Die israelische Premier League soll modernisiert werden, der Verband stellt sich quer, die Infrastruktur ist rudimentär, die Stimmung auf den Ränge überwältigend: der israelische Clubfussball befindet sich in einer Transformationsphase.
Am 24. August sollte Maccabi Tel Aviv, Gegner des FC Basel in der dritten Qualifikationsrunde zur Champions League, als Titelverteidiger in die israelische Premier League steigen – sollte, denn noch ist nicht klar, ob die Liga den Betrieb pünktlich aufnehmen wird.
Vor einem Jahr hat die israelische Sportministerin Limor Livnat eine Regierungskommission eingesetzt, die eine umfassende Untersuchung über die Liga und den Fussballverband vornehmen sollte. Der Kommissionsbildung vorausgegangen sind verschiedene Vorfälle wie Handgreiflichkeiten von Funktionären gegen Journalisten, Vorwürfe der mangelnden Transparenz in der Finanzführung, Ausschreitungen auf den Rängen – und ein Verbandspräsident, gegen den als ehemaligen Clubbesitzer eine jahrelange Untersuchung wegen Verdachts auf gekaufte Spiele lief. Die Ermittlungen wurden vor zwei Wochen ergebnislos beendet.
Der Kopf des Verbandspräsidenten soll rollen
Zu Sommerbeginn veröffentlichte die Kommission ihren Bericht, 60 Seiten stark, mit einer Vielzahl an Vorschlägen zur Verbesserung der Liga: die hohen Ticketpreise sollte gesenkt, die Übernahme eines Clubs vom Besitzer eines anderen Clubs unterbunden, der jährliche Finanzbericht inklusive der Transfersummen publik gemacht werden. Und: Verbandspräsident Avi Luzon müsse seinen Stuhl räumen. Als ehemaliger Präsident eines Clubs der obersten Liga (Maccabi Petah Tikwa) und aufgrund der gegen ihn laufenden Untersuchung sei er befangen und für das Amt nicht mehr tragbar.
Allerdings ist der Verband eine private Organisation, auf die die Regierung nur begrenzt Einfluss nehmen kann. Luzon ist zudem als Mitglied im Exekutivkomittee der Uefa in der Fussballwelt bestens vernetzt. Und Fifa-Präsident Sepp Blatter stützte Luzon insofern, indem er androhte, bei einer Einflussnahme der Regierung auf einen Fifa-Mitgliedsverband müsse der Verband aus der Weltfussballfamilie ausgeschlossen werden.
Wie ernst die Drohung ist, ist allerdings zu bezweifeln: zur selben Zeit hat Blatter Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde zu einer stärkeren Zusammenarbeit aufgerufen, um palästinensischen Fussballern die Reisen an internationale Spiele zu vereinfachen.
Der Hauptsponsor droht mit Ausstieg
Dass der Regierungsbericht dennoch seit Wochen für Aufregung sorgt, hat wirtschaftliche Gründe: Die staatliche Lottogesellschaft «Winner», die als Hauptsponsor jährlich mit rund 20 Millionen Franken Liga und Verband unterstützt, hat ihren Ausstieg angedroht, sollten die Forderungen aus dem Regierungsbericht nicht erfüllt werden. Man fürchte einen Reputationsverlust. Seither liegen Regierung und Verband im Streit.
Der Eklat ist der jüngste – und durch die Gefährdung des Ligastarts einer der folgenschwersten – der Liga, aber nicht der einzige. Als Highlight wie herausragendes Ereignis der Präsidentschaft Luzons für den israelischen Fussball wurde die erstmalige Veranstaltung eines internationalen Turniers im Land, der U21-Europameisterschaft im vergangenen Juni, gepriesen.
Die Euro der U21 als verpasste Chance
Die Turnierdurchführung geriet jedoch massiv in Kritik: Das Turnier zeigte, dass Israels Infrastruktur bei weitem nicht tauge, ein Turnier nach internationalem Standard auszurichten. «Es ist eine Schande, dass der israelische Fussballverband sich damit begnügt, den Zuschlag zur Turnierausrichtung erhalten zu haben und keine Bemühungen zeigte, ein begeisterndes Turnier zu veranstalten», schrieb die Zeitung «Haaretz».
Das Ansehen des umstrittenen Vereinspräsidenten Luzon sank danach nochmals spürbar: eine Online-Umfrage der Zeitung «Yediott Ahronoth» brachte überschaubare acht Prozent der Befragten hervor, die sich für einen Verbleib Luzons aussprachen.
Der Rassimus und die Kampagne dagegen
Ebenfalls negative Schlagzeilen machte in jüngster Zeit der Club Beitar Jerusalem, neben Maccabi Tel Aviv, Maccabi Haifa und Hapoel Tel Aviv einer der «Big Four» des Landes und seit der Einführung der israelischen Premier League 1999 sechsfacher Meister. Der Club, berüchtigt wegen seinem beträchtlichen Anteil an rassistischen, araberfeindlichen Anhänger, erhielt letztmals zu Julibeginn negative Schlagzeilen, als Fans des Clubs in einer McDonald’s-Filiale in Jerusalem randalierten und arabische Angestellte angriffen.
Und im vergangenen Februar, nach einer angekündigten Verpflichtung von zwei tschetschenischen – und somit muslimischen – Spielern für das Beitar-Kader, zündeten Fans als Reaktion die Büros des Vereins an.
Allerdings ist Beitar Jerusalem der einzige Club, in dem der israelisch-palästinensische Konflikt in seiner ganzen Hässlichkeit durchdringt. In allen anderen Vereinen der obersten Liga sind arabische Spieler engagiert, auch im Nationalteam. Maccabi Tel Aiv hat 2012 eine Kampagne gegen Rassismus im Fussball gestartet, und beim Stadtrivalen Hapoel Tel Aviv war mit Walid Bahir jahrelang ein arabischer Israeli Captain der Mannschaft, bis er vor kurzem seine Fussballerkarriere beendete.
Gute Stimmung, spendable Mäzene
Die grösste Attraktion der israelischen Liga sind schliesslich die Spiele selbst – nicht nur wegen der grundsätzlich offensiven Spielausrichtung, sondern vor allem wegen der Stimmung: das Bloomfield-Stadium im Süden Tel Avivs, in dem die Stadtrivalen Maccabi, Hapoel und Bnei Yehuda Tel Aviv ihre Spiele austragen, glänzt wegen seinem begrenzten Fassungsvermögen von rund 14’000 Zuschauern durch eine überwältigende Stimmung, dasselbe gilt für das zur U21-EM erweiterte Teddy-Kollek-Stadium in Jerusalem.
Einen Aufschwung erhält trotz der Strukturprobleme auch die Liga selbst: Neben Maccabi Tel Aviv stehen auch hinter Hapoel Beer Sheva, Maccabi Haifa und dem Überraschungsmeister 2012, Ironi Kiryat Shmona, finanzkräftige Mäzene, was sich auf den Fussball auswirken wird: Im Transfersommer 2013 sind erstmals seit Jahren mehr israelische Fussballer in die Heimat zurückgewechselt als in die europäischen Ligen gezogen. Die Liga wird in der kommenden Saison davon profitieren – wenn sie denn beginnt.