Verbitterte Schalker und ihr Trainer ohne Lobby

Die Nerven liegen einigermassen blank bei Schalke 04 vor dem Showdown in der Champions League gegen den FC Basel. Trotz Niederlage in Mönchengladbach demonstrierten die Königsblauen auf ihrer Achterbahn durch die Saison, dass sie einem ganz schlechten Spiel ein wesentlich besseres folgen lassen können.

epa03981147 Schalke's head coach Jens Keller thanks his players Felipe Santana (C) and Kevin-Prince Boateng (R) after the Bundesliga soccer match between Borussia Moenchengladbach and FC Schalke 04 at Borussia Park in Moenchengladbach, Germany, 07 Decembe (Bild: Keystone/CAROLINE SEIDEL)

Die Nerven liegen einigermassen blank bei Schalke 04 vor dem Showdown in der Champions League gegen den FC Basel. Trotz Niederlage in Mönchengladbach demonstrierten die Königsblauen auf ihrer Achterbahn durch die Saison, dass sie einem ganz schlechten Spiel ein wesentlich besseres folgen lassen können.

Als sich Borussia Mönchengladbach seinen achten Heimsieg im achten Heimspiel nacheinander gesichert hatte und der FC Schalke 04 nach der unglücklichen 1:2-Niederlage im Borussia-Park um eine Enttäuschung reicher war, herrschte auf beiden Seiten Redebedarf. Weniger über die Grundfragen, warum die Borussia nach sechs Siegen in Serie derzeit so gut ist und ob die «Königsblauen» auch in Zukunft auf Jens Keller bauen oder nicht. Die Trainerfrage wurde vertagt. Viel mehr erregten zwei Elfmeterentscheidungen und deren Folgen die Gemüter.

Zweifellos hatte am Samstag auch der Berliner Schiedsrichter Felix Zwayer eine Hauptrolle in diesem Spitzenspiel inne gehabt, als er nach 17 Minuten für die Schalker und in der 45. Minute für die Borussen auf den Punkt deutete. Dass Farfan und Kruse sich die Gelegenheit zum 0:1 und 2:1 nicht nehmen liessen, sind die reinen Vollzugsmeldungen.

Dass der Gladbach Korb nach seinem Foul an Boateng nur die Gelbe und nicht die Rote Karte vorgehalten wurde und der für ein strittiges Foul im Mittelfeld schon verwarnte Höwedes nach seinem Rettungsversuch kurz vor der Pause die Gelb-Rote Karte sah, weil Kruses Schuss gegen seinen Oberarm prallte, versetzte den Schalker Sportvorstand Horst Heldt in Wallung. «Wir wurden heute klar benachteiligt», lamentierte er nach Spielschluss.

«Das hat doch nichts mit Fussball zu tun»

Zwayers Erläuterung, nach der eine Rote Karte nur dann geboten sei, wenn der am Torschuss gehinderte Angreifer (Korb riss Boateng bei Farfans Flanke zu Boden) vorher den Ball kontrolliert habe, machte Heldt umso wütender. «Diese Auslegung», echauffierte sich der Manager, «hat doch mit Fussball nichts zu tun.»

Sie war allerdings Entscheidungsgrundlage für Zwayer, der auch bei Höwedes‘ letzter Aktion in diesem Spiel der realitätsfernen Anweisung folgte, die den Unparteiischen zu schaffen macht. Da der Schalker dabei die Arme ausbreiten musste und so seine Körperfläche ungewollt, aber verbotenerweise vergrösserte, glaubte der FIFA-Schiedsrichter, eingreifen zu müssen.

Er schaffte damit Fakten, die die Schalker nicht mehr wettmachen konnten. «Wir haben mit zehn Mann besser gespielt als Gladbach mit elf», urteilte Heldt, «die Mannschaft ist sehr enttäuscht und verbittert, jetzt muss man sehen, dass man sie bis Mittwoch wieder aufbaut.»

Jens Keller bleibt auf der Kippe

Daran wird auch Trainer Jens Keller mitwirken, dessen Rückhalt in Gelsenkirchen schon seit der 1:3-Pokalheimniederlage unter der Woche gegen 1899 Hoffenheim so gering wie noch nie anmutet. Der 43 Jahre alte Schwabe wird zwar im entscheidenden Champions-League-Gruppenspiel gegen den FC Basel auf der Schalker Bank sitzen, doch was danach auf ihn zukommen könnte, zeichnet sich schon schemenhaft ab: die Entlassung nach der Bundesliga-Hinrunde.

Angeblich, so kolportiert es der Boulevard, suche Schalke schon nach einem neuen Übungsleiter. Namen wie Thomas Schaaf, Mike Büskens, Mirko Slomka und Stefan Effenberg kuriseren, und bestimmt wird Heldt nach dem letzten Pflichtspiel dieses Jahres am 21. Dezember in Nürnberg mit dem von ihm lange geschützten Keller schonungslos Bilanz ziehen.

Dass die mit viel höheren Ambitionen als die Gladbacher in die Saison gestarteten Schalker nun schon sieben Punkte entfernt sind vom kommenden Champions-League-Kandidaten, ist kein Werbeargument für eine Weiterbeschäftigung des Trainers. «Die Situation ist natürlich kritisch, sieben Punkte Rückstand sind einiges», sagt Mittelfeldspieler Julian Draxler.

Dem Schalker Trainer war in Gladbach nichts vorzuwerfen

Andererseits war Keller am Samstag gar nichts vorzuwerfen. Die Aufstellung war richtig, die Einstellung stimmte auch, es war wie so oft bei Schalke: einem ganz schlechten folgte ein wesentlich besseres Spiel. Da Keller dafür bekannt ist, aus Notsituationen herausfinden zu können, stehen die Chancen für einen Schalker Erfolg über den schweizerischen Meister und die damit verbundene Qualifikation für das Champions-League-Achtelfinale vielleicht gar nicht so schlecht.

Ob das und zwei folgende Siege in der Bundesliga aber reichen werden, um den Arbeitsplatz des Mannes ohne Lobby zu sichern, erscheint schon eher zweifelhaft.

Und Lucien Favre? Gewinnt und mosert

Wer Kellers Gladbacher Kollegen Lucien Favre fragt, landet immer beim Richtigen. Der 56 Jahre alte Westschweizer hat bei der Borussia eine Art Heldenstatus erreicht, weil er so viel von seinem Metier versteht, weil er der früher auf Konter spezialisierten Borussia einen neuen Ballbesitzfussball beigebracht hat und weil er inzwischen eine Mannschaft um sich versammelt hat, die unbeirrt Maitre Favres Lehre befolgt.

Der strebt nicht weniger als die Perfektion an, und deshalb war Favre mit der durchwachsenen Leistung vom Samstag, gekrönt durch Raffaels Traumtor zum 1:1 (24.) und Kruses Elfmetertreffer (45.+1), nur in Massen einverstanden. Kurz fiel sein Lob aus («unser Sieg war verdient»), lang jedoch war seine Mängelliste. «Wir hatten mit dem Tempo Probleme, die Ballzirkulation war nicht schnell genug, wir hatten zu viele Ballverluste, wir waren zu offen für Konter.» Also lautete Favres Fazit: «Wir haben noch zu tun, wir müssen am Boden bleiben, Punkt.»

 

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