«Schönreden hilft nicht weiter»

«Ich habe bisher noch immer alle widerlegt, die mich aufs Altenteil schieben wollten», sagt Roger Federer, der in Hamburg und nächste Woche in Gstaad sein schnelles Wimbledon-Aus verdauen will. In einer Gesprächsrunde in der Hansestadt reflektiert der 32-Jährige die vergangenen Tage und kündigt an: «Mein Angriff wird kommen.»

epa03788701 Tennis player Roger Federer of Switzerland during a press conference during the ATP tournament at the Tennisstadion am Rothenbaum in Hamburg, Germany, 15 July 2013. EPA/AXEL HEIMKEN (Bild: Keystone/AXEL HEIMKEN)

«Ich habe bisher noch immer alle widerlegt, die mich aufs Altenteil schieben wollten», sagt Roger Federer, der in Hamburg und nächste Woche in Gstaad sein schnelles Wimbledon-Aus verdauen will. In einer Gesprächsrunde in der Hansestadt reflektiert der 32-Jährige die vergangenen Tage und kündigt an: «Mein Angriff wird kommen.»

Roger Federer, eigentlich wäre das jetzt die Zeit für den Sommerurlaub. Warum spielen Sie nun stattdessen Sandplatztennis?
Roger Federer: Als Profi muss ich professionell auf die Tatsachen reagieren. Und das hiess in diesem Fall, nach dem frühen Ausscheiden in Wimbledon, weiter Spielpraxis sammeln. Matchhärte gewinnen. Es war mir relativ bald nach der Niederlage klar, wie der Plan aussehen würde. Gstaad war für mich sowieso die erste Option, ein Turnier zu spielen. Und dann kam ich auf die Idee, eine kleine Serie zu spielen, mit Hamburg. Meine Trainer haben mich gefragt, ob ich wirklich zwei Turniere bestreiten wolle. Und ich habe klar gesagt: Ja.

Die Ursache für die Auftritte in Hamburg und nächste Woche daheim in der Schweiz, in Gstaad ist eine aus Ihrer Sicht ärgerliche, dieses schnelle Scheitern an Ihrem Lieblings-Schauplatz Wimbledon.
Jedes Turnier, das man in der Heimat spielt, ist schön und wichtig. Ich war nun lange, lange nicht mehr in Gstaad, das ergibt sich nun mal aus dem Turnierkalender im Tennis. Jetzt kehre ich sehr gerne zurück, mit vielen guten Erinnerungen im Gepäck. Auch Hamburg spielte für mich eine wichtige Rolle in meiner Karriere – hier holte ich meinen ersten grossen Turniersieg, das ist schon mehr als zehn Jahre her. Irgendwann wurde das Turnier dann abgewertet, und so konnte ich es wegen der sowieso schon vielen Termine in der Saison nicht mehr spielen.

«Ich habe bisher noch immer alle widerlegt, die mich aufs Altenteil schieben wollten.»

Ist die Enttäuschung über das Wimbledon-Aus inzwischen gewichen?
Ich blicke längst wieder nach vorne. Das ist normal, schliesslich kassiert man jedes Jahr seine Niederlagen und muss mit ihnen umgehen. Das war selbst in den stärksten Jahren so. Man darf so etwas nicht lange mit sich rumschleppen, sondern muss konstruktiv sehen, was zu tun ist. Es gab auch sofort nach dieser Niederlage so etwas wie die Haltung: Jetzt erst recht. Jetzt musst du eine Reaktion zeigen. Deshalb war auch die Entscheidung klar: Du musst Turniere spielen, dich dort beweisen. Ich habe bisher noch immer alle widerlegt, die mich aufs Altenteil schieben wollten. Oder die gesagt haben: Hör‘ doch lieber auf.

Sie haben in Wimbledon gesagt: Wichtig ist jetzt, nicht in Panik zu verfallen. Was bedeutete das konkret?
Ich kenne das Spiel mittlerweile zur Genüge. Ich verliere ein wichtiges Spiel, und es gibt eine massive Reaktion – da werden alle möglichen Prognosen gestellt, da wird gefragt: Hat der Federer noch das Zeug dazu, die grossen Titel zu gewinnen? Und da muss man eben selbst ruhig bleiben, muss diese Dinge ausblenden. Ich lese dann eben keine Zeitungen oder schaue mir an, was für Diskussionen in den anderen Medien geführt werden. Nicht aus Prinzip. Sondern weil man selbst einen klaren Kopf bewahren muss und eben eins nicht machen darf: Aus dem Augenblick heraus alles in Frage zu stellen. Ich habe deshalb auch nie den Kopf hängen lassen, nicht jetzt, nicht in vergleichbaren Situationen.

Trotzdem sagen sie auch: Ich lasse immer Zweifel zu.
Das ist normal. Ich hinterfrage mich pausenlos, das ist Teil dieser Selbstanalyse. Man darf sich die Dinge auch nicht schönreden, das hilft nun gar nicht weiter. Aber ich bin mir sicher, dass ich stark zurückkommen werde. Wie oft bin ich letztes Jahr in Frage gestellt worden – und was ist dann passiert?

«Grosse Siege, das zählt. Ob man jetzt Platz 3 oder 4 oder 5 hat, ist für den Augenblick nicht entscheidend.»

Haben Sie eigentlich noch etwas von Wimbledon mitbekommen, Fernsehen geschaut oder sonst in den Medien verfolgt?
Nein, das war sozusagen weg vom Schirm bei mir. Fast ganz. Ich hab‘ auch das Endspiel nicht gesehen, habe mich aber sehr gefreut, dass Andy Murray gewonnen hat. Er hatte es sich nun absolut verdient. Man muss halt auch sehen, unter welchem Druck er Jahr für Jahr angetreten ist – und wie er sich nun gegen alle Skepsis und alle Zweifel durchgesetzt hat. Ivan Lendl hat ihm sicher in den letzten anderthalb Jahren noch einmal enorm geholfen, das ist offensichtlich gewesen. Ich hab‘ Andy eine SMS nach dem Sieg geschickt, das war selbstverständlich.

Sie sind nach dem Wimbledon-Turnier auf Platz 5 der Weltrangliste zurückgefallen. Ist das ein Problem für Sie?
Jedem ist Platz 1 lieber, das ist doch klar. Letztes Jahr habe ich diesen Sprung zurück auf 1 noch einmal geschafft, das war ein grossartiges Gefühl, eine Bestätigung für den starken Weg zurück, den ich damals gegangen bin. Ganz allgemein sind diese Zahlen wichtiger für die Leute, die Tennis von aussen beobachten, als für die Profis selbst. Jedenfalls für die meisten. Wichtig sind grosse Siege, das zählt. Ob man jetzt Platz 3 oder 4 oder 5 hat, ist für den Augenblick nicht entscheidend.

Wie lauten Ihre weiteren Saisonziele?
Gute Ergebnisse im Sommer, dann gute US Open, bei denen ich mir die Chance auf den Sieg bewahren will. Und ein ähnlich starker Herbst wie in vielen Jahren vorher. Das ist dann auch schon wichtig, um mit einem guten Gefühl in die Pause und die Vorbereitung auf 2014 zu gehen. Mein Angriff wird kommen.

Federer mit neuem Racket gegen den 1,95-Meter-Turm

An seinem 26. Geburtstag tritt Daniel Brands am Mittwoch auf dem Sand von Hamburg Rothenbaum Roger Federer gegenüber. Es ist das erste Duell des Deutschen mit dem Schweizer. Brands, der 1,96 Meter misst und aus dem bayrischen Deggendorf stammt, arbeitete sich in diesem Jahr bis auf ATP-Ranglistenplatz 53 vor und wird aktuell als Nummer 58 geführt. Auf sich aufmerksam machte Brands in diesem Jahr in der ersten Runde der French Open gegen Rafael Nadal, als er gegen den späteren Paris-Champion nahe einer 2:0-Satzführung stand. In Wimbledon scheiterte er in Runde 2 glatt an Tomas Berdych.

«Ich weiß, dass er sehr gefährlich ist, vor allem hat er kein Problem, sein bestes Tennis auf großer Bühne zu zeigen», sagt Federer, der gegen Brand mit einem neuen Racket spielen will. Die Partie ist als dritte des Nachmittag-Programms am Rothenbaum angesetzt; für die TV-Liveübertragung auf Sport1 bis 16.30 Uhr dürfte es nicht reichen.

Nächster Artikel