Er gehört zusammen mit Tomas Vaclik und Derlis Gonzalez zu den Königstransfers des Basler Sommers. Nach 20 Saisontreffern für den FCB hat Shkelzen Gashi nun auch in Albaniens Nationalmannschaft erstmals getroffen – seine statistischen Werte gehören zu den besten Europas.
Es sind diese Momente der grossen Erfolge, in denen die Direktbeteiligten gerne und ausführlich zurückblicken. Unter anderem auf Entscheide, die sich als richtig erwiesen haben. Es ist Anfang Dezember, Georg Heitz steht an der Anfield Road vor dem Spielerausgang, hinter dem Sportchef des FC Basel verlassen die jüngsten Angestellten des Schweizer Meisters das Stadion. Eben hatten sie sich mit einem 1:1 gegen den FC Liverpool für den Champions-League-Achtelfinal qualifiziert, und Heitz reflektiert die Schlüsselmomente auf dem Weg dahin.
Er spricht über das Cupspiel in Wohlen, das entscheidend gewesen sei; er spricht über die Mannschaft, die halt einfach gesund sei; und er spricht über die Verpflichtung von Spielern, wobei es zuweilen auch Glück brauche: «Wir wussten, dass er ein guter Fussballer ist», sagt Heitz über Shkelzen Gashi, «aber dass er als Mensch so gut in diese Mannschaft passt, das konnten wir nicht ahnen. Da muss man ehrlich sein.»
Ersatz für Stockers Skorerpunkte
Gashi, als Torschützenkönig vom Grasshopper Club gekommen, ist neben Torhüter Tomas Vaclik und dem rechten Flügel Derlis Gonzalez so etwas wie der Königstransfer des Basler Sommers. Die Transfersumme für den 26-Jährigen lag geschätzt bei knapp unter zwei Millionen Franken.
Basels Präsident Bernhard Heusler sagt, der FCB habe Gashi auf einer Shortlist derjenigen Spieler geführt, die nach Valentin Stockers Abgang zu Berlin dessen Skorerpunkte ersetzen sollten. Nun hat Gashi Stockers 16 Tore nicht nur ersetzt, er hat sie bereits vor dem Ende der Saison übertroffen. «Er hat mehr gebracht, als wir uns erhofft haben», bilanziert Heitz bereits nach drei Vierteln der Saison.
So zahlreich Gashis Tore auf dem Feld sind, so selten sind die gehaltvollen Aussagen daneben: Gashi versucht konsequent, möglichst nicht über seine inzwischen 20 Saisontore reden zu müssen.
Es klingt wie das reflexartige Dreschen einstudierter Phrasen, wenn Gashi etwa nach seinen jüngsten zwei Toren gegen Luzern festhält: «Einmal mehr sage ich, es interessiert mich wirklich nicht, wer die Tore macht.» Und man nimmt ihm diese Haltung ab: Schön und gut sei es, wenn er am Ende der Saison zum zweiten Mal in Serie Torschützenkönig werde. Vor allem aber wolle er den Meister- und den Cupsiegerpokal in den Händen halten.
Problemlos in die Mannschaft integriert
Cupsieger war er 2013 mit GC schon einmal, nach dem Final gegen den FCB. Meister aber ist Gashi noch nie geworden. Bei den meisten Vereinen hatte er die Möglichkeit dazu nicht: Über den FC Zürich ist er via FC Schaffhausen, AC Bellinzona, Neuchâtel Xamax und den FC Aarau zu den Grasshoppers gestossen. «Diese Erfahrungen haben ihm geholfen», sagt Heitz über den Weg, der Gashi bei den Aarauern auch in die Challenge League brachte.
Dass er mit den Zürchern vor allem 2013 in die Nähe des Titelgewinns kam, hat auch mit der kontinuierlichen Steigerung seiner Torquote zu tun. Diese gehört inzwischen zu den höchsten der 20 besten Ligen Europas: Nur fünf Topscorer haben mehr Tore pro Partie erzielt, nur einer hat prozentual einen grösseren Abstand zum zweitbesten Torschützen als Gashi.
Die Integration beim FCB fiel Gashi wohl auch wegen der von Beginn an funktionierenden Beziehung zu Marco Streller leicht; der Captain bezeichnete seinen neuen Mitspieler einst als «menschlich einwandfrei, einen tollen Typen» und die fussballerische Harmonie war nach zusammen sieben Toren in vier Spielen ebenfalls hergestellt. Auch die Führungsetage hebt die menschliche Komponente hervor: «Selten hat sich ein Spieler so rasch integriert», sagt stellvertretend der Sportchef.
An Europas Spitze
Die Einbindung in Paulo Sousas Gesamtsystem war da schon schwieriger: Gerade in der Champions League, die der 180 Zentimeter grosse Linksfuss bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte, setzte ihn Sousa in den ersten drei Spielen nicht ein.
Möglicherweise war Gashi dem Portugiesen zu langsam, vielleicht war er dem Trainer zuweilen zu wenig am Spiel beteiligt. Doch das ist Gashis Art. Der Strafraumschleicher kann während einer Stunde kaum am Ball sein, das Spiel dann aber mit einer Aktion entscheiden und die Erwartungen an ihn so erfüllen. «Es ist bemerkenswert, wie er mit dem Druck umgeht», äussert sich Heitz zu Gashis Umgang mit der mentalen Belastung.
Inzwischen hat Sousa im linken Mittelfeld einen Platz für Gashi gefunden. Die meisten seiner Tore werden durch Marco Streller und Breel Embolo vorbereitet, beide haben je drei Assists beigetragen.
Ebenso oft kommt der Ball von einem Gegenspieler zum 18-fachen Ligatorschützen. Ein Umstand, der Gashis Verständnis für das Spiel unterstreicht: Er antizipiert, was mit einem Ball passiert, wenn er vom Torhüter abprallt und er ahnt, wie einem Verteidiger der Ball verspringen kann.
Obschon er ein Linksfuss ist, erzielt Gashi seine Tore fast ebenso oft mit rechts (links: 9, rechts: 8). Und dass er mit dem Kopf zwar seltener trifft (3), es aber auch kann, hat er gerade erst bei der albanischen Nationalmannschaft bewiesen: Im ersten Einsatz in der EM-Qualifikation, seinem sechsten Länderspiel überhaupt, zeigte er sich mit seinem ersten Tor für den Sieg gegen Armenien verantwortlich (2:1).
Albanien steht in der Gruppe I punktgleich mit dem Zweiten auf Rang drei. Und sollte Gashi in der Nationalmannschaft eine ähnliche Torquote entwickeln wie beim FCB, dann könnte er massgeblichen Anteil daran haben, dass sich Albanien möglicherweise zum ersten Mal für eine Endrunde qualifiziert.
Es wäre ein weiterer Meilenstein im Fussballerleben des Shkelzen Gashi. Und vielleicht würde er dann für einmal etwas mehr von sich preisgeben als die einstudierten Floskeln, dass es nicht darauf ankomme, wer die Tore erzielt.
Gashis jüngstes Tor, sein erstes für die Nationalmannschaft