Wo Politik, Wirtschaft und Sport eng miteinander verwoben sind: Im ukrainischen Fussball tobt ein Machtkampf – und mittendrin steht Igor Kolomojskij, der Besitzer des FC Dnipro, dem Gegner des FC Basel in der Europa League.
Ende vergangener Woche kam Igor Kolomojskij nach Kiew. Der schwerreiche Geschäftsmann aus der Industriestadt Dnipropetrovsk traf sich stellvertretend für ein paar andere schwerreiche Geschäftsmänner mit dem Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch; es ging um die Vorbereitungen und die Investitionen für die Basketball-Europameisterschaften 2015. Für die wird insgesamt etwas mehr als eine Milliarde Euro veranschlagt. «Das soll ein beispielhaftes Projekt sein, das zeigt, dass die Partnerschaft zwischen Staat und Privatinvestoren höchst effektiv ist», verkündete hinterher der Pressedienst des Präsidenten.
Dieses Statement klingt nach Nähe und Gemeinsamkeiten. Doch das täuscht. In Wahrheit läuft gerade ein heftiger Machtkampf ab – mit möglicherweise gravierenden Folgen für Kolomojskis Fussball-Club Dnipro Dnipropetrovsk, gegen den der FC Basel am Donnerstag das Hinspiel der Europa-League-Zwischenrunde bestreitet (21.05 Uhr, St.-Jakob-Park, SFR2 live).
Der einflussreiche Dnipro-Besitzer
Der Mann mit dem dichten weiss-grauen Bart zählt schon lange zu den reichsten Ukrainern. Sein Vermögen machte Igor Kolomojskij vor allem mit der Privat-Bank und der daraus entwickelten Gruppe, die von der Öl- bis zur Nahrungsmittelindustrie in etlichen Branchen mitmischt. Forbes schätzte sein Vermögen im vergangenen Jahr auf drei Milliarden Dollar, andere Zeitungen berichten, es sei doppelt so gross.
Zudem besitzt Kolomojskij viel Einfluss, weil er an zahlreichen Medien beteiligt ist; nicht nur in der Ukraine, sondern über die Central European Media Enterprises auch in diversen anderen osteuropäischen Ländern. Politisch ist er nicht ganz eindeutig zu verorten.
Früher zählte er zu den Unterstützern von Julia Timoschenko; später kam es offenkundig zum Bruch zwischen den beiden. Hintergrund soll unter anderem sein, dass in Timoschenkos Amtszeit Dnipropetrovsk mitsamt dem von Kolomojskij aufwändig umgebauten Stadion, die Dnipro Arena, seinen Status als Austragungsort der EM 2012 verlor. Zuletzt hiess es in ukrainischen Zeitungen, er unterstütze die Partei Udar von Box-Weltmeister Vitali Klitschko.
«Unser Chodorkowskij»
In jedem Fall gab es seit Beginn der Präsidentschaft von Janukowitsch im Jahr 2010 Auseinandersetzungen zwischen den Herrschenden in Kiew und Kolomojskij. Und in den vergangenen Wochen spitzte sich der Konflikt zu. Das zeigte sich vor allem, als gegen drei Fluggesellschaften der Ukrainian Aviation Group, die zu Kolomojskijs Imperium zählt, Konkursverfahren eingeleitet wurde
Demnächst steht die Aktionärsversammlung bei der Öl-Firma Ukrnafta an; da könnte es sein, dass Kolomojskij, der daran zu 42 Prozent beteiligt ist, den nächsten Rückschlag hinnehmen muss. Er trägt bereits die Bezeichnung «unser Chodorkowskij » – in Anlehnung an den russischen Öl-Oligarchen, der als Gegenspieler von Wladimir Putin im Straflager in Sibirien landete.
Generell sind in der Ukraine die Welten Politik, Wirtschaft und Sport eng miteinander verwoben. Das zeigten nicht zuletzt die Vorbereitungen auf die Euro 2012 im vergangenen Jahr, als in einem unüberschaubaren Geflecht an Abhängigkeiten etliche hundert Millionen auf dubiose Weise verschwanden. Zudem steckt in nahezu jedem Verein der ersten Liga das Geld eines Oligarchen oder eines Politikers.
Club-Eigentümer wechseln auf Druck der Politik
Jüngst ist innerhalb dieses Zirkels einiges in Bewegung geraten. Bei auffallend vielen Fussball-Clubs kommt es zu Diskussionen um die Eigentümer – oder sogar zu Besitzerwechseln. Das erste Mal zeigte sich das gegen Ende des vergangenen Jahres, als im Osten des Landes Alexander Jaroslawskij den Europa-League-Teilnehmer Metallist Charkow veräusserte.
Hinterher beschwerte er sich offen über den Druck, der auf ihn ausgeübt worden sei; die Herrschaft über den Club sicherte sich jedenfalls ein weitgehend unbekannter 27-jähriger Geschäftsmann, der aber als guter Freund eines Sohnes von Staatspräsident Janukowitsch gilt. Kürzlich gab dann Wadim Rabinowitsch den Club Arsenal Kiew an den Pferde-Liebhaber und Olympia-Teilnehmer Alexander Onischenko ab.
Bei Dmitrij Firtasch wiederum, dem Besitzer von Tawrija Simferopol, scheint nicht mehr die Frage zu sein, ob er den Club verkauft, sondern nur noch, wann und an wen. Und im Falle von Igor Kolomojskij, 50, geht es sogar um mehrere Vereine. Denn obwohl es offiziell untersagt ist, mehr als einen Verein zu kontrollieren, gilt es als Gemeinwissen, dass er ausser bei Dnipro Dnipropetrovsk auch noch beim FK Krivbass und bei Wolyn Luzk das Sagen hat. Ganz nebenbei gilt er auch noch als Patron der Basketball-Liga.
Bei Dnipro geht alles unbeeindruckt seinen Weg
Aus dem Umfeld von Basels Gegner Dnipro ist zu hören, dass die Mannschaft bisher wie gewohnt weiterarbeiten könne. Das ist nicht selbstverständlich: Bei anderen Vereinen hatten sich die Turbulenzen auf der Eigentümer-Ebene in Form von Trainerentlassungen, massiven Spielerabgängen oder ausgefallenen Trainingslagern dokumentiert.
Allerdings ist der 1918 gegründete und seitdem vier Mal umbenannte Traditionsclub aus der Millionenstadt Dnipropetrovsk, zu dessen grössten Erfolgen zwei Meistertitel zu Zeiten der Sowjetunion sowie die zweimalige Qualifikation für das Viertelfinale der Champions League zählen, auch so stark wie lange nicht mehr. In der heimischen Premyer Liga belegt Dnipro nach 18 von 30 Spieltagen hinter dem unangefochtenen Spitzenreiter Schachtjor Donezk, aber vor den Konkurrenten Dynamo Kiew und Metallist Charkow Platz zwei – sollte die Mannschaft diese Position halten, wäre es das beste Abschneiden seit dem Einstieg von Kolomojskij.
Und dass Dnipro auch international mithalten kann, zeigte es in der Gruppenphase der Europa League, als es in seiner Gruppe souverän Platz eins belegte; immerhin vor Mannschaften wie dem SSC Neapel oder PSV Eindhoven.
Das Weiterkommen gegen Basel ist kein Thema
Manche Beobachter in Westeuropa waren darüber sehr verblüfft, doch gänzlich unerwartet kam dieses Abschneiden dann doch nicht. Zumindest die Top-Vier der Ukraine – Donezk, Dnipropetrovsk, Kiew, Charkow – haben sich dank der Gelder ihrer Eigentümer in den vergangenen Jahren kontinuierlich entwickelt.
Im Falle von Dnipro zeigt sich das insbesondere am Trainer: Seit Oktober 2010 arbeitet dort Juande Ramos, der zuvor schon zig spanische Erstligisten, darunter für wenige Wochen auch Real Madrid betreut und mit dem FC Sevilla in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts zwei Mal den Uefa-Cup gewonnen hatte.
Dazu stehen im Kader drei Brasilianer, angeführt vom achtmaligen Nationalspieler Giuliano, sowie diverse ukrainische Nationalspieler – vor allem der dribbelstarke Aussenbahnspieler Jewgenij Konopljanka sowie der zentrale Mittelfeldakteur Ruslan Rotan prägen das Spiel. Deshalb wird in Dnipropetrowsk auch gar nicht so sehr diskutiert, ob diese Mannschaft gegen Basel weiterkommt; sondern nur, ob man dann im Achtelfinale lieber gegen Liverpool oder gegen Zenit spielen wolle.
Allerdings passt es zu der unübersichtlichen Lage bei den Eigentümern, dass auch das jüngste Vorbereitungsspiel turbulent ablief. Im Trainingslager in Spanien traf Dnipro, für das die Saison erst Anfang März weitergeht, auf den russischen Club FK Krasnodar – nach einer Massenschlägerei wurde es vorzeitig abgebrochen.