Solange er gewinnt, spielt er weiter

Roger Federer gewinnt das Rasenturnier in Halle gegen den Italiener Andreas Seppi (7:6, 6:4). Die Lust am Tennis vergehe ihm nicht, solange er um Titel spielen könne, sagte Federer nach dem Match.

epa04812629 Swiss tennis player Roger Federer (L) celebrates winning against Andreas Seppi (R) from Italy during their final match at the ATP tournament in Halle, Germany, 21 June 2015. EPA/MAJA HITIJ

(Bild: Keystone/MAJA HITIJ)

Roger Federer gewinnt das Rasenturnier in Halle gegen den Italiener Andreas Seppi (7:6, 6:4). Die Lust am Tennis vergehe ihm nicht, solange er um Titel spielen könne, sagte Federer nach dem Match.

Er hat es immer noch, das ganz besondere Gespür für Rasen. Und mit seinem schon achten Titel bei den ATP-Festspielen in Halle schickte der Grün-Experte Roger Federer am Sonntagnachmittag auch schon ein Ausrufezeichen heraus – an alle ernstzunehmenden Rivalen, die ihm demnächst in Wimbledon gegenüberstehen werden: «Diese Siege hier sind nie Routine. Sie sind immer von ganz besonderem Wert für mich, ein ganz spezieller Moment», sagte der 33-jährige Schweizer nach seinem 7:6 (7:1), 6:4-Sieg über den Südtiroler Andreas Seppi, «das war immer die Basis für einen starken Auftritt in London, der Schub an Selbstbewusstsein, den ich in den schönsten Wochen des Jahres brauche.»

Genau um 15.16 Uhr stemmte der vierfache Familienvater den von Vizekanzler Sigmar Gabriel überreichten Pokal in die Höhe, es war eine vertraute Szenerie mit dem unheimlichen Seriengewinner und Turnierbotschafter, der allerdings eine neue Bestmarke in seiner Ausnahmekarriere festschrieb: Denn noch nirgends hat der elegante Maestro acht Titel bei einem Turnier gewonnen, mithalten können nur zwei andere Lieblingsschauplätze mit jeweils sieben Pokalcoups: Wimbledon, das Grand Slam-Highlight der Saison. Und Dubai, der Ort, an dem Federer eine zweite Heimat neben der Schweiz gefunden hat.

«Was Roger leistet, ist einmalig»

Auch bei den besser besetzten und höher dotierten Gerry Weber Open, die 2015 erstmals in der 500er-Kategorie der Spielerorganisation ATP an den Start gingen, war am Ende der ewige Rasenmeister Federer der Titel-Held. Einer, der zum Abschluss des Turniers wieder atemraubende statistische Daten und Fakten lieferte, Belege vor allem seiner Kraft und Macht auf Grasplätzen der Tour: Zum zehnten Mal stand er hintereinander im Halle-Finale, zum 20. Mal in einem Rasenendspiel, zum 130. Mal überhaupt in seiner Karriere im letzten Turniermatch, dem Kampf um den Siegerpokal.

«Solange ich das Gefühl habe, um Titel mitspielen zu können, wird mir nie die Lust am Tennis vergehen», sagte Federer, «ich muss mir die nötige Fitness aber sehr hart erarbeiten. Das fällt nicht als Geschenk vom Himmel.»



Andreas Seppi of Italy, front, and Roger Federer of Switzerland, rear, are playing their final match at the Gerry Weber Open ATP tennis tournament in Halle, Germany, Sunday, June 21, 2015. (AP Photo/Martin Meissner)

Ein zweites Wohnzimmer von Roger Federer: Zum achten Mal gewinnt er dasRasen-Turnier in der mächtigen Gerry-Weber-Arena im westfälischen Halle. (Bild: Keystone/MARTIN MEISSNER)

Federer ist die alles überstrahlende Leuchtturm-Figur der Rasenfestivitäten in Halle, denen er mit einem lebenslangen Vertrag verbunden ist. Aber Federer gibt dem Turnier auch zurück in der einen Woche, in der er die ländliche Abgeschiedenheit in Ostwestfalen sichtlich geniesst, im etwas anderen Tennis-Biotop der Familie Weber. Federer posiert mit Fans unter dem Strassenschild der Roger-Federer-Allee, dem kleinen Zuweg zum Sportpark-Hotel neben dem Centre Court, er schreibt nach Matches Hunderte von Autogrammen, besucht soziale Einrichtungen in der Region, die mit dem Turnier verbunden sind. «Was Roger hier für das Turnier leistet, ist einmalig. Das gibt es sonst nirgends», sagt Turnierchef Ralf Weber, «er ist hier eine absolute Legende.»

Der Tiebreak-König von Halle

So verehrt und umschwärmt fühlt sich Federer, dass ihm seine Konkurrenten zuweilen leid tun, vor allem die aus Deutschland: «Sie kriegen nicht den Applaus, den ich kriege. Das ist schon komisch.» Auch bei seiner achten erfolgreichen Titelmission schaltete er zwei deutsche Gegenspieler aus, in der ersten Runde nach einem überaus dramatischen Match Phillipp Kohlschreiber, später im Viertelfinale noch Florian Mayer.

«Gegen Kohlschreiber hätte ich fast schon die Koffer packen können, das war extrem knapp», sagte Federer am Sonntag. Auch im Halbfinale hatte er einen Spezialauftrag mit Nervenstärke abgewickelt, gegen den 211 Zentimeter messenden Kroaten Ivo Karlovic. Ihn, den «Herrn der Asse», bezwang er in einem schwer umkämpften Tiebreak-Krimi 7:6 und 7:6.

Überhaupt war Federer der Tiebreak-König von Halle, der Mann mit den guten Nerven, der Meister der Big Points. Sechs Mal ging Federer in die Glückslotterie hinein, sechs Mal siegte er. Und mit dem ersten Punkt, den er mit einer mächtigen Vorhand im Tiebreak des ersten Finalsatzes ins andere Feld schmetterte, schraubte er sich plötzlich auf ein anderes Level, wirkte befreit – und war danach nicht mehr aufzuhalten in einem der besten Endspiele hier in den letzten 23 Jahren.



epa04812541 Swiss tennis player Roger Federer celebrates winning against Andreas Seppi from Italy during their final match at the ATP tournament in Halle, Germany 21 June 2015. EPA/MAJA HITIJ

Ein Pokal, so gross (und so schwer?) wie ein Kleinkind: Roger Federer nach seinem achten Sieg in Halle. (Bild: Keystone/MAJA HITIJ)

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