Früher war er nicht immer der Pünktlichste im Training, dafür konnte es ihm mit der Karriere nicht schnell genug gehen. Heute, vor dem Champions-League-Spiel seines FC Basel bei Real Madrid, wirkt Taulant Xhaka gereift.
Lausbub. Dieses Wort hört immer wieder, wer sich ein wenig mit ehemaligen und aktuellen Weggefährten von Taulant Xhaka über den Defensivmann des FC Basel unterhält.
Lausbub. Es ist das Wort, mit dem Xhaka sich selber beschreibt, wenn er auf seine Lehrjahre beim FCB und danach bei den Grasshoppers angesprochen wird.
Lausbub. Klingt irgendwie frech, aber niedlich. Das war Xhaka aber wohl nicht immer. «Taulant war labil, als er zu uns kam», erzählte Captain Veroljub Salatic der «Aargauer Zeitung» über Xhakas Zeit bei GC.
Im Kopf weiter als mit den Füssen
Vielleicht war er in seiner Anfangszeit als Fussballprofi mit den Gedanken einfach einen bis zwei Schritte weiter als mit den Füssen. Schnell stellte er Ansprüche, nachdem er als 19-Jähriger ins Basler Fanionteam aufgenommen worden war. Er hatte aber gleichzeitig Mühe mit der Disziplin, war «nicht immer ganz pünktlich», wie sich FCB-Sportchef Georg Heitz erinnert.
Der damalige Trainer Thorsten Fink fand keine Verwendung für Taulant. Und der musste zuschauen, wie ihn sein 17-jähriger Bruder Granit aus dem Stand überflügelte. Erst war der Jüngere mit der Schweizer U17 Weltmeister geworden, dann setzte er auch in der ersten Mannschaft des FCB zum Höhenflug an. Und Taulant, der Ältere, war zum Zuschauen verdonnert und liess sich schliesslich nach Zürich ausleihen.
Immer den Bruder vor Augen
Er selbst sagt, die steile Karriere des Bruders sei kein Problem für ihn gewesen: «Granit hatte auch das Glück, das man im Fussball braucht.» Aber Heitz bringt die Unruhe des jungen Taulant durchaus in Verbindung mit den schnellen Erfolgen seines Bruders. Diese Ungeduld sei zwar typisch für junge Fussballer, bei Xhaka aber sei sie noch zusätzlich befeuert worden, «weil er immer seinen Bruder vor Augen hatte».
«Ich war früher nicht so ein Einfacher», gibt Xhaka selbst freimütig zu. Er kann das heute ganz ruhig sagen, weil das alles endgültig in der Vergangenheit zu liegen scheint. Der Lausbub von damals ist in der Zwischenzeit erwachsen geworden. Und sozusagen als Belohnung darf er als unbestrittener Stammspieler damit rechnen, am Dienstag mit dem FCB gegen das grosse Real Madrid aufzulaufen.
Bei GC gereift
Heitz sagt, Xhaka sei als Spieler gewachsen: «Er weiss jetzt, dass er erst Leistung zeigen muss, ehe er Forderungen stellen kann». Und Marco Streller befindet: «Die zwei Jahre bei GC haben ihn enorm reifen lassen.»
Der FCB-Captain hatte schon früh an Xhakas Führungsqualitäten geglaubt und ihn bereits unter Fink in den Mannschaftsrat berufen: «Das war vielleicht etwas früh. Aber er war schon damals ein sehr umgänglicher Typ.»
Vor dem Besuch im Madrider Estadio Bernabeu ist Xhaka jener Basler, der in der laufenden Saison auf die meisten Einsatzminuten des gesamten FCB-Kaders kommt – und alle externen Beobachter reiben sich die Augen.
«Er hat ein Löwenherz», sagt Captain Streller über Xhaka, «wenn er bei dir im Team spielt, gewinnst du oft.»
Dabei war Xhaka schon letzte Saison unter Murat Yakin jener Feldspieler der über alle Wettbewerbe gesehen am drittlängsten auf dem Feld gestanden war. Bloss ist das damals fast niemandem aufgefallen. «Keine Ahnung, warum die Leute das damals nicht bemerkt haben», rätselt Xhaka selbst, «kein Plan.»
Rückkehr ins Herz des Spiels
Es dürfte schlicht an seiner Position liegen. War Xhaka unter Yakin noch als Aussenverteidiger unterwegs, ist er nun dorthin zurück gekehrt, wo er bereits als Junior gespielt hat: ins Zentrum, ins Herz des Spiels. Für Sousa wurde er zum bislang unverzichtbaren Scharnier zwischen Innenverteidigung und Mittelfeld.
Für Heitz und Streller ist es keine Frage, was Xhaka dazu befähigt, auf dieser zentralen Position zu spielen. «Er hat ein Löwenherz», sagt Captain Streller, «wenn er bei dir im Team spielt, gewinnst du oft.» Sportchef Heitz befindet: «Er hat eine einzigartige Fähigkeit.» Und sagt dann nur ein Wort: «Pitbull.»
Es ist die unerbittliche Zweikampfstärke und -härte, die Xhaka vor vielen anderen Spielern auszeichnet. Selbst wenn Streller sich beeilt anzufügen: «Er hat auch eine sehr gute Technik. Auch wenn das einige nicht so sehen wollen.»
Drei Trainer können nicht irren
Gut möglich, dass Xhaka einer von dieser Sorte Spieler ist, die von Trainern geliebt und vom Publikum übersehen werden. «Wir haben nun bereits den zweiten Trainer, der auf ihn setzt», sagt Heitz. Heisst: Xhaka hat Qualitäten, persönliche Vorlieben eines Coaches sind ausgeschlossen.
Und eben erst ist ein dritter Trainer dazu gekommen, der auf Xhakas Fähigkeiten steht. Gianni De Biasi hat ihn nicht nur für das Nationalteam Albaniens aufgeboten. Xhaka war auch während des gesamten Spiels auf dem Feld, als die Albaner in der EM-Qualifikation einen 1:0-Coup in Portugal landeten. Seine Aufgabe? Ganz ähnlich wie die beim FCB: «Ich sollte dem Trainer helfen, defensive Lücken zu stopfen. Das hat ganz gut geklappt.»
Taulant Xhaka (r.) feiert mit Goalie Etrit Berisha und Elseid Hysaj den 1:0-Sieg Albaniens bei seinem Nationalmannschaftsdebüt. (Bild: Reuters/Hugo Correia)
Bis zu seinem Einsatz in Portugal wäre Xhaka auch für das Schweizer Nationalteam spielberechtigt gewesen, in dem sein Bruder aufläuft. Schliesslich sind die beiden in Basel im St. Johann aufgewachsen. Söhne einer echten Arbeiterfamilie, die Mutter bei Thomy angestellt, der Vater Gärtner.
Der Fehler im Wikipedia-Eintrag
Der Entscheid für Albanien sei keiner gegen die Schweiz gewesen, sagt Xhaka, sondern schlicht eine realistische Einschätzung seiner Situation: «Die Schweiz hat sehr viele gute Zentrumsspieler, die Chance spielen zu dürfen, schien gering.»
Nun spielt er eben für Albanien und fühlt sich trotzdem als Basler. Denn hier ist er geboren – und nicht in Pristina, wie die deutsche Wikipedia-Seite behauptet. «Im Uni-Spital», wie er präzisiert.
Taulant Xhaka ist neben Marco Streller und Philipp Degen also der dritte Ur-Basler, der sich zum Stamm des heutigen FCB-Teams zählen darf.
Auch das scheint dem Basler Publikum bislang tendenziell verborgen geblieben zu sein. «Aber vielleicht braucht das einfach etwas Zeit», vermutet Xhaka.
So, wie es halt auch Zeit gebraucht hat, bis aus dem Lausbub ein richtiger Profifussballer geworden ist, der im Bernabeu gegen Real Madrid antreten darf.