Der 21-jährige Basler Sprinter Silvan Wicki hat sich auf den Weg an die Schweizer Sprintspitze gemacht. Am Pfingstmontag, beim Susanne-Meier-Memorial auf der Schützenmatte, will er seinen Aufwärtstrend bestätigt sehen.
Der Exploit, den sich Silvan Wicki insgeheim beim Saisoneinstieg vorige Woche erhofft hatte, glückte nicht. Die 10,73 Sekunden am Auffahrtsmeeting in Langenthal bei minimalem Rückenwind von 0,2 Meter pro Sekunde entsprachen nicht einmal dem Einstandswert vom letzten Jahr. Der 21-Jährige rätselte am Auffahrtstag: «Der Start war gut, ich kam explosiv aus dem Block heraus und konnte aggressiv beschleunigen.» Doch dann musste er feststellen: «Auf der zweiten Streckenhälfte fehlte das Stehvermögen.»
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Lag er bei Streckenhälfte noch gleichauf mit dem Schweizer Hallenmeister Bastien Mouthon, verlor er bis ins Ziel zwei Zehntel auf den letztjährigen U23-EM-Vierten über 200 Meter. Eine leichte Enttäuschung konnte Wicki nicht verbergen. Gleichzeitig musste er aber nicht lange nach Erklärungen suchen: «Ich bin noch nicht im Wettkampf-Modus, zuerst muss mein Motor noch eingeheizt werden.»
Wicki ist überzeugt, dass dieser Prozess nicht Wochen verschlingen wird. Vielmehr ist er überzeugt, dass «meine Leistungskurve rasch zu steigen beginnt.» Erklärt sind die aktuellen Mankos schnell. Im März begannen die Adduktoren zu schmerzen. Drei bis vier Wochen musste er wegen dieser Verkrampfung zurückstecken. Doch für den jungen Sprinter der Old Boys Basel und seine Mutter und Trainerin Sabine Wicki war sofort klar: «Diese Beschwerden nehmen wir ernst, wir lassen uns die nötige Zeit.»
Wickis Wohlgefühl und die Defizite
Gefühlsmässig stimmt dieser Weg für den 200-Meter-Spezialisten vollkommen. «Noch selten habe ich mich derart gut gefühlt», sagt er. Dadurch, dass einige entscheidende Reize im Training aber noch zu kurz gekommen sind, etwa die längeren Sprints im Höchsttempo, erklärt er die Defizite: «Ich laufe noch zu schwerfällig, bin noch nicht zu hundert Prozent bereit.»
Das wirkt sich vor allem auf der zweiten Streckenhälfte aus. «Du wirst müde, verkrampfst dich, die Schrittfrequenz sinkt, es verbläst dich», sagt er. Die gesuchte Lockerheit lässt sich so nicht finden.
Silvan Wicki (links) 2015 bei Weltklasse Zürich zusammen mit Bastien Mouthon. (Bild: athletix.ch)
Diese Erkenntnis verwundert gerade vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Probleme der letzten Wochen nicht. Und sie beunruhigt auch nicht. Vorgenommen haben sich Silvan Wicki und seine Betreuer nämlich im Hinblick auf die eben begonnene Freiluft-Saison nicht nur einen weiteren Aufstieg in der Sprinter-Hierarchie, sondern vor allen eine Saison ohne Verletzung.
Die Vergangenheit hat Spuren hinterlassen. Letzte Saison schockte ihn am Finale der Schweizer Vereinsmeisterschaft der Zusammenstoss mit einem fahrlässigerweise in seiner Bahn «parkierter» Materialwagen. Zwar war die Verletzung weniger gravierend als befürchtet (Prellung, Knochenödem und Muskelabriss von 3 Zentimeter) und die Zwangspause mit sechs Wochen bis zum nächsten Wettkampf verhältnismässig kurz. Hindernd wirkte sie dennoch.
In den drei vorangegangenen Saisons 2012, 2013 und 2014 verursachte jeweils ein falscher Aufbiss zu Verspannungen im Kiefer und Kopfgelenk mit Auswirkungen und Blockaden im Iliosakralgelenk (im Bereich Lendenwirbelsäule). Dieses Problem hat sich durch eine Kieferschiene beheben lassen.
«Wenn ich verletzungsfrei durchkomme, ist vieles möglich»
Nach den guten Erfahrungen in der Spitzensportler-RS im Herbst und Winter und den Rückmeldungen des Körpers auf die jüngsten Trainingsreize blickt Silvan Wicki optimistisch auf die kommenden Wochen. «Wenn ich verletzungsfrei durchkomme, ist vieles möglich», sagt er. Um eine äusserst wichtige und reizvolle Saison handelt es sich für den Maturanden, der derzeit einer Teilzeitbeschäftigung im Lager eines Ärztegrossisten nachgeht und den Studienbeginn an der Fachhochschule für Angewandte Psychologie in Olten auf nächstes Jahr verschoben hat.
Die Europameisterschaften in Amsterdam von Anfang Juli bilden den ersten Höhepunkt. Dank seiner 20,93 Sekunden über 200 m von den U23-Schweizermeisterschaften im letzten September in Basel hat er sich dafür bereits qualifiziert. Aber auch von Olympia spricht er: «20,50 wären verlangt – eine Topzeit, die aber nicht unmöglich ist.
Und eine zweite Perspektive bildet die 4×100-m-Staffel. «Eine tolle Dynamik», macht er da im Team aus. Mit einem Topergebnis, sprich: einer Medaille an den Europameisterschaften würde der Vorstoss unter die 16 besten Equipen der Welt womöglich Tatsache.
Während das traditionelle Susanne-Meier-Memorial 47 Jahre den Frauen vorbehalten war, ist es seit 2011 für beide Geschlechter offen. Und der Anlass im Stadion Schützenmatte ist begehrt. Starts erfolgen am Pfingstmontag (der Eintritt ist frei) in den diversen Disziplinen zwischen 11.30 und 16 Uhr.
Als zugkräftigste Namen präsentieren sich Selina Büchel und Angelica Moser. Die 800-Meter-Hallen-Europameisterin und seit letztem Sommer Schweizer Rekordhalterin Büchel misst sich nach einem ansprechenden Einstieg in die Bahnsaison wie letztes Jahr über 400 Meter. Moser, die Stabhochsprung U20-Europameisterin, steigt in Basel in die Saison ein – in reich befrachtete Monate mit den Europameisterschaften in Amsterdam, der U20-EM in Bydgoszcz und den Olympischen Spielen.
Mit Sarah Atcho, Joelle Golay (beide 100 m), Bastien Mouthon und Joel Burgunder (400 m), Brahian Pena (110 m Hürden), Robine Schürmann und Petra Fontanive (400 m Hürden) und Siebenkämpferin Ellen Sprunger (100 m/Weitsprung) haben weitere Leistungsträgerinnen und –träger von Swiss Athletic ihr Kommen angekündigt. (gg)