Uniformiert und in zivil, jung und alt

Männer und Frauen, 19- bis 67-Jährige, in Uniform oder zivil: Die Weltspitze im Springreiten besticht durch Heterogenität. Ein Einblick in die Top-100 der Welt – und in die Vergangenheit des Reitsports.

Paul Weier (Bild: Privatfoto Paul Weier, zVg)

Männer und Frauen, 19- bis 67-Jährige, in Uniform oder zivil: Die Weltspitze im Springreiten besticht durch Heterogenität. Ein Einblick in die Top-100 der Welt – und in die Vergangenheit des Reitsports.

Es dürfte wenige Sportarten geben, in denen drei Generationen in den Top-100 der Weltrangliste vertreten sind. Im Springreiten jedoch könnte der Kanadier Ian Millar (Weltranglistenposition 58) mit 67 Lenzen vom Alter her gut und gerne der Grossvater des 19-jährigen Iren Bertram Allen (64) sein.

Dass das Alter der Springreiter keine Rolle spielt, zeigen einerseits die Weltrangliste und andererseits die Sieger am CSI Basel: Der 25-jährige Deutsche David Will ist der jüngste Gewinner, der Franzose Roger Yves Bost mit 49 der älteste. Jur Vrieling, auf VDL Bubalu der Sieger der Hauptprüfung vom Samstag, liegt mit 45 Jahren etwas über dem Durchschnitt. Er gewann die Prüfung im Stechen knapp vor dem Schweizer Paul Estermann auf Naiade d’Auvers, der nur 15 Hundertstelsekunden langsamer war als der Niederländer.

«Der erste Athlet ist das Pferd»

Der Durchschnitt von 38 Jahren für einen Reiter in den Top-100 ist wenig aussagekräftig, denn zwischen 19 und 67 sind sämtliche Alter praktisch gleich oft vertreten. Den Grund dafür kennt Rogier van Iersel, Equipenchef der Saudi-Arabischen Springreiter und Turnierleiter des CSI Basel: «Der erste Athlet ist das Pferd.»

Die körperliche Leistungsfähigkeit des Reiters ist also weniger massgebend, weswegen die obere Altersgrenze bei fast siebzig Jahren liegt. Zwar gebe es im Dressurreiten einen Japaner, der mit über siebzig Jahren noch an olympischen Spielen teilgenommen habe, sagt Iersel, in Springkonkurrenzen seinen Reiter über sechzig aber eher die Ausnahme.

Weltmeister Philippe Le Jeune, mit 54 der älteste der am CSI Basel startenden Top-100-Reiter, will zwar nicht behaupten, dass es im Springreiten keine Alterslimite gibt: «Aber wenn der Körper einigermassen mitmacht, kann man lange auf hohem Niveau springen. Die Problemzonen sind der Rücken und die Knie. Wenn diese gesund bleiben, hängt eigentlich alles vom Pferd ab, das man unter dem Gesäss hat.»

Ein junger Reiter hat «keinen einzigen Vorteil»

In der Entwicklung des Sports, bei dem sich Frauen und Männer an den gleichen Turnieren messen, ist zu beobachten, dass immer mehr junge Reiter den Sprung an die Spitze schaffen, was nichts damit zu tun hat, dass sie körperlich leistungsfähiger sind. Gegenüber der alten Garde haben sie «keinen einzigen Vorteil», sagt Le Jeune.

Im Gegenteil: Die Erfahrung ist nach dem Pferd der wichtigste Erfolgsfaktor – ein Aspekt, der für die älteren Reiter spricht. 

Den jungen, talentierten Reitern kommen einzig die strukturellen Veränderung im Reitsport zu gute: Sprangen früher die meisten Topspringer mit ihren eigenen Pferden, so stellen heute Pferdebesitzer ihre Tiere jungen Athleten zur Verfügung, wie das Beispiel von David Will zeigt, der nach dem Sieg am Donnerstag auch eine Prüfung am Samstag gewonnen hat.

Dass Reiter die gerittenen Tiere besitzen, ist inzwischen höchst selten: «Am CSI Basel», sagt Turnierpräsident Willy Bürgin, «gibt es vielleicht noch fünf oder sechs Pferde, die dem Reiter gehören.»

Vom Sport für Uniformierte zum Sport für jedermann – zumindest fast

In grauer Vorzeit des Springsports dominierten die Armeeangehörigen das Geschehen über den Hindernissen. «Es war damals, noch vor dem zweiten Weltkrieg, mehr oder weniger ein Sport für Kavalleristen der Armee gewesen, bevor immer mehr Zivilisten dazu kamen», weiss Iersel.

Inzwischen sind die Uniformierten rar geworden, es gibt sie aber immer noch: Am CSI Basel springt der Italiener Emanuele Gaudiano uniformiert, er gehört der staatlichen Forstwache an. Und in der Schweiz war Paul Weier einer der erfolgreichsten Reiter überhaupt – als Kavallerie-Offizier in Uniform springend.

Heute steht die Weltspitze im Springreiten theoretisch jedem offen: ob jung oder alt, in der Armee oder nicht, ob Mann oder Frau. Wobei sich die Frauen in der Unterzahl befinden und 18 Plätze in den Top-100 einnehmen. «Es ist das Schöne an diesem Sport», sagt Iersel, «dass Männer und Frauen in den gleichen Konkurrenzen antreten. Aber oft passiert es, dass Frauen nach einer Familiengründung einen Schritt zurück machen im Springreiten. Das normale Leben geht halt auch weiter.»

Die Traumkombination gibt es nicht
Männer und Frauen, die im Springreiten Amazonen genannt werden, haben die gleichen Voraussetzungen, um in ihrem Sport erfolgreich zu sein. Gleiches gilt für die Pferde: Eine Stute kann ebenso vielversprechend sein, wie ein Wallach oder ein Hengst. Laut Rogier van Iersel kann höchstens ein Hengst ein kleiner Vorteil sein: «Ein Hengst, wenn man ihn denn im Griff hat, besitzt allenfalls ein bisschen mehr Kampfgeist.»
Weiter spielt es bezüglich sportlicher Erfolge keine Rolle, ob ein Mann auf einem Hengst, eine Amazone mit einer Stute oder umgekehrt reitet. Entscheidend ist, dass die Beziehung zwischen dem Reiter und dem Pferd stimmt. Die Aussage in einem Artikel des Kuriers.at, in dem steht, «dass Frauen durch ihre andere Gefühlswelt eine bessere Beziehung zu ihrem Pferd aufbauen können», entlockt Iersel nur ein Schmunzeln: «Das können auch Männer.»
CSI Basel, 9.1.–12.1.2014, St.-Jakobs-Halle
Programm und Resultate aller Prüfungen
Übertragung der Prüfungen auf Clipmyhorse.tv

Samstag
Profis
Int. Springprüfung mit Stechen (1.50 m). CSI5*. Sieger: Jur Vrieling (NED) auf VDL Bubalu
Int. Zeitspringprüfung (1.45 m). CSI5*. Sieger: David Will (GER) auf Pokerface
Amateure

Amateurfinal. Int. Springprüfung mit Stechen (1.35 m). Sieger: Tobias Schwarz (GER) auf La Belle J
Int. Springprüfung mit Stechen (1.30 m). Siegerin: Simone Buhofer (SUI) auf Wimona
Int. Springprüfung mit Stechen (1.20 m). Sieger: Kim Betge (SUI) auf Zappelin

Freitag
Profis
Int. Springprüfung mit Stechen (1.55 m). CSI5*. Sieger: Marco Kutscher (GER) auf Cornet’s Cristallo
Int. Punktespringprüfung mit 2 Jokern (1.50 m). CSI5*. Sieger: Harrie Smolders (NED) auf Regina Z
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.45 m). CSI5*. Sieger: Roger Yves Bost (FRA) auf Castle Forbes Cosma
Amateure
Int. Zwei-Phasen-Springprüfung (1.30 m). Siegerin: Roya Saberi (SUI) auf Landliebste
Int. Zwei-Phasen-Springprüfung (1.20 m). Siegerin: Johanne Hermann (SUI) auf Quisisana Z

Donnerstag
Profis
Die Goldene Trommel von Basel. Int. Springprüfung mit Stechen (1.55 m). CSI5*. Sieger: Gregory Wathelet (BEL) auf Conrad
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.45 m). CSI5*. Sieger: Scott Brash (GBR) auf Bon Ami.
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.40 m). CSI5*. Sieger: David Will (GER) auf Pokerface.
Amateure
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.30 m). Siegerin: Audrey Geiser (SUI) auf Orlane de Courna.
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (Hindernishöhe: 1.20 m). Siegerin: Rahel Fuchs (SUI) auf Fighting Red.

Sonntag
Profis
10:00 Uhr: Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.45 m). CSI5*
14:00 Uhr: Grand Prix. Int. Springprüfung mit 2 Umläufen (1.60 m). CSI5* 

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