Tommy Haas rüttelt Roger Federer wach für die grossen Ziele

Kaum einer hätte Roger Federer eine Niederlage gegen den ewigen Combacker Tommy Haas zugetraut. Selbst der 39-jährige Sieger war etwas geschockt. Für Federers Rasensaison muss die Sensation trotzdem nichts heissen.

Roger Federer aus der Schweiz reagiert am 14.06.2017 in Stuttgart (Baden-W�rttemberg) w�hrend seines Achtelfinales gegen Haas aus Deutschland. (KEYSTONE/DPA/A4564/_Daniel Maurer)

Kaum einer hätte Roger Federer eine Niederlage gegen den ewigen Combacker Tommy Haas zugetraut. Selbst der 39-jährige Sieger war etwas geschockt. Für Federers Rasensaison muss die Sensation trotzdem nichts heissen.

Es sah nach einem netten Tennisnachmittag aus für Roger Federer beim Mercedes Cup. Nach einer leichten Auftaktübung. Nach dem perfekten Wiedereinstieg in das Tourgeschehen im ATP-Wanderzirkus. 22 Minuten lang zeigte Federer denn auch makelloses Tennis. Und er gewann den ersten Satz gegen seinen Freund Tommy Haas 6:2.

Aber dann war es komplett vorbei mit dem entspannten Auftritt auf dem Centre Court des Stuttgarter Weissenhof. Erst verlor Federer die Kontrolle über die Partie, danach die meisten der sogenannten Big Points, und schliesslich verliess er sogar als 6:2, 6:7 (8:10), 4:6-Verlierer den Platz – ebenso verdient wie sensationell.

Haas schockiert vom eigenen Sieg

Triumphiert hatte nicht der beste Rasenspieler aller Zeiten, sondern – jedenfalls schwarz auf weiss – die Nummer 302 der Weltrangliste. Der unverwüstliche, ewige Tommy Haas, der sich bei seiner Abschiedstournee den besten Auftritt und süssesten Sieg ausgerechnet für das Kumpel-Duell gegen Federer aufgehoben hatte. «Um ehrlich zu sein», sagte Haas direkt nach dem verwandelten Matchball, «ich kann es selbst nicht fassen. Ich bin jetzt gerade ein bisschen geschockt hier.»

Kurios, aber wahr: Der letzte Haas-Sieg gegen einen Top 10-Spieler datiert ziemlich genau fünf Jahre zurück. Sein Gegner damals: Roger Federer. Im Finale der Gerry Weber Open in Halle war das. Jetzt hat Federer also tatsächlich erneut verloren. «Es ist blöd gelaufen», bekannte er nach dem Spiel. «Ich konnte mich am Ende nicht mehr zurückfighten, auch nicht richtig aufputschen gegen Tommy.»

Alter schützt vor Klasse nicht. Auch nicht bei einem Tommy Haas.

Und Federer? Noch ist es zu früh, um von einer Fehlkalkulation des Maestro zu sprechen – mit der Entscheidung, fast zweieinhalb Monate keinen Schläger mehr anzurühren, fast die komplette Sandsaison aus dem Programm zu streichen. Doch auch zu Jahresbeginn hatte Federer erstmal holprige Momente beim Hopman Cup, bevor er in Australien siegte. Sein Weg führt nun nächste Woche nach Halle. Er wird darauf hoffen und setzen, dass er mehr Matches gewinnen, mehr Matchpraxis erlangen kann – und dann für Wimbledon gerüstet ist.

Eigenartige Bilanz

Die grösste Schwäche des Maestros in Stuttgart gegen den bärenstarken Haas? Es waren sicher die vielen ausgelassenen Chancen im zweiten Satz. Federer vergab einen Breakvorsprung, er vergab auch viele weitere Breakbälle, und im Tiebreak konnte er dann einen Matchpunkt nicht nutzen. Gewöhnlich ist das Federers herausragende Qualität: Bei den Spielen auf Rasen die wenigen herausragend wichtigen Ballwechsel für sich zu entscheiden, dem Gegner den Nerv rauben und selbst Sicherheit und Zuversicht zu sammeln.

So blieb nach diesem denkwürdigen Stuttgarter Tag auch eine denkwürdige Bilanz für Federers Wirken in 2017 zurück: 16 Spiele hatte er in dieser Saison gegen Top-100-Profis bestritten, und 16-mal gewann er die Partie auch. Zwei Mal schritt er gegen Profis jenseits der Top 100 auf den Court, beide Male verlor er. In Dubai gegen den Russen Donskoy, in Stuttgart gegen Haas. «Es ist ganz gut, einen Alarmruf zu bekommen», sagte Federer. «Man merkt erst wieder, was es bedeutet, Spiele und Turniere zu gewinnen. Erst recht, wenn man Wimbledon im Visier hat.»

 

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