Steffens Widerstand an einem Horrortag auf Hawaii

Rund vier Kilometer vor dem Ziel büsst die Berner Oberländerin Caroline Steffen die Führung am Ironman Hawaii ein. Sechsfach-Siegerin Natascha Badmann brilliert mit einem einzigartigen sechsten Rang.

Als Zweite im Ziel: Caroline Steffen. (Bild: Reuters/HUGH GENTRY)

Rund vier Kilometer vor dem Ziel büsst die Berner Oberländerin Caroline Steffen die Führung am Ironman Hawaii ein. Sechsfach-Siegerin Natascha Badmann brilliert mit einem einzigartigen sechsten Rang.

Vor gut zwei Monaten feierte Nicola Spirig den Olympia-Sieg, und nun fehlte ganz wenig, dass eine weitere Schweizerin Triathlon-Geschiche geschrieben hätte: Caroline Steffen, 34, musste sich am Ironman Hawaii von Leanda Cave kurz vor dem Ziel abfangen lassen.

Hinter beiden Erfolgen steht derselbe Coach: der in Leysin wohnhafte Australier Brett Sutton. Spirig in London wie nun Steffen auf Hawaii hatte er auf Unplanmässiges vorbereitet. So ist es auch zu erklären, dass das Topergebnis von Steffen trotz eines von ihr als «Horrortag» empfundenen Wettkampfs möglich wurde.

Von der Gejagten zur Jägerin und umgekehrt

Kaum war Caroline Steffen auf dem Velo an die Spitze geprescht, erhielt sie eine zumindest fragwürdige Vierminuten-Zeitstrafe aufgebrummt. Von der Gejagten zur Jägerin wurde sie. Die Führung übernahm sie beim Wechsel in die Laufschuhe wieder, weil nun auch Cave und Mirinda Carfrae (Au) im so genannten Penalty-Zelt vier Minuten absitzen mussten.

Ironman-WM

Big Island, Hawaii (3,8 km Schwimmen/180 km Radfahren/42,195 km Laufen).
Männer: 1. Pete Jacobs (Au) 8:18:37 (51:28/4:45:15/2:48:06 plus Wechselzeiten). 2. Andreas Raleert (De) 8:23:40. 3. Frederik van Lierde (Be) 8:24:09. 4. Sebastian Kienle (De) 8:27:08. 5. Faris Al-Sultan (De) 8:28:33. 6. Timo Bracht (De) 8:30:57. – Ferner: 11. Craig Alexander (Au/TV) 8:40:49. 19. Ronnie Schildknecht 8:50:18 (55:23/4:38:57/3:11:22). 32. Mike Schifferle 9:06:47. – Aufgegeben (u.a.): Mike Aigroz (Sz/nach Schwimmen wg. Viruserkrankung).
Frauen: 1. Leanda Cave (Gb) 9:15:54 (56:03/5:12:06/3:03:13/plus Wechselzeiten). 2. Caroline Steffen (Sz) 9:16:58 (57:37/5:06:49/3:08:08). 3. Mirinda Carfrae (Au) 9:21:41. 4. Sonja Tajsich (De) 9:22:45. 5. Mary Beth Ellis (USA) 9:22:57. 6. Natascha Badmann (Sz) 9:26:25 (1:06:21/5:06:07/3:09:18). – Ferner: 20. Simone Brändli 9:53:24.

Auf der Marathon-Strecke stellte Steffen ihre Fortschritte unter Beweis. Trotzdem fühlte sie sich nicht wie gewünscht: «Das Aufholen auf dem Velo kostete zu viel Energie.» Magenprobleme zwangen sie zu zwei Zwischenstopps. Und als die begnadete Läuferin Cave kurz vor dem Ziel aufschloss, war Steffens Widerstand rasch gebrochen.

Dennoch, lediglich 1:04-Minuten betrug nach den 3,9 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern auf dem Rad und 42,2 Kilometern zu Fuss die Differenz. Dementsprechend war Steffens Reaktion: «Ich bin riesig enttäuscht, dass ich nicht durchgekommen bin», sagt sie, «aber ich bin auch stolz auf meine Leistung.»

Steffen: «Ich liebe dieses Rennen»

Im Vergleich zum letzten Jahr (5.) steigerte sie sich trotz schwierigerer Bedingungen in der Hitze von Hawaii alleine in der Schlussdisziplin um zehn Minuten. Für Steffen gilt deshalb: «Ich liebe dieses Rennen, die Spannung dieser Zweikämpfe, die erst nach mehr als neun Wettkampfstunden entschieden sind.»

Kompensieren konnte sie die Enttäuschung über den verpassten Sieg mit dem Resultat ihres Freundes Dave Dellow: Dellow erreichte das Ziel bei seiner Hawaii-Premiere überraschend an neunter Stelle, weit vor dem besten Schweizer, Ronnie Schildknecht (19./siehe Interview).

Badmanns phänomenale Rückkehr

Eine noch tiefere Beziehung als Steffen verbindet Natascha Badmann mit dem Ironman Hawaii. Seit ihrem  phänomenalen Debüt 1996 und dem zweiten Rang hinter Rekordsiegerin Paula Newby-Fraser hat die Aargauerin zwischen 1998 und 2005 nicht weniger als sechs Mal auf Hawaii triumphiert. Doch nach einem fürchterlichen Sturz beim Ironman vor fünf Jahren schien die Spitzensportkarriere der Späteinsteigerin beendet.

War sie aber nicht. Badmann kämpfte sich mit eisernem Willen zurück, schaffte letztes Jahr die Hawaii-Qualifikation erneut (14. Platz) und feierte in diesem Frühling mit dem Sieg am Ironman Südafrika ein Comeback auf der obersten Podeststufe. Und nun realisierte sie auf Hawaii nicht nur ein Topergebnis, sondern auch ein Novum: Badmann, die am 6. Dezember 46 wird, erreichte als erste über 45-Jährige die Top 10.

Und wie sie das schaffte: Auf dem Velo sorgte sie – wegen Steffens Zeitstrafe – für die Bestzeit. Und auch den Marathon lief sie mit der zehnten Zeit hervorragend.

Die Premierensieger

Besondere Geschichten schrieben aber auch die beiden Sieger, die BritinCave und der Australier Pete Jacobs (Au). Beide gewannen zum ersten Mal auf Hawaii. Cave sicherte sich zudem den zweiten Weltmeistertitel innert vier Wochen und den vierten insgesamt. Mitte September hatte die 34-Jährige bereits über die Halbironman-Distanz 70.3 obenaus geschwungen. Schon 2002 holte sie sich WM-Gold über die Olympische Distanz und 2007 ebenso über die Langdistanz.

Mit dem 23. Schlussrang hervorragend schlug sich auch die Horgenerin Simone Brändli. Mit ihren 9:53:24 Stunden büsste sie weniger als 40 Minuten auf die Siegerin Cave und auf Steffen und weniger als 20 Minuten auf Badmann ein.

«Es war wie auf einem Grill»

Ronnie Schildknecht, das Schweizer Ironman-Aushängeschild aus Samstagern, lief am Ironman Hawaii an 19. Position ein und war enttäuscht.

Ronnie Schildknecht, Sie hatten sich viel vorgenommen für ihren siebten Hawaii-Ironman. Was ist zu Platz 19 zu sagen?
Ich bin überhaupt nicht zufrieden, bin enttäuscht. Aber ich verspüre auch so etwas wie Genugtuung. Trotz harten Proben habe ich das Rennen beendet, ich habe mich durchgebissen, obwohl aufgeben einfacher gewesen wäre. Ich erlebte wieder einmal, wie viel einfacher sich solche Strapazen mit Endrophinen und dem Adrenalin meistern lassen.

Wann und wie machten sich die Schwierigkeiten bemerkbar?
Das Schwimmen war in Ordnung (22. Zeit; Anm. d. Red.). Und auch auf dem Velo gelang es mir, meine Leistung abzurufen (9. Zeit/10. Zwischenrang). Allerdings muss ich mir jetzt eingestehen, dass ich in der Anfangsphase wohl etwas zu viel Energie verpufft habe. Ich bin während rund 20 Kilometern Sebastian Kienle gefolgt, bis ich feststellte, dass mich dieser Rhythmus zu viel Kraft kostet. Dann fuhr ich nach dem eigenen Rhythmus – schön nach Plan in den vorgegebenen Watt-Zahlen. Die wirklich guten Beine hatte ich aber nie, leider.

Die Aussicht auf eine Top-ten-Klassierung war aber vor dem Marathon noch längst nicht abzuschreiben?
Nein, keineswegs. Ich munterte mich auf, sah die Top-ten-Klassierung noch vor mir. Nicht zuletzt dachte ich an mein bestes Hawaii-Rennen (4. Platz 2008) zurück, als ich mit einer ähnlichen Ausgangslage in den Marathon gestiegen war.

Wann hatten Sie das Vorhaben abzuschreiben?
Nach 17 Laufkilometern lag ich noch vier Minuten hinter den Top ten. Doch immer mehr setzte mir die auch für Hawaii ungewohnte Hitze zu. Sie hat mich brutal gebremst. Mein Körper überhitzte. Ich musste anhalten, brachte kein Bein mehr vor das andere. Ich habe immer wieder nasse Schwämme ausgedrückt, um mich zu kühlen. Nachhaltig gelang das nicht. Die Haut war verbrannt. Ich war einem Hitzeschlag nahe. Es fühlte sich an, als hätte mich jemand auf einen Grill gelegt. Es war der Horror.

Wie reagierten Sie?
Ich schrieb meine Ziele ab, wollte das Rennen nach der Aufgabe von letztem Jahr aber unbedingt zu Ende bringen. Das war grenzwertig, aber eine gute Entscheidung. Die Endzeit und der Schlussrang waren mir nicht mehr zentral. Es ging nun einfach noch ums Ankommen.

Wie gehen Sie mit diesem Ergebnis um?
Ich muss es akzeptieren. Es ist eine Enttäuschung, klar, aber es gibt Schlimmeres. Und Niederlagen gehören zum Sportlerleben. Ich hoffe, ich finde noch eine Erklärung. Vielleicht aber gibt es gar nichts zu analysieren.
Interview: Jörg Greb

 

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