Spargelzeit bei den Swiss Indoors

Roger Federer, die Swiss Indoors und ein pikierter Turnierdirektor. Ein kleines Sittengemälde aus dem Innenleben des Profitennis.

Swiss Indoors 2013 (Bild: Collage: Hans-Jörg Walter)

Roger Federer, die Swiss Indoors und ein pikierter Turnierdirektor. Ein kleines Sittengemälde aus dem Innenleben des Profitennis.

Irgendwann kommt, der Jahreszeit angemessen, die Rede auf Spargel. Roger Brennwald hat da schon ein paar Erklärungsansätze hinter sich, hat versucht zu erläutern, was die Verhandlungen mit Roger Federer über den Start an den Swiss Indoors 2013 so mühsam erscheinen liess in den vergangenen Monaten. Hat einer Medienrunde in Basels ältestem Gasthaus «Zum Goldenen Sternen» zu verstehen gegeben, dass in dem «Spiel ohne Grenzen» (Brennwald) nicht er die Regeln bestimmt, sondern die andere Seite. Er meint damit nicht Roger Federer, sondern dessen Manager Tony Godsick.

Und dann fragt Klaus Zaugg, ein alter Fahrensmann unter den Schweizer Sportjournalisten, ob es denn Roger Brennwald nicht möglich sei, mit seinem Namensvetter bei einem Spargelessen, zum Beispiel im Elsass, mal über alles zu reden. So ein Treffen scheint zumindest nicht einfach zu sein für den Mann, der mit ebenso eiserner wie geschickter Hand sein Event, seine Swiss Indoors, zum drittgrössten Hallentennisturnier weltweit gemacht hat.

Es geht um einen Spieler von einem anderen Stern

Immer wieder an diesem Montagmittag, an dem er mit einigem Stolz Rafael Nadal als zweite grosse Zugnummer der 44. Auflage der Indoors präsentiert, nennt Brennwald das, was er seit vergangenem Oktober im Tauziehen um Federers Basel-Start erlebt hat, mal «ungewöhnlich», «kompliziert» oder «unüblich». Mal süffisant, mal sehr ernst, mal mit einigermassen überspieltem gekränkten Unterton.

Die Krönung des ganzen Wirrwarrs ist, als Roddscher Federer dem Ro’scheh Brennwald über die Zeitung wissen lässt, dass er selbstverständlich im Oktober an den Indoors an den Start gehen will. Ganz ohne einen Vertrag, der den Auftritt bei seinem Heimturnier in den vergangenen Jahren geregelt hatte, ganz ohne entsprechende appearance fee auch, wie ein schnödes, aber stattliches Startgeld im Fachjargon genannt wird.

Das Ganze wäre nicht gross der Rede wert, wenn es sich nicht um Roger Federer handeln würde, den Spieler, der einst bei den Swiss Indoors als Balljunge angefangen hat, der mittlerweile der Rekordsieger des Turniers ist, bisher unerreichte Höhen im Tennissport erklommen hat und damit einen Status innehat, den Brennwald ganz nüchtern umschreibt: «Roger ist von einem anderen Stern.»

Das Geld ist das eine

Verkürzt stellt es sich so dar: Mitte 2012 trennt sich Roger Federer von der US-amerikanischen Vermarktungsagentur IMG (International Management Group), und der vormalige IMG-Mitarbeiter Tony Godsick, auch ein Amerikaner, wird der Manager der Marke Federer. Alsbald dringt durch, dass die Verlängerung von Federers Vertrag mit den Swiss Indoors teurer werden soll. Von einer Verdopplung von einer halben Million auf eine ganze ist die Rede.

Das Geld ist das eine. Das andere offenbar eine emotionale Ebene. Brennwald und Godsick finden schwer oder gar nicht zueinander. Noch während der letztjährigen Indoors, als sich Federer und Brennwald quasi täglich über den Weg laufen, kocht das Thema Vertrag in den Medien hoch. Verstimmungen auf beiden Seiten sind offensichtlich, man findet eine Formel, die ungefähr «es wird schon gut kommen» lautet, und man vertagt sich. Ergebnislos.

Federers Zusage, pikierter Brennwald

Bis Federer Anfang April dem renommierten «Tagesanzeiger»-Tennisspezialisten und Federer-Biografen René Stauffer ein Interview gibt, in dem der Umworbene ganz selbstverständlich zu Protokoll gibt: «Für mich war immer klar: Ich werde die Swiss Indoors auch 2013 spielen. Ich habe es bisher nur noch nicht kommuniziert, doch jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.»

Federer schmückt das mit feierlichem Gesang auf die Indoors: «unvergessliche Momente», «einmalige Atmosphäre», «tolle Fans», «freue mich extrem», «für mich sehr speziell» und so weiter und so fort.

Gleichentags nehmen die Swiss Indoors auf ihrer Website «Kenntnis» von Federers Entschluss; «erfreut» immerhin, aber etwas pikiert zwischen den Zeilen. Drei Wochen später klingt das bei Brennwald immer noch so: «Wir fühlen uns geehrt», sagt er, aber auch: «Es ist unüblich, dass sich jemand über die Zeitung zum Turnier bekennt.»

Immer dazwischen: Federer-Manager Godsick

Das sind kleine Spitzen, die Brennwald Richtung Federer aussendet, doch in seiner Schilderung des Hergangs hält Tony Godsick den Schwarzen Peter in der Hand. Diverse Gesprächsangebote habe es gegeben, «aber Godsick ist immer dabei». Nicht «deckungsgleich» seien die Vorstellungen gewesen und «Godsick immer dazwischen». Er, Brennwald, habe sich an den «hierarchischen Weg gehalten», und der führt über den Federer-Manager.

Eine erste Offerte der «Federer-Seite» (Brennwald) lehnen die Indoors 2012 ab. Ein Gegenangebot fruchtet ebenfalls nicht, und eine von Brennwald gesetzte Frist bis Mitte Februar verstreicht ohne Antwort. «Vielleicht», vermutet Brennwald nicht ohne Süffisanz, «ist es liegen geblieben».

Eine merkwürdige Sprachlosigkeit

In der Sprachlosigkeit zwischen den Parteien überlegt Brennwald, seinen Spieleragenten Sergio Palmieri, der auch Direktor des Sandturniers von Rom ist, dazwischen zu schalten: «Dafür bezahle ich ihn seit 25 Jahren.» Er sieht dann davon ab, weil der Italiener «nicht gewünscht war» (Brennwald). Vielleicht auch, weil Federer und Palmieri, wie es heisst, nicht das allerbeste Einvernehmen haben sollen, um es ganz vorsichtig auszudrücken.

Wie auch immer. Brennwald, stellt «einen anderen Umgang fest, als wir es gewöhnt sind». Daraus wurde ein merkwürdiger Eiertanz, der trotz der wortreichen Andeutungen Brennwalds («Die Swiss Indoors bezahlen keine siebenstellige appearance fee») am Montag im Ungenauen bleibt. Der Gründer und Macher der Indoors ergibt sich einerseits in die Situation: «Es ist ein ganz gewöhnliches Geschäft. Es gab eine Offerte, die nicht angenommen wurde und damit ihre Verbindlichkeit verliert. Das kenne ich aus 19 Jahren als Devisenhändler.»

Andererseits verkneift es sich sich nicht, darauf hinzuweisen, dass in 43 Jahren Swiss Indoors rund 1000 Spieler kontaktiert wurden, ihm aber keiner in den Sinn käme, bei dem es so vertrackt gewesen sei. Und dabei hat Federer doch in dem besagten Interview betont, er versuche, «diese komplizierte Sache zu vereinfachen». Brennwald meint: «Er redet zwar davon, es nicht verkomplizieren zu wollen, aber es ist huere kompliziert.»

Federer als Impresario der Indoors – vorbei

Einen kleinen Höhepunkt erlebt das Theater am Montag, als Andreas W. Schmid, Redaktor der Basler Zeitung, die Frage stellt, die vielen auf der Zunge brennt: Ob er, Roger Brennwald, denn nicht einfach direkt mit Roger Federer reden könne. Am Telefon zum Beispiel. Worauf Brennwald sein Mobilgerät zückt und um 12.50 Uhr Federers Nummer wählt. Es klingelt durch, ohne dass Federer abnimmt. «Ich versuche es mal mit Spargeln», sagt Brennwald ohne eine Miene zu verziehen.

Zwischen all den Irritationen, die im Goldenen Sternen durchgenommen werden, fällt dann en passant eine Bemerkung zu den immer wieder angestellten Spekulationen, Federer könnte dereinst die Swiss Indoors kaufen und selbst als Tennis-Impresario auftreten. Eine Frage, die Brennwald «langsam ausgeleiert» findet und dennoch eine Antwort findet, so deutlich wie selten zuvor öffentlich formuliert: «Für uns sind die Würfel längst gefallen. Wenn ich aufhöre, werden wir das Turnier firmenintern strukturieren.» Soll wohl heissen: Um Leute wie Managing Director Patrick Ammann, den langjährigen Wegbegleiter Brennwalds.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Mit Nadal haben sich die Indoors schon im Februar geeinigt, weit vor der Frist also, die Federer für den 10. April gesetzt war, dem Tag des Interviews. Fürs erste hat Roger Federer nach langem Hin und Her dafür gesorgt, dass die Indoors zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ihre Zugnummer schlechthin kommt umsonst, und die frei werdenden Mittel investiert Brennwald in einen zweiten Spieler mit grosser Strahlkraft und weiteren Akteuren. Ist das gar Federers Absicht gewesen? Seine Freiheit einhergehend mit einer gewissen Emanzipation des Turniers von seiner Person?

Dass Federer gänzlich auf ein Startgeld verzichtet, das nimmt jedenfalls auch Brennwald wunder. «Es ist ungewöhnlich, und ich würde ihn gerne danach fragen. Das kann ich dann im Elsass beim Spargelessen machen.»

Artikelgeschichte

In einer ersten Version des Beitrags wird im zweiten Absatz die Frage nach einem gemeinsamen Spargelessen von Brennwald und Federer Franz Baur in den Mund gelegt. Das war ein Irrtum des Verfassers, der aber bei der ursprünglichen Darstellung bleibt, dass es sich bei Radiomann Franz Baur um einen «elder statesman unter den Basler Sportjournalisten» handelt.

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