Thorsten Fink und der Schmerz der ersten Niederlage

Im zehnten Pflichtspiel hat es Thorsten Fink erwischt: Er verlor erstmals als Trainer mit dem Hamburger SV und flog in Stuttgart aus dem Pokalgeschäft raus. Der Ex-Trainer des FC Basel sieht seine Mannschaft dennoch auf dem richtigen Weg.

Erste Niederlage mit dem HSV: Thorsten Fink am Mittwoch beim DFB-Pokal-Achtelfinal in Stuttgart. (Bild: Reuters)

Im zehnten Pflichtspiel hat es Thorsten Fink erwischt: Er verlor erstmals als Trainer mit dem Hamburger SV und schied mit 1:2 gegen den VfB Stuttgart aus dem lukrativen Pokalgeschäft aus. Der Ex-Trainer des FC Basel sieht seine Mannschaft dennoch auf dem richtigen Weg und rechnet für die nächste Saison schon einmal einen Europacup-Platz hoch.

Ein Hauch von FC Basel umgab Thorsten Fink immer noch, als er Mittwochnacht seine erste Niederlage als HSV-Trainer in Worte fasste. Die modisch geschnittene graue Hose gehört zum Outfit, das er bis Mitte Oktober noch als Chefcoach des FCB getragen hatte. Dazu hat er sich ein neues, blaues Sakko zugelegt, und es ist nicht so, dass man sich als Bundesligatrainer nicht auch neue Beinkleider leisten könnte.

Aber manchmal scheint noch der Charakter des Jungen aus der Dortmunder Arbeitersiedlung durch. Vorige Woche ist Familie Fink umgezogen. Sie haben das Haus in Reinach geräumt und haben dazu auch die Möbel aus der inzwischen verkauften Villa in München-Grünwald in die Hansestadt bringen lassen. Als Thorsten Fink dann im Hamburger Nobelviertel Harvestehude auspackte, stellte er einen gewissen Überfluss fest: «Was da in den Jahren an Möbeln und Klamotten zusammenkommt…»

Es sieht also danach aus, dass sich die fünfköpfige Familie Fink inklusive Labrador Anton auf einen längeren Aufenthalt im hohen Norden einrichtet. So lange halt, wie es das Fussball-Business zulässt. Oder der eigene Antrieb, der im Fall von Thorsten Fink dazu geführt hat, im gestreckten Galopp das Pferd zu wechseln.

Verein macht 5 Millionen Verlust

Statt  mit Basel leibhaftig an der Champions League teilzuhaben, redet er jetzt beim Hamburger SV davon, «irgendwann mal» Champions League zu spielen. Mit ein bisschen Europa League wären sie derzeit beim HSV wahrscheinlich schon glücklich, aber auf dem kürzesten Weg dorthin sind sie am Mittwoch in den Achtelfinale des DFB-Pokal in Stuttgart mit 1:2 gescheitert.

Das Ausscheiden hat eine wirtschaftliche Dimension, die in keinster Weise mit den Verdienstmöglichkeiten im Schweizer Cup vergleichbar sind. 1,1 Millionen Euro sind jedem Viertelfinalisten garantiert, und mit den Zuschauereinnahmen und dem Bonus für eine Übertragung im Free-TV kommen da schnell 2,5 Millionen zusammen. Viel Geld für einen Club wie den HSV, der erstmals seit 2003 wieder rote Zahlen schreibt und einen Verlust von 4,87 Millionen ausweist.

Auch sportlich hat das Scheitern eine besondere Fussnote: Es ist nach knapp zweieinhalb Monaten oder neun Spielen mit drei Siegen und sechs Unentschieden die erste Niederlage für Thorsten Fink als HSV-Trainer. Dass damit der Zauber verflogen sei, kann man nicht behaupten, denn es hat sich noch nicht der rechte Zauber entfaltet in Hamburg. Es sieht eher nach reichlich Arbeit aus, bis Fink mit seiner neuen Mannschaft dort ankommt, wo er mit der alten war: an der Spitze.

Was dem HSV fehlt ist ein Alex Frei

Immerhin: Ausser schwachen 20 Minuten nach der erstmaligen Stuttgarter Führung (Cacau, 23. Minute) war der HSV die bessere Mannschaft. Der Ausgleich (Eigentor Kvist, 54.) war verdient und das zweite Tor des zuletzt in die Kritik geratenen Deutsch-Brasilianers Cacau  (62.) löste eine Hamburger Sturmflut aus. Die Schwaben hatten das Weiterkommen einzig und allein ihrem famosen Schlussmann Sven Ulreich zu verdanken, der mit drei Weltklasseparaden das 2:1 rettete.  Die 38’600 Zuschauer in der zu zwei Dritteln besetzten Mercedes-Benz-Arena waren aus dem Häuschen, und Claudemir Jeronimo Barreto, wie Cacau mit bürgerlichem Namen heisst, fand ein angemessenes Kompliment für seinen Keeper: «Er hat Bälle gehalten, die man eigentlich gar nicht halten kann.»

Dagegen musste Thorsten Fink feststellen: «Wenn man solche Chancen vergibt, kann man nicht gewinnen.» Ein Chancenverhältnis von «gefühlt 25:5» beklagte HSV-Captain Heiko Westermann, und angesicht der Hochkaräter ist man geneigt zu sagen: Mit Alex Frei stünde nun Fink mit den Hamburgern in den Viertelfinals anstatt Stuttgart, das mit  Bayern München auch noch das grosse Heimlos gezogen hat.   

Die liegengelassenen Punkte

Der Schmerz über seine erste Niederlage als HSV-Coach hielt sich in Grenzen, er sparte mit Kritik an seiner Mannschaft («Ich kann ihr keinen Vorwurf machen»), streute lieber Aufmunterung («Wir können mit erhobenem Haupt aus diesem Fight gehen») und rückte die persönliche Bilanz in den Hintergrund: «Es geht nicht um meine Person.»

Irgendwie aber schon. Denn mit Fink, von der «Bild-Zeitung» vorläufig in den Rang eines «Remis-König» erhoben, verbindet sich die Hoffnung auf bessere Zeiten, die in der Hansestadt allerdings mit jedem Spiel, das nicht gewonnen wird, auf fernere Tage verschoben wird. Die Stimmung ist: bloss nichts mit der Abstiegszone zu tun haben, zu der es lediglich drei Zähler Abstand sind. Der Optimismus des Trainers leitet sich aus den zwölf Punkten in acht Ligaspielen unter seiner Anleitung ab: «Hochgerechnet würde das einen Uefa-Cup-Platz bedeuten.»

Das stellt sich Fink zumindest für die nächste Saison vor, das Nahziel für den auf Platz 13 überwinternden HSV aber lautet: ein gesicherter Mittelfeldplatz. Was für Fink die Top Ten sind, und das, so der 44-Jährige, «kann man mit dieser Mannschaft auch verlangen.» Noch kämpft er «gegen die liegengelassenen Punkte zu Saisonbeginn», und grossartige Transfers sind in der Winterpause von den klammen Hamburgern kaum zu erwarten.

Ein Trainer voller Ideen

Aber Fink wäre nicht Fink, wenn er nicht sagen würde: «Ich bin zwar schon enttäuscht über die Niederlage, aber meine Mannschaft braucht jemanden, der vorangeht und nach vorne schaut.» Die Entwicklung des Teams stimmt für ihn, in der Vorbereitung auf die Rückrunde will er die Spieler und ihre Stärken und Schwächen noch besser kennenlernen. Und am Ende der Saison, sagte er an die Hamburger Journalisten gewandt, «am Ende der Saison werden Sie mir Recht geben.»

Zunächst einmal gibt es Ferien. Fink, ein Sonnenanbeter in kurzen Hosen, verbringt sie mit der Familie in Dubai. Skifahren kommt für ihn nur bedingt zu Erholungszwecken in Frage, weil ihm das zu grosser Materialeinsatz ist. Eine Woche Auszeit gönnt er sich. «Dann», sagt er, «habe ich wieder so viele Ideen, die man gar nicht immer umsetzen kann.» Davon wissen Sportkoordinator Georg Heitz und Vize-Präsident Bernhard Heusler beim FC Basel durchaus noch ein Lied zu singen.

DFB-Pokal, Achtelfinals vom Mittwoch:


Hertha Berlin–1. FC Kaiserslautern 3:1 (1:0)
Tore: 43. Ramos 1:0. 51. Shechter 1:1. 59. Lasogga 2:1. 91. Ebert 3:1. – Bemerkung: Hertha mit Lustenberger (bis 80.).

Holstein Kiel (Regionalliga)–Mainz 05 2:0 (1:0)
Tore: 6. Ujah (Eigentor) 1:0. 64. Müller 2:0. – Bemerkung: Mainz mit Gavranovic.

Borussia Mönchengladbach–Schalke 04 3:1 (1:0)
Tore: 18. Arango 1:0. 56. Reus 2:0. 70. Draxler 2:1. 88. Reus 3:1. – Bemerkungen: 46. Gelb-Rote Karte gegen Huntelaar (Schalke) wegen Reklamierens. 92. Gelb-Rot gegen Jones (Schalke) wegen einer Unsportlichkeit.

VfB Stuttgart–Hamburger SV 2:1 (1:0)
Tore: 23. Cacau 1:0. 54. Kvist (Eigentor) 1:1. 62. Cacau 2:1.

Die Viertelfinals (7./8. Februar):
Berlin–Mönchengladbach, Stuttgart–Bayern München, Hoffenheim–Fürth, Kiel–Dortmund.

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