Urs Fischer hätte lieber verloren, denn dieser FC Basel ist mit dem Kopf schon bei der Party

So schwach hat man den FC Basel kaum je gesehen in dieser Saison. Der Meister sichert sich in der Nachspielzeit mit einem viel diskutierten Tor durch Seydou Doumbia einen Punkt gegen den FC Vaduz. Die Meisterparty ist vertagt nach einer Leistung, mit der Trainer Urs Fischer ganz und gar nicht zufrieden ist. Mit ein Grund dafür sind für den Trainer die vielen Nebenschauplätze.

Schiedsrichter Adrien Jaccottet, Mitte, rechtfertig seinen Entscheid, dass er das zunaechst aberkannte Tor des Baslers Seydou Doumbia doch gegeben hat, im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Vaduz im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Samstag, 22. April 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

(Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

So schwach hat man den FC Basel kaum je gesehen in dieser Saison. Der Meister sichert sich in der Nachspielzeit mit einem viel diskutierten Tor durch Seydou Doumbia einen Punkt gegen den FC Vaduz. Die Meisterparty ist vertagt nach einer Leistung, mit der Trainer Urs Fischer ganz und gar nicht zufrieden ist. Mit ein Grund dafür sind für den Trainer die vielen Nebenschauplätze.

Die Diskussion um Schiedsrichterentscheide nimmt vorerst kein Ende. In den letzten Tagen hatte sie wegen Szenen in der Champions League wieder einmal so richtig Fahrt aufgenommen. Und sie wurde zumindest in der Schweiz für kurze Zeit befeuert mit den Geschehnissen, die sich in den letzten Sekunden zwischen dem FC Basel und dem FC Vaduz zugetragen haben.

1:2 lag der Meister gegen den Tabellenletzten in Rückstand; mit dem Rücken zur Wand und kurz davor, zum ersten Mal in der Super League gegen die Liechtensteiner zu verlieren. Es wäre zudem die erste Heimniederlage der Saison gewesen. Doch dann flankte der eingewechselte Davide Callà in der Nachspielzeit zur Mitte, in Richtung des knapp im Abseits stehenden Seydou Doumbia.

Der Ivorer überwand per Kopf Torhüter Benjamin Siegrist, und im ersten Moment schien es, als zähle der Ausgleichstreffer nicht. Denn der Linienrichter hielt die Fahne hoch. Weil Callàs Flanke aber von Philipp Muntwiler leicht abgelenkt wurde, entstand in Adrien Jaccottets Augen eine neue Situation, der Schiedsrichter überstimmte seinen Linienrichter. Und wie immer in diesen Momenten, da eine Mannschaft um zwei Punkte gebracht wird und die andere den einen noch gewinnt, gehen die Diskussionen hoch zu und her.



Der Basler Seydou Doumbia, Mitte, greift sich an den Kopf, weil sein Tor zum 2:2 zunaechst aberkannt wurde im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Vaduz im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Samstag, 22. April 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Seydou Doumbia nach seinem Treffer: festgehalten in dem Moment, da er noch glaubt, dass sein Tor nicht zählt. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Muntwiler stand nach der Partie in der Interviewzone mit seinem Handy, schaute sich die Szene nochmals an und redete sich in Rage: «Die haben 73 Punkte und wir sind am Arsch!», sagte er und später in Richtung der Schiedsrichterkabine: «Hoffentlich kann er heute Nacht nicht schlafen.»

Vaduzer Trainer Roland Vrabec gibt dem Schiedsrichter Recht

Jaccottet ist Basler und pfiff zum dritten Mal ein Spiel zwischen Vaduz und dem FCB. Umso beruhigender ist deswegen, dass der Ausgleichstreffer zwar umstritten ist, der Unparteiische mit seinem Entscheid aber richtig liegt. Im Regelwerk der Fifa steht: «Ein Spieler (also Doumbia) verschafft sich keinen Vorteil aus einer Abseitsstellung, wenn er den Ball von einem gegnerischen Spieler (also Muntwiler) erhält, der den Ball absichtlich spielt.» 

Diese Regel greift in diesem Fall, denn Muntwilers Kopfball ist eine absichtliche Aktion. Der Vaduzer Trainer Roland Vrabec sagt: «Ich habe mir das Tor nochmals angeschaut. Muntwiler lenkt den Ball ab und somit steht der Basler nicht im Abseits.»

Damit beendet der benachteiligte Trainer jegliche Diskussionen gleich selbst. Und in der Nachbetrachtung wird sich Muntwilers Gemütszustand auch wieder dem Ruhepuls nähern. Denn viel ärgerlicher als der Ausgleich ist aus Vaduzer Sicht ohnehin, dass sie gegen einen schwach auftretenden Meister nicht schon früher die drei Punkte in trockene Tücher brachten.

Ein unpräziser FCB wie noch nie in dieser Saison

«So kurz nach dem Spiel ist es natürlich schwer, die richtigen Worte zu finden. Wir sind enttäuscht, denn wir waren nahe dran am Sieg», sagt Vrabec. Und sein Antipode Urs Fischer stimmt in das Lied ein: «Ich wäre nicht unglücklich gewesen, wenn es am Ende 1:2 geblieben wäre. Denn dann hätte ich gewisse Argumente gehabt.»

Argumente, um seiner Mannschaft noch deutlicher aufzuzeigen, was gegen den Tabellenletzten alles schief gelaufen ist. Und das war einiges: Diese Mannschaft hat man kaum je so unpräzis gesehen. Auch so konstante Spieler wie Michael Lang schlugen Bälle reihenweise ins Aus. Und der Aussenverteidiger war es auch, der mit Marc Janko zusammen für die sinnbildlichste Szene der Partie sorgte: 20 Minute vor dem Ende standen sie sich so im Weg, dass es zu einem Ballverlust kam, anstatt dass einer von ihnen die gute Position im Vaduzer Strafraum zum Abschluss nutzte.

«Ich suche noch nach Worten», sagt Fischer. «Das war einfach zu wenig, nicht gut, sondern schlecht, und das von der ersten Sekunde an. Wir kamen nicht in die Zweikämpfe, zeigten keine Laufbereitschaft. Und wenn man so ungenau ist wie wir heute, dann hat das weniger mit dem Gegner zu tun. Sondern mit unserer Qualität.»

Missverständnisse hüben wie drüben

Diese Qualität fehlte an allen Ecken und Enden. Beispielhaft war die Aktion vor dem 0:1, als Marek Suchy einen schwachen Rückpass auf Manuel Akanji spielte und dieser, anstatt ins Laufduell zu gehen, den Ball zu klären versuchte. Es misslang, Maurice Brunner zog alleine auf Tomas Vaclik los und bezwang den Tschechen.



Der Vaduzer Maurice Brunner, links, schiesst das 0:1 gegen den Basler Torhueter Tomas Vaclik, rechts, im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Vaduz im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Samstag, 22. April 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Maurice Brunner bezwingt Tomas Vaclik: Zum zweiten Mal in der Geschichte des Duells Basel gegen Vaduz gehen die Liechtensteiner im St.-Jakob-Park in Führung. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Beim zweiten Vaduzer Treffer kam Lang nicht richtig in den Zweikampf mit Gonzalo Zarate. Dieser leitete weiter auf Stjepan Kukuruzovic, die erneute Liechtensteiner Führung war Tatsache, durch einen Schuss, der nicht unhaltbar war für Vaclik.

Dass Matias Delgado bei einem der wenigen lichten Basler Momente kurz vor der Pause den Ausgleich erzielte, nehmen wir als positive Zwischenmeldung mit. Als mehr aber nicht. Denn irgendwie war der FCB an diesem Abend vor offiziell 23’999 Zuschauern (geschätzt 15’000) nicht bei der Sache. Die Abwehr war meist ein einziges Durcheinander, die Offensive brachte zwar die eine oder andere Möglichkeit zustande, zwingend waren die Aktionen aber selten.

Mit dem Kopf bei der Party

Mit dem Kopf waren diese Basler nicht im Stadion. Sondern schon beim Sonntag und der wegen des Unentschiedens nun verunmöglichten Feier des 20. Meistertitels. «Es ging irgendwie mehr darum, wann und wo diese Party stattfindet», sagt Fischer.

Der Meistertitel steht vor der Tür, und unter der Woche ist Raphael Wicky als neuer Trainer vorgestellt worden. Für einmal war all das zu viel für ein der Konkurrenz enteiltes Team; den Baslern fehlte die Konzentration.



Die Fans in der Muttenzer Kurve heissen den neuen FCB-Trainer Raphael Wicky mit einem Transparent mit der Aufschrift

Den Kopf haben irgendwie alle bei den Nebenschauplätzen: Die Muttenzerkurve begrüsst den neuen Trainer Raphael Wicky, den der designierte Präsident an der aussenordentlichen Mitgliederversammlung fälschlicherweise Jean-Pierre genannt hatte. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Fischer hatte Wicky zur Beförderung mit einer Kurznachricht gratuliert und ihn darin «willkommen geheissen im Haifischbecken». Der Beglückwünschte habe sich bedankt und so etwas angefügt wie: «Dann muss ich schauen, dass ich darin schwimme.»

Wicky wird ein Meisterteam übernehmen, das steht nach wie vor ausser Frage. Gewinnen die Young Boys am Sonntag gegen Lugano nicht, haben es die Basler gegen Luzern am Freitag in den eigenen Füssen. Gewinnen sie in der Swissporarena, steht der Titelgewinn fest.

In diesem Wissen stehen knapp zwei Stunden nach Spielschluss die Fans vor dem Stadion und begiessen einen Punktgewinn in letzter Sekunde. Sie werden später ins Bett gehen mit dem Wissen, dass sie am Sonntag keine Champagnerflaschen brauchen werden. Und Schiedsrichter Adrien Jaccottet wird mit dem Wissen einschlafen, dass er in einer viel diskutierten Szene richtig lag mit seiner Entscheidung.

Geoffroy Serey Dié und Manuel Akanji zum Spiel (Video: Robin Zenklusen)

 

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