Der FC Servette hat seine Bilanz deponiert. Was das für die Liga bedeutet, weiss selbst die Swiss Football League noch nicht. Das Spiel vom Samstag gegen den FC Thun soll stattfinden. Der FC Basel überlegt sich, wie er reagieren wird, sollte nach dem Xamax-Heimspiel nun auch die Partie gegen Servette ausfallen.
Servette Genf deponiert zum zweiten Mal seit dem Februar 2005 seine Bilanz. Präsident Majid Pishyar zieht sich per sofort aus dem Verein zurück. Was das für die Super League bedeutet, weiss derzeit noch nicht einmal die Swiss Football League (SFL). CEO Claudius Schäfer versuchte per Telefon, sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen und befindet sich seit Donnerstag Abend im Kontakt mit den Verantwortlichen bei Servette. Diese versicherten der Liga, zumindest das kommende Spiel gegen den FC Thun vom Samstag werde stattfinden.
Pishyar sah sich gezwungen, die Bilanz zu deponieren, weil die Servette-Aktiengesellschaft überschuldet ist. In Genf wird von rund vier Millionen Franken Schulden ausgegangen. Erst am Mittwoch hatte der Trikot-Produzent GIB Sportswear vor Gericht eine Konkurseröffnung gegen Servette verlangt. Der Ausrüster verlangt von den Grenats 285’000 Franken.
Ein einziges Bild des Jammers
Es droht nun ein Fiasko für den Schweizer Clubfussball. Nachdem Neuchâtel Xamax bereits in der Winterpause aus der Super League ausgeschlossen wurde, könnte die Liga nun einen zweiten Verein während der laufenden Meisterschaft verlieren. Eine Liga mit acht Teams ohne direkten Absteiger und nun auch ohne Club auf dem Barrage-Platz, dazu Sion mit einem Abzug von 36 Punkten: Die Tabelle der höchsten Schweizer Spielklasse wäre ein einziges Bild des Jammers.
Auf der Servette-Homepage zeigt sich Ex-Präsident Pishyar «enttäuscht». Der Iraner verbreitet aber noch immer Zuversicht, «dass eine glückliche Lösung» gefunden werden könne. Es scheint also noch Hoffnung zu bestehen, dass sich Käufer für den Genfer Traditionsclub finden.
Die Deponierung der Bilanz wegen einer Unterbilanz bedeutet nicht in jedem Fall den Untergang einer Aktiengesellschaft. Im Laufe des Konkursverfahrens kann der Richter kann gemäß Artikel 725 a des Obligationenrechts auf Antrag des Verwaltungsrats oder eines Gläubigers den Konkurs aufschieben, falls Aussicht auf Sanierung besteht.
Servette-Anwalt gibt sich optimistisch
Sollte sich also ein Käufer für die Servette-Aktien finden, der genügend Geld für die Weiterführung des Spielbetriebs bereitstellt, könnte Servette die Saison doch noch beenden. Anwalt Dominique Warluzel, der den FC Servette vertritt, gibt sich in einem Kommuniqué optimistisch. Es würden «fortgeschrittene Verhandlungen mit Drittpersonen und/oder Investoren» geführt.
Sollten sich diese Verhandlungen zerschlagen, wird Servette aus der Super League verschwinden und diesmal für einen Neu-Anfang sogar in der 2. Liga interregional starten müssen. In dieser Liga spielt die U21 des Vereins in einer Spielgemeinschaft mit Carouge.
Der zuständige Richter in Genf wird im Verlauf der kommenden Woche über eine allfällige Konkurseröffnung entscheiden.
Der FC Basel bedauert die Entwicklung
Auch beim FC Basel wird der Niedergang bei Servette genau verfolgt. «Wir bedauern die Entwicklung sehr», sagt Sportkoordinator Georg Heitz, «das ist ganz, ganz schlecht für den Schweizer Fussball.» Zudem müsse der FCB nun überlegen, was er tut, sollte auch noch das Heimspiel gegen Servette ausfallen. In dieser Frühjahrsrunde fällt ja bereits die Heimpartie gegen das konkursite Neuchâtel Xamax weg.
Im Fall von Xamax hatte der FCB beschlossen, seine Jahreskarten-Inhaber nicht für das entgangene Spiel zu entschädigen. Sollten die Dauerkartenbesitzer nun aber gleich zwei Spiele weniger für ihr Geld erhalten, dürfte der Druck auf den FCB wachsen. Zumal auch die Sponsoren nicht glücklich darüber sein dürften, dass ihre Werbung zweimal weniger zu sehen ist. Da hilft es wohl nur wenig, dass die Rotblauen herzlich wenig dafür können, wenn die Zahl ihrer Gegner rasant abnimmt. Dem FCB selbst entgehen mit jeder nicht gespielten Heimpartie Einnahmen im sechsstelligen Bereich.
Pishyar und Genf haben Erfahrung mit Konkursverfahren
Was das Konkursverfahren betrifft, so kennen Majid Pishyar und die Genfer Fussballfans das Prozedere bereits. Pishyar hat im Jahr 2007 als Präsident und Inhaber des österreichischen Vereins Admira Wacker die Bilanz deponiert. Wie Servette hatte der Iraner auch dem Wiener Vorortsclub eine grossartige Zukunft mit nationalen und internationalen Erfolgen versprochen. Das «neue Manchester United Europas» wollte er aufbauen. Stattdessen musste der Verein einen Anfang in der dritthöchsten österreichischen Liga nehmen.
Auch mit Servette hatte Pishyar grosse Pläne. Seit Sommer 2008 leitete er die Geschicke des Clubs, den er in der Challenge League übernahm und mit dem er ganz an die Spitze des Schweizer Fussballs wollte. Entsprechend euphorisch reagierte er auf den Aufstieg in die Super League im Sommer 2011 (siehe Video in der Slideshow). Der FC Basel habe «lange nicht die Erfolge und die Tradition» von Servette vorzuweisen, tönte er in der Folge vor dem Start der Saison 2011/12.
Für Irritationen sorgte in Genf allerdings bereits Anfangs 2011, dass sich Pishyar in Portugal einen weiteren Fussballclub gekauft hatte. Und auch bei Beira Mar scheint es alles andere als rund zu laufen. Die portugiesischen Sportzeitung «Record» vermeldete im Februar finanzielle Probleme.
Servette musste 2005 in die 1. Liga
Das Ende des Lieds in Genf ist, dass Servette zum zweiten Mal seit 2005 in ein Konkursverfahren schlittert. Unter dem ehemaligen Spielervermittler Marc Roger hatten die Genfer damals am 11. Januar 2005 die Bilanz deponiert. Der Konkurs wurde danach noch mehrfach bis am 4. Februar 2005 verschoben. Doch als keiner der angekündigten Investoren aus dem Libanon und Syrien Bankgarantien vorlegen konnte, zog Richter Patrick Chenaux den Stecker.
Nachdem eine syrische Investorengruppe noch einmal Rekurs eingelegt hatte, ohne den Nachweis für ihre Liquidität zu erbringen, wurde der Konkurs am 16. Februar 2005 rechtskräftig. Servette musste einen Neu-Anfang in der 1. Liga nehmen.
Für eine kleine Geschichte des Horrors aus der jüngeren Vergangenheit des Schweizer Fussballs verweisen wir gerne auf auf diesen Beitrag.