Scharf auf die Nummer 15

Der golferisch wiedergeborene Buddhist Tiger Woods und die Frauen sind Thema beim 77. Masters im US-Snobistenclub Augusta National.

Tiger Woods of the U.S. hits his tee shot on the eighth hole during a practice round in preparation for the 2013 Masters golf tournament at the Augusta National Golf Club in Augusta, Georgia, April 9, 2013. REUTERS/Brian Snyder (UNITED STATES - Tags: SPO (Bild: Reuters/BRIAN SNYDER)

Der golferisch wiedergeborene Buddhist Tiger Woods und die Frauen sind Thema beim 77. Masters im US-Snobistenclub Augusta National.

Im Vorfeld der 77. Masters, dem erhabensten aller Golfturniere, ausgespielt wie stets im Augusta National Golf Club im US-Bundesstaat Georgia, haben erstmals Frauen eine ganz grosse Rolle gespielt. Zum Beispiel Condoleeza Rice, die gewesene US-Aussenministerin. Sie und eine milliardenschwere Unternehmerin aus South Carolina bekamen kürzlich als erste Frauen die Mitgliedschaft im snobistischen Südstaaten-Club.

80 Jahre lang fanden nur Männer Gnade, und die durften bis 1990 auch keine Schwarzen sein. Das Ende der Diskriminierung wurde jetzt als Meilenstein gefeiert – mal fürs Golf an sich, mal fürs Geschäftsleben und mal auch für die Gleichberechtigung.

Woods und die Frauen – etwas für Spötter

Und da ist US-Skistar Lindsey Vonn, 28, die neue Partnerin von Affairen-König Tiger Woods. Wenn zwei Grosspromis zum Liebespaar werden, ist das ein Fest für den Boulevard – und für Spötter wie Harald Schmidt. Der Talker im Pay-TV-Sender Sky enthüllte, dass innerhalb einer Stunde, nachdem Vonn per Twitter erklärt hatte, sie sei mit Woods zusammen, hunderte anderer Frauen retweetet hätten: «Ich auch.»

Abseits solcher Gemeinheiten gewann die 37-jährige Golflegende vor zwei Wochen gleich das nächste Turnier und wurde erstmals nach zweieinhalb Jahren wieder zur Nummer 1 der Welt. Und damit auch zum Favoriten für die Masters, das erste der vier Majors in diesem Jahr.

Die Haare lichter, der Schwung präzise

Woods führt die Weltrangliste gleich mit einigem Vorsprung an, obwohl er die Zahl der gewerteten Turniere in den vergangenen 24 Monaten nicht mal ausnutzte. Seine Haare werden allmählich lichter, seine Auftritte gerieten zuletzt so magisch wie einst. Die Abschläge – endlich wieder lang und kontrolliert gerade. Das Eisenspiel – von dynamischer Präzision. Das kurze Spiel – auf Flugbahnen wie von einer Drohne gelenkt. Die Putts – fast wie direkt ins Loch gelegt, egal ob aus zwei oder 20 Metern.

Der 25. November 2009 ist wie vergessen. Damals hatte Ehefrau Elin Nordegren die Heckscheibe an Tigers Auto mit einem Golfschläger zertrümmert. Experten streiten noch, ob es Eisen 6 oder 8 war. Es folgten eine Schlammschlacht um zahllose Affairen des Golfstars, die Scheidung mit einer Abfindung von geschätzt 100 Millionen US-Dollar, Sorgerechtsprozesse für die beiden Kinder, die Sexsucht-Therapie, Sponsorenverluste, Knie-Operationen, schliesslich im November 2011 Absturz auf Platz 58 der Weltrangliste. Woods, der Dominator, war nach dem Tigergate nur noch Mitläufer im Golfzirkus, verspottet als «Schniedel-Woods».

Er würde nie zurückkommen, glaubten viele. Der praktizierende Buddhist brauchte für seine golferische Wiedergeburt nur 16 Monate. Woods, der schon als einähriger mit Kleinkinderschläger auf den Grüns posierte, bis die Windel voll war, sammelt seit 1997 Golfrekorde zu dutzenden – Bestmarken an Siegesserien, Ranglistenplatzierungen (unglaubliche 625 Wochen Nummer 1), an Dollarzuflüssen sowieso.

«Ich bin wieder da»

Den tückischen Platz in Augusta spielte er stets besser als jedes andere Major und war meist unter den fünf Bestplatzierten. Gewonnen hat er aber zuletzt 2005 – sein vierter Sieg in Augusta. Jetzt liess er gleich mal wissen: «Ich will nicht so gut werden wie ich einmal war, sondern besser.» Und er erklärte: «All die Schwung-Philosophien sind so unterschiedlich. Ich brauchte Zeit und die hatte ich lange nicht, um an meinem Spiel intensiv zu arbeiten. Kaum ging es wieder, bin ich langsam aber unaufhörlich durchgestartet, um wieder zu diesem Momentum zu finden. Und jetzt – bin ich wieder da.»

Der Rest der Weltelite staunt in Ehrfurcht. Niemand ist da, den man in Augusta ernsthaft für den Sieg auf dem Zettel hätte. Die Europäer, im Herbst noch Ryder Cup Sieger, spielen seitdem allesamt höchst mässig: ob die Engländer Luke Donald und Lee Westwood, ob Rory McIlroy, Graeme McDowell, Martin Kaymer. Der Weltranglistendritte Justin Rose aus England? Der glaubt sogar, Woods könnte durch seine schiere Präsenz «andere zu Fehlern zwingen».

Allenfalls Tigers Erzrivale Phil Mickelson (der am Sonntag mit Condoleeza Rice eine Spass-Runde drehte) scheint überraschungsfähig, vielleicht auch die zuletzt konstant spielenden US-Schlägerschwinger Hunter Mahan, Matt Kuchar oder Brandt Snedeker. Von Titelverteidiger Bubba Watson spricht niemand.

Ein grosser Rekord fehlt noch

Indes heisst Topfavorit bei einem Golfturnier zu sein auch für Tiger in Topform nur dies: Die Chance nicht zu gewinnen ist etwas kleiner als bei allen anderen. Ein grosser Rekord fehlt Woods noch, und da ist er hinterher wie keinem zweiten: Jack Nicklaus, heute 73, hat zwischen 1963 und 1986 stolze 18 Majors gewonnen, Woods als Zweitbester aller Zeiten erst 14. Zweitbester zu sein ist next to nothing – und entsprechend giert Woods nach dem 15. Major-Titel und weiteren.

Kaum grüsste Woods wieder vom Golfthron, startete der treue Dauersponsor Nike eine neue Kampagne mit Tigers Bild: «Gewinnen macht alles andere vergessen» – angeblich ein Satz des Spielers selbst. Solcherlei Trompetenstösse empören viele Frauen, Motto: Egal wie man lügt und betrügt, die Familie zerstört – mit guten Golfschlägen kann man alles heilen. «Absoluter Schwachsinn» schimpfte eine US-Kommentatorin. Zeitgleich breiten die Schmierenblätter, eben noch begeistert von der grossen Liebe zu Lindsey, Gerüchte aus, Woods sei längst schon wieder fremdgegangen – mit der Ex.

Lindsey Vonn, die in Augusta dabei sein will, hatte mit Erscheinen der letzten Weltrangliste knappst getweetet: «Number 1» mit lauter Ausrufungszeichen dahinter. Der britische Guardian zählte beziehungsreiche 14 Major-Ausrufungszeichen. Zuviel der Symbolik: Es waren nur 13.

Das Leader Board des 77. Masters

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