Elf Jahre alt ist die Fanarbeit Basel, zehn Jahre davon war Thomas Gander ihr Co-Leiter. Auf Ende Jahr ist damit Schluss: Der 38-Jährige sucht sich eine neue Stelle, ist aber davon überzeugt, dass die Präventionsarbeit in der Kurve nie zu Ende sein kann.
Zehn Jahre lang hat er mit Fans, Polizei und Clubvertretern gesprochen. Er hat die nun elf Jahre alte Fanarbeit Basel mit aufgebaut und prägte den auf Dialog setzenden «Basler Weg» in der Fanpolitik mit. Damit ist jetzt Schluss, Thomas Gander verlässt auf Ende Jahr die Fanarbeit Basel, deren Co-Leiter er zusammen mit Ornella Pessotto während eines Jahrzehnts war.
«Mit Wehmut» verlasse er seine Arbeit, sagt der 38-jährige SP-Grossrat, der noch nicht weiss, wohin ihn die Zukunft führen wird, «aber es stimmt für mich. Die Fanarbeit in Basel steht auf einem guten Fundament.» Als Grund für seinen Abschied nennt Gander persönliche Motive: «Nach so einer langen Zeit und in meinem Alter überlegt man sich schon, wo es weiter gehen kann.» Ob er auch die Geschäftsführung der Fanarbeit Schweiz abgeben wird, ist noch offen.
Thomas Gander, wie hat sich die Fanarbeit in den letzten zehn Jahren verändert?
Am Anfang wurden wir kritisch begutachtet. Jetzt ist die Fanarbeit ein etablierter Partner, anerkannt von Fans, Politik und vom FC Basel. Ganz zu Beginn war gar nicht klar, was Fanarbeit überhaupt ist. Wir haben eine Art Pionierarbeit gemacht in der Schweiz. Präventionsarbeit im Schweizer Fussball, das gab es nicht – das mussten wir erst erklären.
Was haben Sie persönlich erst während der Arbeit gelernt?
Meine grösste Erkenntnis war, dass es in dieser Arbeit keinen Anfang und kein Ende gibt. Du kannst dir nicht ein Ziel setzen, das du dann auch erreichst, weil deine Arbeit mit den Veränderungen des Umfelds wächst und sich verändert. Auch eine Fankurve wird älter. Wir arbeiten teilweise mit Fans, die vor zehn Jahren schon in der Kurve waren und junge kommen nach, so bleibt auch die Fanarbeit immer in Bewegung.
Wie hat sich die Kurve denn verändert?
Ein sehr tief gehendes Thema … Ich möchte jetzt nicht einen Rückblick auf zehn Jahre Muttenzerkurve machen. Grundsätzlich kann man feststellen, dass die Leute selbständiger, aber auch selbstbewusster geworden sind. Es macht einen Unterschied, ob du mit einem 18-Jährigen oder mit einem 28-Jährigen zu tun hast. Spannend zu sehen ist aber auch, wie junge Fans immer mehr Verantwortung übernehmen. Entscheidend ist für mich, dass die Arbeit weiter geht. Mit Ornella Pessotto bleibt eine sehr wichtige Person, was für die Beständigkeit der Fanarbeit entscheidend ist, nur schon von der Akzeptanz her in der Kurve, beim Club und der Polizei.
«Ein Fanarbeiter darf keine Angst davor haben, kritisiert zu werden und muss eine gewisse Frustrationstoleranz haben»
Was muss Ihr Nachfolger mitbringen?
Geduld, sich auf Widersprüchliches einlassen können. Authentisch sein. Auch nicht zu fest Sozialarbeiter sein. Gut gegen innen und aussen kommunizieren können. Keine Angst davor haben, kritisiert zu werden. Und die Freude an so einer Fankurve ist sehr wichtig. Das Bewusstsein, dass so eine Subkultur auch ihren Platz haben soll.
Dabei wird diese Daseinsberechtigung auch der Fanarbeit immer wieder abgesprochen, weil sie Ausschreitungen wie jene in Aarau nicht verhindert.
Man muss eine gewissen Frustrationstoleranz haben. Oftmals wird die Fanarbeit in die Verantwortung genommen, wenn etwas geschieht. Weil es bei uns zwei Menschen gibt, die dafür einstehen, dass es eine junge, wilde und kreative Kurve geben soll, mit allen Sorgen und Freuden, die sie einem bereiten kann. Auf diesen Konflikt musst du dich einlassen: Du stehst für eine Jugendbewegung respektive eine Subkultur, ein, die gleichzeitig auch eine der am heftigsten kritisierten Bewegungen der Schweiz ist.
Was würden Sie als Erfolg Ihrer Arbeit verbuchen?
Zunächst einmal bin ich froh, dass es in der Schweiz Club-Präsidenten gibt wie Bernhard Heusler, der in einem Interview hin steht und sagt, dass Freiräume wie die heutigen Fankurven ihre Existenzberechtigung haben. Denn die immer repressiver werdende Schweizer Gesetzgebung in diesem Bereich hatte zuletzt nur ein Ziel: die Fankurven in der heutigen Form auszuschalten. Unsere Arbeit hat sicher auch einen Anteil daran, dass es diese Fanbewegung trotzdem immer noch gibt. Deswegen darf unsere Arbeit auch nicht aufhören. Es braucht eine Schnittstelle, die eine Art Übersetzungsfunktion gegen aussen und gegenüber den Akteuren im Umfeld übernimmt. Ein Fankurve kann das selbst nicht leisten. Dazu braucht es die Fanarbeit. Und Leute wie Bernhard Heusler.
» Fanarbeit Basel: Die Jahresberichte 2010 und 2011 als Dokumente auf der Rückseite dieses Artikels