Borussia Dortmund besiegt die Münchner Bayern auch im Pokalfinale. Die fünfte Niederlage in Folge im direkten Duell fiel mit 5:2 deutlich aus. Die jahrzehntelange Vormachtstellung des Rekordmeisters bröckelt.
Als Schiedsrichter Peter Gagelmann die Partie beendete, war die Ostkurve des Berliner Olympiastadions fast zur Hälfte geleert: Die Fans der unterlegenen Mannschaft hatten zum grossen Teil das Weite gesucht. Kurz darauf hüpfte vor der Westkurve ein euphorisiertes Spielerknäuel in gelben Trikots herum und liess sich feiern: Borussia Dortmund hat sich am Samstagabend nach dem Meistertitel auch den Pokalsieg gesichert – mit einem satten 5:2-Erfolg gegen den FC Bayern.
Der Rekordmeister hat damit das fünfte Spiel in Folge gegen die Westfalen verloren. Fünf Niederlagen – es gab Zeiten, da wäre es unvorstellbar gewesen, dass so etwas dieser Mannschaft passiert. Am Samstag schallte ihr Spott aus der BVB-Fankurve entgegen: «Schiessbude Bayern!»
Der frühe Rückstand
Schon nach drei Minuten lag der Rekordmeister zurück. Shinji Kagawa (3.) nutzte dabei einen Fehler von Luiz Gustavo aus, der ebenso wie Jerôme Boateng und Holger Badstuber grossen Anteil an den defensiven Unsicherheiten hatte, die die Bayern letztlich die Niederlage einbrachten.
Weiter ging`s: Nach einem Foul von Roman Weidenfeller an Mario Gomez verwandelte Arjen Robben den Elfmeter zum 1.1-Ausgleich (26.). Kurz darauf musste der Keeper verletzt vom Feld. Für den Routinier kam Mitchell Langerak. Der Australier sollte lange Zeit beschäftigungslos bleiben, denn die Musik spielte in der anderen Hälfte. Nach einem Foul von Boateng an Jakub Blaszczykowski verwandelte Mats Hummels (41.) zur 2:1-Führung des amtierenden deutschen Meisters, kurz darauf überwand Lewandowski den Bayern-Goalie Manuel Neuer (45.).
Der dreifache Lewandowski
Es war der erste von drei Treffern des Polen. Die zweite Hälfte wurde aus Sicht der Bajuwaren nicht erfreulicher. Nach knapp einer Stunde stand es 4:1 für den BVB (59.), erneut hatte Lewandowski getroffen. Bayern versuchte, wenigstens noch etwas für die Selbstachtung zu tun: Gomez traf die Latte (68), Ribéry nach schöner Einzelleistung zum 2:4 (75.). Doch der Treffer kam zu spät – in der 81. Minute erhöhte Lewandowski auf 5:2.
In einem Spiel, das unterhaltsam, aber dennoch nicht sonderlich hochklassig war, war den Bayern anzumerken, dass die jüngsten Aufeinandertreffen mit den Borussen ungut verlaufen waren – vor allem Boateng und Gustavo (blieb nach der Pause draussen), aber auch Offensivakteure wie Arjen Robben wirkten verunsichert. Der Niederländer hatte am 11. April einen Elfmeter im Spiel gegen den BVB verschossen und damit für eine Vorentscheidung im Titelrennen gesorgt.
Die Borussia lässt Taten sprechen
Aber auch die Borussen spielten eher effizient als brillant, eiskalt nutzten sie die «unverständlichen Dinge in unserer Defensive» (Bayern-Coach Jupp Heynckes) aus: «Man könnte meinen», meinte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp lachend, «dass wir vier Jahre lang gut trainiert haben, um heute jeden Ball reinzuhauen.» Eine Wachablösung im deutschen Fussball wollte der gebürtige Schwabe trotz mehrfacher Nachfrage nicht ausrufen. Warum auch? Bislang ist der BVB prima damit gefahren, Taten sprechen zu lassen.
Aufeinandertreffen zwischen Dortmund und Bayern München sind deshalb in Deutschland tatsächlich auf dem Weg zu einem «Clasico» zu werden, wie es Ottmar Hitzfeld jüngst formuliert hat. Sowohl für beide Fangruppen als auch für ein internationales Publikum – das Match wurde in 150 Länder übertragen– genoss bereits die Begegnung am Samstag allerhöchste Priorität. Nach offiziellen Angaben gab es fast 800‘000 Kartenanfragen, 724‘000 davon mussten negativ beschieden werden. Schwarzmarktpreise von bis zu 500 Euro pro Ticket wurden deshalb verlangt – und bezahlt, wie schon Stunden vor Anpfiff rund ums Berliner Olympiastadion zu beobachten war.
Die Heimsuchung der Bayern
Dabei waren die Machtverhältnisse im deutschen Fussball ja eigentlich seit Jahren in Stein gemeisselt. Und zumindest, was Breitenwirkung und ökonomische Rahmendaten angeht, ist der FC Bayern unbestrittenermassen nach wie vor das grösste Tier im Stall. Zuletzt machten die Münchner einen Umsatz von 290 Millionen Euro, knapp das Doppelte vom Ruhrpottclub (151 Millionen), beim Merchandising liegt das Verhältnis gar bei drei zu eins (44, bzw.15 Millionen Euro.). Alles wäre wohl wie immer, wenn sich die Borussia unter dem Trainer Jürgen Klopp sportlich nicht zu einer regelrechten Heimsuchung für den FC Bayern entwickelt hätte.
Borussia Dortmund hat am Samstag zum ersten Mal in der 103-jährigen Vereinsgeschichte das Double aus Pokal und Meisterschaft gewonnen. Ein Erfolg, der «definitiv nicht in Worte zu fassen», sei, wie Klopp betonte, «wir arbeiten aber daran, das zu verarbeiten.»
Die Münchner, die ihre Silbermedaillen mehrheitlich nicht einmal umhängten, haben das wichtigste Spiel des Jahres ja noch vor sich: Am kommenden Samstag kommt Chelsea zum Champions-Laegue-Finale nach München. «Dann», weiss Heynckes, «darf es uns nicht passieren, dass wir defensiv so grosse Schwächen offenbaren. Wir haben schliesslich ein grosses Ziel vor Augen.»
69. DFB-Pokal-Endspiel
Borussia Dortmund – Bayern München 5:2 (3:1)
Berlin, Olympiastadion. – 75‘708 Zuschauer (ausverkauft). – SR Gagelmann.
Tore: 1:0 Kagawa (3.) 1:1 Robben (25., Foulelfmeter) 2:1 Hummels (41., Foulelfmeter) 3:1 Lewandowski (45.+1) 4:1 Lewandowski (58.) 4:2 Ribery (75.) 5:2 Lewandowski (81.).
Dortmund: Weidenfeller (34. Langerak) – Piszczek, Subotic, M. Hummels, Schmelzer – Gündogan, Kehl – Blaszczykowski (84. Perisic), Kagawa (81. S. Bender), Großkreutz – Lewandowski
München: Neuer – Lahm, Boateng, Badstuber, Alaba (69. Contento) – Schweinsteiger, Luiz Gustavo (46. Müller) – Robben, Kroos, Ribery – Gomez.
Verwarnungen: Weidenfeller, Hummels – Badstuber, Schweinsteiger, Gomez