Die Schweizer Fussball-Nati beendete ihre EM-Vorbereitung mit dem erwarteten Sieg gegen Moldawien, die Nummer 159 der Weltrangliste. Die Leistung war mässig, das Resultat hätte wesentlich deutlicher als 2:1 (1:0) ausfallen müssen.
Es war wieder mal, wie zu den Zeiten Köbi Kuhns, eine Hauptprobe gegen einen «Kleinen» des Weltfussballs. Kuhn war einst mit einem 1:0 gegen Liechtenstein, einem 4:1 gegen China und einem 3:0 wieder gegen Liechtenstein, in die Turniere 2004, 2006 und 2008 gegangen – und hatte sich danach jeweils in der Marschtabelle gefühlt. Das konnte sich gestern durchaus auch Vladimir Petkovic, nach einem Spiel gegen Moldawien, gegen die gemäss Weltrangliste fünftschwächste Nationalmannschaft Europas.
Zu viele Chancen vergeben
Petkovic wusste natürlich, dass Leistungen wie diese an der EM nicht weit führen. Denn wer sich so viele Torchancen herausspielt wie die Schweizer (vor allem in ihrer stärkeren zweiten Halbzeit), der muss eindeutig höher gewinnen. Aber wer im Abschluss wiederholt patzt und sich in der ersten Halbzeit längere Zeit sogar schwer tut, überhaupt torgefährlich zu werden, der läuft sogar Gefahr, nicht zu gewinnen. Das drohte den Schweizern, die früh in Führung gegangen waren, Mitte zweiter Halbzeit. Denn kaum hatte Blerim Dzemaili eine seiner – gleich mehreren – guten bis sehr guten Torchancen vergeben, «bezahlten wir dafür», wie es Petkovic formulierte. Die Schweizer liessen der gegnerischen Sturmspitze Radu Ginsari so viel Raum und Zeit, bis der aus gut 20 Metern schoss – und dies so genau, dass Torhüter Roman Bürki machtlos war.
«Aber dann zeigte die Mannschaft wieder einmal ihren Charakter,» lobte Petkovic, «sie war fähig zu reagieren.» Bald einmal stand es 2:1, nach einem von Admir Mehmedi eingeleiteten und abgeschlossenen Spielzug mit Dzemaili und Shani Tarashaj als Zwischenstationen. Damit war die kleine Peinlichkeit eines «Punktverlusts» gegen diesen zwar hartnäckigen und aggressiven, spielerisch aber eher mässigen Gegner vermieden. «Wir erreichten den Sieg, den wir wollten,» bilanzierte Petkovic. Und: «In der zweiten Halbzeit sah man eine andere, lauffreudigere, spritzigere und aggressivere Schweizer Mannschaft.» Allerdings merkte auch ihr Trainer an, «dass wir drei, vier Tore mehr hätten schiessen müssen.»
Erfreulich viele Klarheiten
Natürlich habe man gespürt, «dass die Mannschaft die zwei Freitage brauchen kann, die sie nach diesen zwei Wochen Tessin übers Wochenende hat.» Denn es war dem Coach schon der Eine oder Andere seiner Fussballer etwas «schwer» vorgekommen. «Am Montag werde ich beginnen, mich mit dem Gegner Albanien zu beschäftigen», fügte Petkovic bei. Was so viel heisst wie: Ab dann wird er zuerst die Informationen jener zwei Beobachter auswerten, welche die Albaner begleiten. «Und dann haben wir genügend Zeit, uns für dieses Spiel top vorzubereiten.» Seine Zuversicht nährt offensichtlich, dass er zufrieden sein kann mit dem Fitnessstand seiner Fussballer – alle 23 sind einsatzbereit. Und dass er so ziemlich genau weiss, wie seine Mannschaft am kommenden Samstag in Lens aussehen wird.
Zehn von elf seien fürs Albanien-Spiel klar, meint der Coach. Womöglich seien es gar alle elf, «aber ich lasse ja zehn Prozent immer offen,» schmunzelt der Coach, «weil mir vielleicht am letzten Abend mein Bauch etwas anderes sagt. Aber auch, um bei den Spielern die Spannung aufrecht zu erhalten.» So oder so, es ist in der Tat das meiste klar.
Gewinner Dzemaili, Verlierer Derdiyok
Im Tor ist Yann Sommer gesetzt. In Lugano sass er auf der Bank, es spielte Bürki 90 Minuten. Wäre allerdings der «Augsburger» Marwin Hitz nicht am Vorabend im Training von einem Ball hart am Kopf getroffen worden, hätte er begonnen. Aber im Tor hat die Schweiz die wenigsten Probleme.
In der Abwehr wird das Quartett Stephan Lichtsteiner – Johan Djourou – Fabian Schär – Ricardo Rodriguez heissen. Djourou blieb diesmal draussen, nachdem er das letzte Training vorzeitig beendet hatte. Aber er ist bereit, er ist – als Chef – gesetzt. Der Basler Rechtsverteidiger Michael Lang bleibt in der Viererkette zweite Wahl, war aber dennoch mit seinem Auftritt gegen Belgien und auch der halben Stunde gegen Moldawien einer der Gewinner des Camps.
Xhaka wackelt
Gesetzt sind selbstredend auch Granit Xhaka und Valon Behrami im zentralen Mittelfeld, der formstarke Dzemaili in offensiver Rolle, und natürlich Xherdan Shaqiri. Bei Xhaka ist das Steigerungspotenzial eindeutig am grössten. Oder anders gesagt: Spielt er, als Mann von wohl grösster internationaler Klasse, so einflussarm wie gegen Belgien und vor allem Moldawien, hat die Schweiz ein Problem. Dagegen hat sich Dzemaili, oft zu Recht ein Wackelkandidat, in den Vordergrund gespielt. Allerdings hätte er mindestens drei Tore schiessen müssen.
Bleiben zwei Posten und vielleicht drei, theoretisch vier Kandidaten. Für die linke Flanke des Mittelfelds kommen Mehmedi und Breel Embolo in Frage, für die Sturmspitze Haris Seferovic, Embolo und Eren Derdiyok. Nicht mehr als theoretisch ist allerdings die Chance Derdiyoks, der gegen Belgien nichts gezeigt hatte, bevor er früh angeschlagen vom Platz musste. Gegen Moldawien war er nicht angeschlagen und hatte dennoch eine Halbzeit lang nicht eine gute Szene.
Seferovic ist folglich trotz seines Aussetzers mit der Roten Karte gegen Belgien der klare Favorit, Embolo die erste Alternative. Der Basler Jungstar kann, wie im Verein, aber auch auf der Flanke eingesetzt werden. Doch nach seiner guten zweiten Halbzeit in Lugano und dem ordentlichen Match gegen Belgien hat dort Mehmedi die Nase vorn. Mehmedi macht nach seiner schwierigen Rückrunde in Leverkusen einen guten Eindruck. Embolo als erster Joker für die Offensive – das wäre bei aktuellem Stand die naheliegendste Version.
So ganz anders als noch im März
Eine Mannschaft, die zwei Wochen gut gearbeitet hat, eine Stimmung um sie, die allmählich doch auf Vorfreude schliessen lässt, keine verletzten Spieler und viel Klarheit, was die Aufstellung betrifft – das ist natürlich noch längst keine Garantie für eine erfolgreiche EM. Aber es ist doch weit mehr als nach den missratenen Vorstellungen in Irland (0:1) und gegen Bosnien-Herzegowina (0:2) im März gedroht hatte. Düster war damals die Szenerie ums Nationalteam gewesen. Gegen Moldawien hielt die Aufhellung an, die während des Belgienspiels zu erkennen gewesen war. Auch wenn keine der beiden Auftritte schon eine EM-Leistung war.
Und so wars damals nach Heimsiegen gegen «Kleine» unter Kuhn : Dem 1:0 2004 gegen Liechtenstein durch ein Tor Daniel Gygax‘ in letzter Minute, folgte eine mässige EM in Portugal – mit einem Punkt für ein 0:0 gegen Kroatien und zwei klaren Niederlagen gegen Frankreich und England. Dem 4:1 gegen Chinesen folgte die geglückte WM in Deutschland. Und dem 3:0 gegen die Liechtensteiner die Heim-EM, die missriet. Aber damals hatte die Schweiz auch einiges Pech. Man kann sichs nach dem 2:1 gegen Moldawien also auswählen: mal war die Fortsetzung besser, mal schlechter.