Roger Federer steht im Wimbledon-Final. Und dort ist sein Gegner Novak Djokovic gewarnt. Denn was Federer im Halbfinal gegen Andy Murray zeigte, war Tennis vom Allerfeinsten.
Wiedersehen macht Freude – nur wem? Am Sonntagmittag sind sie jedenfalls wieder zum grossen Endspiel-Rendezvous auf dem Centre Court von Wimbledon verabredet, so wie vor zwölf Monaten: Roger Federer, der Rekordchampion, der siebenmalige Gewinner der Offenen Englischen Meisterschaften. Und Novak Djokovic, der Titelverteidiger, die Nummer 1 der Welt.
Im Theater der Tennisträume wird zur Schlussvorstellung (ab 15 Uhr MESZ) formvollendet nicht weniger als der Auftritt der beiden Marktführer geboten, mit der alles überstrahlenden Frage, ob Djokovic seinen Pokalcoup des Vorjahres wiederholen und zum dritten Mal auf den heiligen Grüns triumphieren kann. Oder ob Roger Federer künftig einsam und allein den Wimbledon-Olymp bewohnen wird, nach einer bisher unerreichten, achten erfolgreichen Titelmission in seinem 34. Lebensjahr.
Mit viel Selbstbewusstsein zum Ziel
Er, der ewige Rasen-Meister an der Church Road, war mit seinem 7:5, 7:5, 6:4-Sieg in bloss 127 Minuten mal wieder der geniale Spielverderber für Andy Murray und ganz Britannien. Und so der Gegenspieler von Djokovic, der sich früh am Freitag von Halbfinal-Überraschungsgast Richard Gasquet beim 7:6 (7:2), 6:4, 6:3-Sieg nicht aufhalten liess. «Ich bin wirklich glücklich, dass ich zum richtigen Zeitpunkt mein bestes Tennis gezeigt habe», sagte Federer, «ich habe alles riskiert. Und bin belohnt worden.»
Federer hatte zur Halbzeit des Turniers im Hochgefühl serienweise bestechender Auftritte gesagt, er erwarte mindestens den Finaleinzug, «aber eigentlich den Sieg» von sich. Es klang leicht anmassend, vielleicht sogar ein wenig arrogant, aber Federer gab damit nur seiner Selbsteinschätzung Ausdruck – und die täuschte ihn, wie in all den anderen grossen Jahren seiner Ausnahmekarriere, ganz und gar nicht.
Gegen das Aufschlagspiel des «Maestro» hatte der Brite wenig entgegen zu setzen. (Bild: FACUNDO ARRIZABALAGA)
Aufzuhalten war Federer jedenfalls nicht von Andy Murray im Halbfinale, mit einem Vortrag, bei dem er spielte wie ein Protagonist aus einer ganz anderen Wimbledon-Epoche: Fast bedingungslos suchte der «Maestro» sein Heil in der Offensive, stürmte bei jeder sich bietenden Gelegenheit ans Netz, schlug Ass um Ass, Siegschlag um Siegschlag in Murrays Feld – Volltreffer, die Herz und Hirn des Lokalmatadors erschütterten. «Das war Angriffstennis vom Feinsten, pure Klasse», sagte Ehrengast Björn Borg, der in der Royal Box wie auch Ikone Rod Laver und Trainer-Pensionär Sir Alex Ferguson Platz genommen hatte. Mit Anzug und Wimbledon-Schlips kam später auch Boris Becker zu den VIP’s hinzu, seine Gegnerbeobachtung geschah allemal stilsicher.
Wie in besten Zeiten
Federers Zahlenwerk vor diesem heissen Finalsonntag hat beinahe magische Züge. Mit seinem dynamischen Hurra-Tennis erreichte er bereits sein zehntes Wimbledon-Endspiel und das 26. Major-Finale überhaupt. Zwölf Jahre nach seinem ersten Durchbruchsieg auf der Hauptwiese des All England Club grüsste er nun auch als ältester Finalist seit Ken Rosewall 1974. Aber wie zeitlos und erfrischend sah sein Spiel aus, das Spiel des Mannes, in dessen Karriere Wimbledon zum Garten Eden wurde.
«Im Endspiel muss sich Novak Djokovic klar steigern. Sonst hat er gegen diesen Roger Federer keine Chance.»
Björn Borg
Federer tänzelte leichthin über den Centre Court, schlug aber wie in seinen besten Zeiten auch kühl in genau den richtigen Momenten zu, jeweils mit dem Break zum 7:5 in den beiden ersten Sätzen. Ein halbes Dutzend Satzbälle brauchte er in der mitreissenden, aufwühlenden Schlussphase des zweiten Akts, in der beide Spieler sich bis ans Limit duellierten – es war Tennis zum Verlieben, mit Federer in ganzer Pracht und Schönheit. «Als wäre er in einen Jungbrunnen gefallen», erschien der Schweizer dem TV-Kommentator John McEnroe: «Eins ist ganz deutlich: Er will diesen Titel mit aller Macht. Aber wenn er gewinnt, dann sicher auch mit aller Schönheit.» Auch im dritten Durchgang war Federer hellwach da. Als es zählte, machte das entscheidende Break zum 6:4.
Djokovic gewarnt
Djokovics Vorstoss in sein viertes Wimbledon-Endspiel verlief da schon unspektakulärer, gegen einen Richard Gasquet, der sichtlich unter den Strapazen seines Fünf-Satz-Marathons gegen den Schweizer Wawrinka litt. Nach dem Sieg im Tiebreak-Lotteriespiels des ersten Satzes zog der Serbe unaufhaltsam davon, mit methodischer Genauigkeit und artistischen Einlagen entfernte er sich vom Franzosen weg und wieder einmal aufs Finale zu.
«Wimbledon bringt immer das Beste aus mir heraus. Und in Wimbledon verlange ich auch das Beste von mir», sagte der 28-jährige später. Borg, der strenge Beobachter, der Sieger der Jahre 1976 bis 1980, gab dem Titelverteidiger allerdings eine klare Warnung mit auf den heimweg am Freitag: «Im Endspiel muss er sich klar steigern. Sonst hat er gegen diesen Roger Federer keine Chance.» Gegen den Schweizer, der die Uhren in Wimbledon scheinbar stillstehen lässt.