Als Rafael Nadal am Sonntagnachmittag zu seinem elften «French Open»-Titel stürmte, ist Roger Federer gerade aus der Schweiz nach Stuttgart herüber gefahren. Vom Finale und von Nadals Triumph habe er nicht viel mitbekommen, sagt Federer, er sei schliesslich mit sich selbst beschäftigt gewesen – mit der Anreise, mit dem sofortigen Aufwärmprogramm auf der Turnieranlage und den ersten Trainingseinheiten. «Ich habe sowieso geahnt, was passieren würde», sagt er, «und Rafa hat das dann ja auch mit der Souveränität eines Champions gewonnen.»
Knapp drei Monate ist Federer weg gewesen vom Spielbetrieb. Nun sitzt er da, am Montagmittag im Medienzentrum des «Mercedes Cup» für einen ersten Pressetermin, redet kurz über Nadal und über seine eigene Abwesenheit während der Rutschübungen im Sand.
Ob er Nadal nicht auch irgendwie aus dem Weg gegangen sei? Federer lächelt den dezenten Vorwurf weg. Jahr für Jahr sei er in Roland Garros dabei gewesen, wieder und wieder haber er sich dem Duell mit Nadal gestellt – aber nun, im Hier und Jetzt seiner Karriere, zähle anderes: «Ich muss gesund und frisch bleiben, ich muss mir in meinem Alter die Kräfte einteilen. Ich bin nicht mehr 23», sagt Federer, «mein Fokus ist Wimbledon, ganz klar.»
Wenn er die Wahl habe zwischen einem Sieg gegen Nadal in Paris, in welchem Turnierstadium auch immer, und einem Wimbledon-Titel, dann müsse er nicht lange überlegen: Wimbledon. «Das ist immer das Nonplusultra für mich gewesen.»
Und vor diesem grössten Turnier der Saison braucht Federer inzwischen Ruhe und konzentrierten Trainingsbetrieb und auch das Familienleben als Ausgleich. «Es ist immer viel los im Haus Federer», sagt er, «mit vier Kindern hat man schon ordentlich zu tun.»
Der 300-Millionen-Dollar-Deal
Federer machte immer mal wieder Urlaub in den vergangenen Monaten, und er streute regelmässig Trainingsblöcke ein, auch in Dubai, seinem regelmässigen Zweitquartier. In den letzten vier Wochen war er in der Schweiz, trainierte dem Vernehmen nach auch auf einem Rasenplatz in Zürich.
«Ich fühle mich frisch und bereit für das, was jetzt kommt», sagt Federer. Und das heisst konkret: die Turniere in Stuttgart und Halle. Dann Wimbledon. Der Ort, an dem er sich seine grössten Tennisträume erfüllte und schon acht Mal gewann. Wen er dort als Rivalen um den Sieg betrachtet? «Nadal natürlich. Del Potro, Cilic, Alexander Zverev», sagt Federer. «Ich hoffe auch, dass Murray und Djokovic stark zurückkommen.»
«Wenn es etwas zu verkünden gibt, seid ihr die Ersten, die es erfahren.»
Bevor er ins Schwabenland reiste, hatten sich Gerüchte verbreitet, Federer könnte schon bald einen Vertrag mit dem japanischen Bekleidungsgiganten Uniqlo unterschreiben. Einen Vertrag für die nächsten zehn Jahre, mit einer jährlichen Honorarsumme von 30 Millionen Dollar. An der Medienkonferenz wirkt Federer nicht gerade glücklich, als er darauf angesprochen wird. Er bestätigt, dass sein Nike-Kontrakt ausgelaufen sei, schon im März, nun gebe es «Verhandlungen mit anderen». Den Journalisten ruft er zu: «Wenn es etwas zu verkünden gibt, seid ihr die Ersten, die es erfahren.»
Allerdings hätte die mögliche Uniqlo-Partnerschaft auch im engeren Sinne sportlichen Nachrichtenwert: Denn der sich abzeichnende Deal könnte darauf hinweisen, dass Federer auch noch bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio antreten wird, beim Heimspiel für Uniqlo sozusagen. Federer wäre dann die globale Galionsfigur für das Unternehmen.
Unendliches Vergnügen
Doch das ist Zukunftsmusik. Jetzt ist er in Stuttgart. Und da kommt er am Ende seines Auftritts noch einmal aufs Grosse und Ganze zu sprechen. Warum er mit 36 Jahren immer noch ungebrochen den Ehrgeiz im Training und im Ernstfall entwickeln kann zum Beispiel. «Ich gehe jeden Tag mit Lust an die Dinge ran», so Federer. «Niemand muss mich zu etwas zwingen. Ich habe schlicht Freude daran, Titel zu gewinnen, sie zu verteidigen, mich mit Jüngeren zu messen.» Das alles ginge allerdings «nicht ohne die Unterstützung meiner Frau und meiner Kinder», sagt Federer. «Aber sie reisen alle gerne, haben Spass daran.»
Ob er schon eine Idee habe, wie seine Karriere einmal enden solle? «Das Ende ist sicherlich näher als jemals zuvor», antwortet Federer. Er wisse aber nicht, wann es vorbei sei. Und das scheint ihm auch gar nicht so wichtig zu sein, denn: «Auch das, was danach kommt, wird witzig, lustig und interessant sein. Ich habe keine Angst davor.»