Überrascht sein kann niemand. Nachdem der FC Basel am Freitag eine Zeitenwende eingeläutet hat, ist der Trainer das erste Personalopfer. Und im Blätterwald ertönt sogleich zum wiederholten Male das Lied, dass dem bald zweifachen Meistertrainer Urs Fischer der grosse Wurf in Basel nicht gelungen sei.
Aber was ist ein grosser Wurf? Ist es ein Sieg in der Champions League gegen einen Grossen, wofür eine einzige splendide Tagesform reicht? Oder ist es der überzeugende nationale Erfolg, der nur dann erreicht wird, wenn eine Mannschaft mit herausragender Konstanz am Werk ist?
Urs Fischer ist es gelungen, mit dem FCB den 19. Meistertitel zu gewinnen. Den 20. Titel könnte er mit der höchsten Punktzahl holen, die eine Schweizer Mannschaft seit Bestehen der Super League je erreicht hat. Auch das erste Double seit 2012 liegt in Reichweite.
Mit Fischer eines der aufregendsten Spiele der letzten Jahre erlebt
Das reicht in Basel offenbar nicht mehr, um die Fussballinteressierten zufriedenzustellen. Es braucht den grossen Wurf im internationalen Geschäft. Dass zwischen Erreichen oder Verfehlen eines solchen zuweilen nur wenige Zentimeter liegen, konnte man gegen Paris Saint-Germain miterleben.
Fischer hat sich in seiner ersten Saison nicht für die Champions League qualifiziert, das ist auch für ihn die grösste Enttäuschung. Und Fischer hat es in seiner zweiten Saison nicht geschafft, Razgrad in der Champions-League-Gruppenphase hinter sich zu lassen.
Aber Fischer hat sich in der Europa League gegen die französische Spitzenmannschaft AS Saint-Etienne durchgesetzt, in einem Spiel, das im St.-Jakob-Park zu den aufregendsten der letzten Jahre gehört. Der FCB qualifizierte sich damit für den Achtelfinal, nur zweimal kamen die Basler in ihrer jüngeren Europacup-Geschichte weiter als in diese Runde der letzten 16.
Was Urs Fischer alles vorgeworfen wird
Fischer wird vorgeworfen, er lasse keinen attraktiven Fussball spielen. 2,5 Tore pro Liga-Spiel in diesem Jahr und 2,4 im letzten sprechen eine andere Sprache. 2,3 Tore waren es unter Paulo Sousa, 1,9 und 1,7 unter Murat Yakin. Dass die Partien in der Liga selten attraktiv waren, weil die Spannung fehlte, ist nicht Fischers Problem.
Dem 51-Jährigen wird vorgeworfen, er setze zu wenig auf junge Spieler. Unter Fischer hat der 21-jährige Manuel Akanji seinen Marktwert mutmasslich um ein Vielfaches gesteigert. Mohamed Elyounoussi (22) spielt eine prägende Rolle, bei Alexander Fransson (23) hat Fischer Spielmacherqualitäten herausgekitzelt, und er hat sich nicht gescheut, Raoul Petretta, den Mann aus dem eigenen Nachwuchs, ins kalte Wasser zu werfen.
Urs Fischer war es auch, der Breel Embolo immer öfter auf dem rechten Flügel einsetzte. Jenen Spieler, der dem FCB rund 25 Millionen Franken Transfererlös eintrug.
Fischer wird weiter vorgeworfen, er habe zu wenig Akteure aus dem Nachwuchs eingebunden. Das hat auch damit zu tun, dass sich nicht viele aus dem Nachwuchs für höhere Aufgaben aufdrängten. Der FC Basel verfügt nicht über die Fülle an Hochbegabten wie in den letzten Jahren; ein Umstand, der natürlichen Schwankungen unterworfen ist.
Die unausweichliche Entscheidung
Es ist nicht undenkbar, dass die alte Vereinsführung mit Urs Fischer in eine dritte Saison gegangen wäre. Schliesslich hält sie ihn für den erwachsensten Trainer der letzten Jahre – sowohl im menschlichen Umgang innerhalb des Vereins als auch in der Moderation eines grossen Kaders mit vielen Nationalspielern.
Vielleicht hätte die neue Führung aber gut daran getan, in der Zeit des grossen Umbruchs, da kaum ein Stein auf dem anderen bleibt, an einem zentralen Element festzuhalten: an einem Trainer, der für Konstanz steht. Dass die neue Führung mit Urs Fischer weitermacht, war dennoch unvorstellbar.