Ryder Cup in Schottland befeuert den Glaubenskrieg unter den Golfsport-Historikern

Wurde Golf wirklich in Schottland erfunden? Viele Indizien sprechen dagegen. Zum grossen Duell im Ryder Cup zwischen Europa und den USA am Wochenende lädt man im schottischen Gleneagles dennoch forsch ins «Home of Golf».

Wer hat’s erfunden? Eine Darstellung des «Kolfen» in den Niederlanden um 1625 von Hendrick Avercamp (Houston Museum of Fine Arts, Collection Edward and Sally Speelman).

Wurde Golf wirklich in Schottland erfunden? Viele Indizien sprechen dagegen. Zum grossen Duell im Ryder Cup zwischen Europa und den USA am Wochenende lädt man im schottischen Gleneagles dennoch forsch ins «Home of Golf».

Am Anfang war der Schotte. Sagt der Schotte voller Stolz. Er habe das Spiel erfunden, irgendwann vor mehr als 500 Jahren, niemand sonst. Die Welt glaubt das auch, wie selbstverständlich, dass es schottische Schäfer waren, die  sich im Windgebraus ihrer Highlands langweilten und begannen, mit Stöcken runde Gegenstände in Erdlöcher zu zielen. Und wenn Schottland jetzt Gastgeber des mythenumrankten Ryder Cup ist, erstmals wieder nach 40 Jahren, spricht man offiziell von der Rückkehr der Veranstaltung ins «Home of Golf».

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Historisch ist das indes sehr umstritten. Ich war´s, ruft der Holländer, der Franzose und sogar der Belgier, obwohl es ihn als Belgier noch lange nicht gab. Oder noch andere?

Vor gut 20 Jahren war ein lateinisches Wörterbuch von 1545 entdeckt worden, in dem der niederländische Verfasser Pieter van Afferden eine Art Golfspiel beschrieb und dazu fünf Grundregeln erläuterte. Die Schotten konterten unmittelbar mit einem Gegenbeweis: Sie führten Urkunden an, nach denen ihr König das Golfspiel schon am 6. März 1457 verboten hatte.

Von wegen Golf, argumentierten Kontinentaleuropäer: Mit dem hoheitlichen Verdikt war eine Vorform des Hockeyspiels gemeint, ein im Mittelalter sehr wüstes Gehaue und Gestochere. Warum überhaupt sollte man das leise, ungefährliche Golf verbieten.

Golfen, Kolfen oder doch Rumänien?

Wann überhaupt ist ein Spiel Golf im Sinne von Golf? Wenn das Ziel ein Erdloch ist, sagen die Schotten. Gut, führen Niederländer an, putt bedeute seit Alters her im Flämischen Grube, also im weiteren Sinne Erdloch. Zudem sei ihr Wort kolfen. Schon 1360 gab es in Brüssel eine Verordnung, die golfähnliche Spiele auf den Strassen verbot. Als lachende Dritte kommen die Rumänen ins Spiel mit Dokumenten über Putting-Beschreibungen aus Sibiu von 1480.



European Ryder Cup player Sergio Garcia putts on the 18th green during practice ahead of the 2014 Ryder Cup at Gleneagles in Scotland September 24, 2014.    REUTERS/Eddie Keogh (BRITAIN  - Tags: SPORT GOLF TPX IMAGES OF THE DAY)

So sieht es heute aus, wenn im Golfsport um den Ryder Cup, dem Kontinentalvergleich USA gegen Europa, gespielt wird: Das 18. Loch in Gleneagles am Donnerstag. (Bild: Reuters/EDDIE KEOGH)

Auf der Insel war man lange stolz auf ein Kirchenbild in der Kathedrale von Gloucester aus dem 15. Jahrhundert, das einen Golfer zeige. Dann stellte sich heraus, dass das Bild einen Franzosen abbildet. Umgehend wurde er zum Lacrosse-Spieler umdefiniert. Tatsächlich gibt es die ältesten Golf-Bilddokumente aus dem 15. Jahrhundert aus Frankreich und Flandern.

Die Franzosen verweisen zudem auf den persischen König, der im 15. Jahrhundert ihrem Königskollegen drei Golfbälle geschenkt haben soll: Nur: Wo hatte der Schenkende die Bälle her? Gab es im hoch entwickelten Land der zwei Ströme längst Fairways und perserteppichartige Grüns?

Die Schotten ficht das nicht an. Malerei als Beweis? Bei uns gab es damals keine Bildtradition, sagen sie kühl. Und keine Bilder bedeutet noch lange nicht, dass es das Spiel nicht lange gab. Kontinentaleuropäer hätten sich das Golftreiben bei Handelsreisen nur abgeguckt.

Die Schotten sind empört

All die Ansprüche der Schotten nennt der Bonner Anglist und Sporthistoriker Dr. Heiner Gillmeister «eine grosse Unwahrheit». Er war auf der Insel schon 2002 zur persona non grata geworden, als er behauptete: «Die Wiege des Golfsports stand in Holland.» Neben den Argumenten oben («die gesamte Terminologie des Spiels basiert auf der niederländischen Sprache») diente ihm als Kronzeuge der schottische Adelige Sir Gilbert Hay, der in seinem Text das königliche Verbot von 1457 eindeutig Hockey statt Golf zuschrieb. «Darin», schreibt Gillmeister, «beschreibt Hay eine Sportart, die mit einem golf staff, also einem Golfschläger, zwischen zwei Mannschaften gespielt wird.»

Nur, warum hatten sie einen Golfschläger, ohne schon vorher das Spiel zu spielen?

Die Schotten waren empört. Ein Offizieller des Royal and Ancient Golf Club von St. Andrews, wo 1754 – unbestritten – der erste Golfclub der Welt gegründet wurde und heute die weltweiten Regelhüter ihren Sitz haben, schimpfte: «Nichts in dieser Forschungsarbeit lässt uns zweifeln, dass das Spiel, wie wir es heute kennen, an der Ostküste Schottlands erfunden wurde und sich von dort entwickelt hat.» In Holland habe man höchstens ein golfähnliches kolf auf Eisflächen gespielt. Wieder ein neues Argument.

Der Historikerstreit

«Chauvinistisch und arrogant», konterte Gillmeister in einem Interview mit dem «Telegraph». Geradezu demütigend muss es im Königreich empfunden werden, dass Gillmeister nicht irgendwer ist sondern Autor des Artikels über Golfgeschichte – in der renommierten Encyclopedia Britannica. Freudig liess er sich in diesem Sommer als Gastreferent in Holland beim Symposium «Golf is coming home» einladen. Heute setzt er noch einen drauf: «Ich bin die Speerspitze der Bewegung, St. Andrews die Stirn zu bieten.»



Eröffnungs-Brimborium: Schotlands Premierminister Alex Salmond am Vorabend des Ryder Cup mit Team Europa (links) und den USA.

Eröffnungs-Brimborium: Schotlands Premierminister Alex Salmond am Vorabend des Ryder Cup mit Team Europa (links) und den USA. (Bild: Keystone/ANDY RAIN)

Gillmeister hält die Tourismusindustrie Schottlands für federführend, die Legende aufrecht zu erhalten. Der Wunsch, einmal im Leben in Schottland zu spielen, eint alle Golfer. Am liebsten auf dem Old Course in St. Andrews. Gillmeister weiss von Japanern, «die sich wochenlang in örtlichen Hotels teuer einmieten und darauf warten, dass sie endlich bei der Verlosung um Startplätze an die Reihe kommen».

Übrigens: Gleneagles, 40 Meilen entfernt, ist nicht etwa Austragungsort des Ryder Cup, weil dort einer der schönsten und spektakulärsten Plätze der Welt läge (was sicher nicht der Fall ist). Sondern weil die Besitzer von Gleneagles, der Guinness-Konzern, bestens vernetzt ist im Golf-Business und die Vermarktungsmöglichkeiten im «Herzen der Golfheimat» am aussichtsreichsten sind.

Tolkien und das Kaninchenloch

Vielleicht aber wurde Golf noch viel früher erfunden – in Mittelerde. J.R.R. Tolkien schreibt in «Der kleine Hobbit»: «(…) und schlug ihrem König Golfimbul in der Schlacht auf den grünen Feldern mit einer hölzernen Keule glatt den Kopf ab. Der Kopf aber segelte über 100 Meter durch die Luft und fiel in ein Kaninchenloch. Auf diese Weise wurde im gleichen Augenblick sowohl die Schlacht gewonnen als auch das Golfspiel erfunden.»

Solche Anmutungen, zudem von einem Engländer, kontern die Schotten mit britischem Humor aus. «Golf», so sage ein altes Sprichwort, «wurde vor Milliarden Jahren erfunden. Erinnerst du dich nicht?»

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