Teure Romantik

Was für kleine Clubs ein Fest sein sollte, droht die Amateure zu überfordern. Nun will der Verband den Cup neu ver­markten, um die Vereine besser unterstützen zu können. In der Region wird am Samstag und am Sonntag gespielt – und Black Stars wie Muttenz sind auf zahlende Fans angewiesen.

(Bild: Basile Bornand)

Was für kleine Clubs ein Fest sein sollte, droht die Amateure zu überfordern. Nun will der Verband den Cup neu ver­markten, um die Vereine besser unterstützen zu können. In der Region wird am Samstag und am Sonntag gespielt – und Black Stars wie Muttenz sind auf zahlende Fans angewiesen.

Die erste Sitzung bescherte Peter Faé eine schlaflose Nacht. Der Auftritt eines Vertreters der Baselbieter Polizei hatte beim Sportchef der Black Stars Wirkung gezeigt. Der Polizist liess bei einem Treffen mit dem SV Muttenz, den Black Stars und der Polizei Basel-Stadt den Blick über den Muttenzer Margelacker schweifen. Und erklärte dann, die Baselbieter Polizei werde für ihren Einsatz bei einem Cup-Spiel auf diesem Platz 150 000 Franken verrechnen.

Fans gegen rote Zahlen

Aus Sicherheitsgründen wollte die Polizei erst, dass der SV Muttenz und die Black Stars ihre Spiele am Sonntag austragen, wenn der FC Basel in Chiasso antritt. Nun darf Black doch am Samstag ran. Um 15 Uhr ist im St.-Jakob-Park Anpfiff gegen den FC Zürich. Muttenz spielt am Sonntag, 14.30 Uhr, auf dem Margelacker gegen die Young Boys. Beide Clubs brauchen rund 1200 zahlende Fans, um ein Defizit zu verhindern.

Das war der Moment, in dem das vielzitierte Traumlos für die Amateurfussballer zum Albtraum zu werden drohte. Dabei waren die Kugeln eigentlich für die beiden Clubs aus der Region Basel gerollt. Muttenz wird in der zweiten Hauptrunde des Schweizer Cups auf die Young Boys treffen, die Black Stars empfangen den FC Zürich. Es sind diese Vergleiche Gross gegen Klein, die den Reiz des Wettbewerbs ausmachen.

Aber diese Cup-Romantik ist in der Schweiz in Gefahr. Was für den Kleinen zum Fest werden sollte, das am Ende auch noch etwas Geld in die Ve­reinskasse spült, wird in der Realität zur grossen Belastungsprobe.

Eine Maschinerie, die die Clubs aufzufressen droht

An den Beispielen der Black Stars und des SV Muttenz lässt sich das gut nachvollziehen. Zwar verlangen nun weder Stadt- noch Landkanton die vollen Polizeikosten und begnügen sich mit je 1.80 Franken pro Ticket. Zudem erhalten die Vereine Geld aus dem jeweiligen Swisslos-Fonds.

Aber das ändert nichts am enormen Aufwand, den die Clubverantwortlichen zu bewältigen haben. Sobald einem Amateurverein ein Club aus der Super League zugelost wird, kommt eine Maschinerie in Gang, die ihn aufzufressen droht.

In einem politisch aufgeheizten Umfeld nimmt allein die Frage der Sicherheit einen riesigen Platz ein. Auch wenn bei vergleichbaren Spielen in den letzten Jahren schweizweit keine grossen Zwischenfälle registriert wurden. Da verhandeln in Basel Grossräte mit dem Polizeikommandanten. Da muss im Baselbiet die Gesamtregierung über die Befreiung des SV Muttenz von den Polizeikosten befinden. Da wird den Black Stars von der Stadt vorgeschrieben, in welchem Stadion sie zu spielen haben.

Und mittendrin Clubs, die es üblicherweise an Heimspielen mit vielleicht 100 Zuschauern zu tun haben. Die sich erst informieren müssen, was es alles braucht, um eine Partie von diesen Ausmassen durch­­zuführen. Die Begegnung mit dem FCZ ist noch nicht angepfiffen, da klagt Faé schon: «Jedes Jahr möchte ich nicht so ein Spiel haben.»

Beat Meier ist keiner, der sich erst noch in die Thematik einlesen muss. Der Cup-Verantwortliche des SV Muttenz war von 2002 bis 2011 Sicherheitschef des St.-Jakob-Parks. Aber auch er kommt zum Schluss, der Aufwand sei «extrem hoch dafür, dass es ein Hobby für den Feierabend sein sollte». Er sagt: «Eigentlich müsstest du, wenn du an der Auslosung einen grossen Club ziehst, die Kugel gleich wieder in den Topf zurückwerfen.»

Verband sieht Handlungsbedarf

Das sind Aussagen, die dem Schweizerischen Fussballverband (SFV) als Cup-Veranstalter nicht gefallen können. Grundsätzlich betrachte er den Wettbewerb zwar nicht als gefährdet, meint Robert Breiter, beim SFV für den Cupverantwortlich: «Aber Handlungsbedarf streiten wir nicht ab.»

Bereits heute stellt der SFV den Amateurclubs zur Vorbereitung der Spiele sogenannte Coaches unentgeltlich zur Verfügung. Sie sind dazu da, die Vereinsvertreter darauf aufmerksam zu machen, was bei einem Cupspiel gegen ein Team aus der höchsten Spielklasse alles beachtet werden muss. «Dieses Coaching wird laufend ausgebaut», sagt Breiter.

Aber diese Helfer können den Clubs die Arbeit nicht abnehmen. Meier ist selbst einer dieser Coaches des SFV, er hat also bereits andere Clubs bei der Organisation auf eine Partie gegen einen Grossen begleitet: «Aber wie viel Arbeit wirklich nötig ist, wird mir erst jetzt bewusst.»

Meier und Faé sind selbstständig erwerbend und können sich so ihre Zeit einteilen. Sonst, sagen sie, wäre die Aufgabe gar nicht zu bewältigen. Dazu passt, was Markus Stahel erzählt. Der Präsident des FC Amriswil nahm 14 Tage Ferien, um die Erstrundenpartie gegen den FC Basel vorzubereiten. Amriswil erlebte danach im September alles, was sich ein Amateurclub vom Treffen mit einem Gros-sen erhofft: 5100 friedliche Fans am Spiel, eine Party bis in die Morgenstunden und am Ende rund 20 000 Franken mehr in der Clubkasse.

Ein Gewinn bleibt nur dank Staatsgeldern

Alles gut also? Nicht ganz, sagt Stahel: «Hätte uns die Stadt nicht mit 50’000 Franken unterstützt, wir hätten rückwärtsgemacht.» Dem FC blieb also eigentlich jenes Geld als Gewinn, das ihm der Staat für das Spiel zur Verfügung gestellt hatte.

«Die Sicherheitskosten fressen einen auf», erklärt Stahel. Und das, ohne dass die Polizei die tatsächlichen Kosten für ihren Einsatz in Rechnung stellt. Dass das nicht geschehen sollte, darauf haben sich der SFV und die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) verständigt. «Es gibt eine informelle Abmachung mit der KKJPD, dass Cuppartien von Amateurvereinen als Service Public gelten», sagt Breiter.

Was bleibt, sind die Kosten für die Sicherheit im Stadion. Abgetrennte Sektoren für Gästefans und deshalb zusätzliche Zugänge, Verpflegungsstände und Toiletten. «Da muss sich der Verband etwas überlegen», sagt Stahel, «sonst wird der Cup sterben.» Zumal sich die Prämien des SFV im gut überschaubaren Rahmen bewegen (vgl. Tabelle).

Der Verband will den Cup zentral vermarkten

Bei ihm habe sich in letzter Zeit niemand über finanzielle Probleme beklagt, erklärt demgegenüber Robert Breiter. Trotzdem sollen die Clubs vom Verband künftig mehr Geld erhalten: «Indem die Vermarktung auf die kommende Saison hin neu geregelt wird.»

2013 läuft der Vertrag mit dem Vermarkter IMG aus, der SFV dürfte dann die finanzielle Verwertung des Cups wieder selbst übernehmen. Geplant ist, dass die ersten drei Runden teilweise und die Spiele ab Viertelfinal nach dem Vorbild der Champions League komplett zentral vermarktet werden. Weil die Cup-Sponsoren so mehr Rechte und Sichtbarkeit in den Stadien erhalten, hofft der Verband auf höhere Einnahmen, die er an die Clubs weitergeben könnte.

Bis dahin haben Muttenz und die Black Stars hinter sich, was für die Clubs nach all der Vorbereitung ein Highlight der Clubgeschichte werden soll. «Auf das Spiel freuen wir uns natürlich trotz allem», stellt Meier klar.

In Amriswil haben sie unterdessen einen Bundesordner mit all den Dingen gefüllt, die in Cup-Spielen zu beachten sind. Denn einen FC Basel als Gast, «den würden wir schon nochmals nehmen», sagt Markus Stahel.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 09.11.12

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