Störgeräusche auf der Erfolgswelle

Beim FC Basel braucht es trotz guter Resultate erstaunlich wenig, bis sich eine latente Unzufriedenheit bemerkbar macht. Woher kommen diese Störungen? Versuch einer Antwort.

Atmosphärische Störungen beim FCB. Aber wieso bloss, das Team eilt doch von Erfolg zu Erfolg? (Bild: Hansjörg Walter)

Beim FC Basel braucht es trotz guter Resultate erstaunlich wenig, bis sich eine latente Unzufriedenheit bemerkbar macht. Woher kommen diese Störungen? Versuch einer Antwort.

Der FC Basel ist Tabellenführer der Super League. Der FC Basel darf damit rechnen, dass er in einem europäischen Wettbewerb überwintert; im gar nicht so unrealistischen besten Fall sogar in den Achtelfinals der Champions League, wo die Spitzenclubs Europas üblicherweise unter sich sind. Beim FC Basel könnte der Himmel voller Geigen hängen.

Stattdessen klingen immer wieder Misstöne beim Schweizer Serien­meister an. Nicht, wenn gewonnen wird. Dann gilt: Still ruht der See. Und derzeit gewinnt der FCB häufig. Umso mehr kann es überraschen, dass ein suboptimales Resultat reicht, um für erhöhten Wellengang zu sorgen. So wie beim 1:1 in Bukarest in der Champions League.

Natürlich, der FCB ist ein Gebilde, das sich seit inzwischen über zehn Jahren stets über den Erfolg definiert. Derzeit aber scheinen Siege noch ­etwas wichtiger zu sein als auch schon. Sie wirken intern als Kitt, der die kleinen Risse überdeckt, die sich im Verhältnis zwischen Trainer Murat Yakin und Teilen des Teams auftun.Woher kommen diese atmosphärischen Störungen im Umfeld einer Mannschaft, die doch eigentlich von Erfolg zu Erfolg eilt?

Wie überall, wo es am Arbeitsplatz zu Reibungen kommt, läuft auch beim FCB einiges nicht auf der rein fachlichen Ebene ab. Es gibt zwar Spieler, die klagen, Yakins taktische Fantasie ende an der Mittellinie in der eigenen Platzhälfte. Umgekehrt wurde Yakins Vor-Vorgänger Thorsten Fink nach­gesagt, er habe sich nur für die Offensive interessiert. Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer war davon jedoch nicht belastet.

Nicht alle kannten ihre Position

Es muss also noch andere Faktoren geben, die zu immer wieder an die Oberfläche dringenden Irritationen führen. Da ist einerseits Yakins Kommunikation, der es manchmal an Klarheit fehlt. Im Gespräch in kleiner Runde ist der 39-Jährige charmant, durchaus selbstironisch – und er gewährt Einblicke in seine Idee des Fussballs.

Wenn es aber darum geht, der breiten Öffentlichkeit seine taktischen Massnahmen näherzubringen, dringt Yakin häufig nicht durch. Das geht so weit, dass seine Massnahmen zur ­Ergebnissicherung von Teilen der Zuschauer als Angsthasenfussball verstanden werden. Es ist ein Vermittlungsproblem, das offenbar teilweise auch gegenüber dem eigenen Team besteht.

Anders lässt sich nicht erklären, dass Spieler erzählen, nach den taktischen Umstellungen beim 1:1 in Bukarest hätten nicht alle gewusst, wer auf dem Feld neu wo zu stehen habe. Von der Kommunika­tionspanne rund um Marco Strellers Auswechslung ganz zu schweigen.

Konfliktpotenzial auf persönlicher Ebene

Dazu scheint Konfliktpotenzial auf einer persönlichen Ebene zu kommen. Yakin begegnet den Spielern distanzierter als Fink, der die Mannschaft mit seiner offenen Art für sich gewonnen hatte. Er dürfte damit bei jenen Profis, die den autoritären Christian Gross noch miterlebt haben, eine Art reflexartige Abwehrhaltung auslösen, der wohl auch etwas Irrationales ­anhaftet. Schliesslich ist Yakin um Welten näher bei den Spielern, als das Gross zumindest in seiner Basler Spätphase gewesen war.

Dennoch, die Atmosphäre zwischen Team und Trainer entspricht nicht jener verschworenen Gemeinschaft, wie sie es unter Fink und auch unter Heiko Vogel gewesen war. Was auch damit zu tun hat, dass Yakin nicht vor Machtkämpfen mit arrivierten Spielern zurückschreckt. Ja, er sucht sie teilweise sogar aktiv.

Alex Frei räumte im Frühjahr das Feld. Die Degenzwillinge Philipp und David sind die nächsten, mit denen Yakin seine Kräfte misst. Und es ist für Aussenstehende nicht immer ganz nachvollziehbar, worum es bei dieser Art von Kräftemessen geht. Um eine Demonstration der Stärke gegenüber der Mannschaft? Um persönliche Animositäten?

Braucht es eine Wohlfühlatmosphäre im Profifussball?

Stellt sich die berechtigte Frage, ob eine professionelle Fussballmannschaft überhaupt so etwas wie eine Wohlfühlatmos­phäre braucht, um Erfolge zu feiern? Unter Christian Gross etwa qualifizierte sich der FCB 2008 für die Champions League, obwohl ein Grossteil der Mannschaft den Trainer wohl am liebsten auf den Mond geschossen hätte.

Von jenen Zuständen ist die FCB-Ausgabe 2013 weit entfernt. Yakin ist nicht so autoritär, dass er es unterbindet, wenn sich Spieler einzubringen versuchen. Er versteht es auch nicht als Misstrauensvotum, wenn sich seine Mannschaft während der Partie autonom entscheidet, vom vorgegebenen Spielplan abzuweichen. Wie es in den Auswärtspartien gegen Tottenham und Ludogorets geschehen ist, als die Spieler von sich aus auf ein ­höheres Pressing umstellten. Das ­Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer ist nicht zerrüttet.

Der Vorstand wählt den Mittelweg

Und doch dürfte dem Vorstand nicht verborgen bleiben, dass nicht alle immer nur begeistert sind über ­Yakins Art und Arbeit. Das wiederum bringt die Entscheidungsträger in eine knifflige Situa­tion. Und das in ­einem Moment, in dem der Club viel Energie darauf verwendet, sich mit der Übernahme der Stadionvermarktung neben dem Fussballplatz neu aufzustellen und breiter abzustützen.

Soll der Vorstand nun seinem Erfolgstrainer den Rücken stärken, der den Verein zum Schweizer Meister­titel, in den Halbfinal der Europa League und an die Honigtöpfe der Champions League geführt hat? Oder soll er auf unzufriedene Stimmen aus dem Team hören?

Derzeit wirkt es, als ob sich der FCB für eine Art Mittelweg entschieden hätte. In Yakins laufendem Vertrag ist eine Klausel, die den Kontrakt unter gewissen Umständen in der Winterpause automatisch verlängert. Wie die Vorgaben lauten, ist nicht bekannt. Aber die Club-Spitze geht offensichtlich davon aus, dass die nötigen Parameter erreicht werden. Somit wird Yakin im Dezember automatisch einen Vertrag bis Juni 2015 erhalten.

Die Erfahrung mit Heiko Vogel

Ob der Club bereit ist, Yakin darüberhinaus ein längerfristiges Engagement anzubieten – sozusagen als symbolischer Akt der Anerkennung? Im Moment sieht es nicht danach aus. Wobei das nicht nur mit Yakin zu tun haben muss. Auch die Erfahrung, die der FCB mit Heiko Vogel gemacht hat, wird eine Rolle spielen. Der Pfälzer wurde vom FCB im Oktober 2012 abgesetzt – nur zehn Monate nach der Verlängerung seines Vertrags um zweieinhalb Jahre.

Murat Yakin jedenfalls lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass er sehr gerne weiter beim FCB arbeiten würde. Und das wird er vorerst auch tun. Denn der latenten, internen Unzufriedenheit, die nach aus­sen auch etwas Diffuses hat, steht etwas anderes gegenüber, das sich weitaus einfacher beziffern lässt: der sportliche Erfolg. Und der spricht für die Arbeit, die Yakin beim FC Basel abliefert.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 01.11.13

Nächster Artikel