediglich 15 Sekunden hinter Haile Gebrselassie (Äth) erreichte, hinter dem zweifachen 10000-m-Olympiasieger, x-fachen Weltmeister und ehemaligen Marathon-Weltrekordler. «Weil bei der 42-km-Marke eine riesige Tafel mit der Zahl 195 positioniert war, konnte ich Haile nicht sehen», schildert Röthlin. So realisierte er die aussergewöhnliche Situation nicht. Was ihn aber nicht betrübt.
Vielmehr spricht Röthlin von «einer zusätzlichen Riesenmotivation», die er aus Tokio mit in die Schweiz nach Haus bringt. Dazu trägt bei, dass er die letzten sieben Kilometer schneller lief als Sieger Michael Kipyego (Ken/2:07:37) und weiterhin Inhaber des Streckenrekords bleibt. Nun will sich Röthlin dem Schlusshöhepunkt seiner Karriere, dem Olympia-Marathon von Mitte August in London und dessen Vorbereitung «voller Vertrauen und Freude» zuwenden.
Gebrselassie muss bangen
In 2:08:17 beendete Haile Gebrselassie den Tokio-Marathon als Vierter, eine Zeit, die knapp werden könnte für eines der drei Tickets Äthiopiens für die olympischen Spiele in London (27. Juli bis 12. August). Seine Landsleute Ayele Absehro (2:04:23) und Dino Sefir Kemal (2:04:50) liefen zuletzt in Dubai deutlich schnellere Zeiten. «Die letzten fünf Kilometer waren die schlechtesten, die ich je gerannt bin», sagte Gebrselassie im Ziel von Tokio. Im September hatte er beim Berlin-Marathon seinen Weltrekord (2:03:59) an den Kenianer Patrick Makau (2:03:38) verloren.
Für den Kenianer Michael Kipyego (2:07:37) der erste Sieg über die klassischen 42,195 Kilometer; Zweiter wurde der Japaner Arata Fujiwara (2:07:48) vor Stephen Kiprotich (Uganda/2:07:50). Die Äthiopierin Atsede Habtamubei gewann bei den Frauen in 2:25:28 Stunden.