Vierschanzentournee: Der Favoriten-Check

Am Sonntag beginnt die Vierschanzentournee – Zeit für den Formcheck. Wir haben die Flugschreiber der Favoriten ausgewertet.

Noriaki Kasai of Japan soars during the World Cup men's ski jump, large hill, in Lillehammer, Norway, Sunday Dec. 7, 2014. Noriaki Kasai placed 17th. (AP Photo/Cornelius Poppe, NTB Scanpix) NORWAY OUT (Bild: POPPE, CORNELIUS)

Am Sonntag beginnt die Vierschanzentournee – Zeit für den Formcheck. Wir haben die Flugschreiber der Favoriten ausgewertet.

Am Sonntag heben die Skispringer wieder zur Vierschanzentournee ab. Noch nie ist der Nordische Klassiker so früh gestartet wie in diesem Jahr (28.12.), noch nie war der Favoritenkreis so gross wie bei der 63. Auflage, und noch nie hatten so viele unterschiedliche Nationen einen potenziellen Gesamtsieger in ihren Reihen.

Gleich 13 Athleten sind in diesem Winter schon auf dem Podest gelandet. Die TagesWoche hat die Daten der Flugschreiber der besten Skispringer der Welt ausgewertet und die Tourneeform der Adler einem Check unterzogen. Dabei schneiden vor allem die ehemaligen österreichischen Tourneesieger schlecht ab.



Winner Roman Koudelka from the Czech Republic celebrates on the podium after the men's FIS World Cup Ski Jumping at the Titlisschanze in Engelberg, Switzerland, Sunday, 21 December 2014. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Roman Koudelka. (Bild: URS FLUEELER)

Roman Koudelka: Der Tscheche ist über den Sommer unter dem neuen österreichischen Fluglehrer Richard Schallert zum Winnertypen avanciert und so in die Favoritenrolle für die Tournee gesprungen. Drei Saisonsiege hat der 25-Jährige in diesem Winter bereits auf seinem Konto, bei der Generalprobe in Engelberg überflügelte Koudelka sogar einen Simon Ammann in Hochform und verhinderte den Heimsieg des Schweizer Routiniers. Ein kleines Fragezeichen steht noch hinter dem Senkrechtstarter dieser jungen Saison: wie wird er mit der Rolle des Gejagten fertig? Bislang konnte Koudelka relativ unbekümmert und unbeobachtet seine Höhenflüge machen, bei der Tournee werden nun erstmals in der Karriere alle Augen auf ihn gerichtet sein.

5 von 5 Sternen.



Simon Ammann from Switzerland celebrates his 2nd place at the men's FIS World Cup Ski Jumping at the Titlisschanze in Engelberg, Switzerland, Sunday, 21 December 2014. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Simon Ammann. (Bild: URS FLUEELER)

Simon Ammann: Die Zeit scheint reif für den lang ersehnten Triumph bei der Vierschanzentournee. Nach der Enttäuschung im Olympiawinter wirkt Simon Ammann fokussierter und entschlossener denn je – zugleich aber auch extrem gelöst. Die beiden Saisonsiege in Kuusamo waren mit die wichtigsten und emotionalsten in seiner langen Laufbahn, weil er damit die kritischen Stimmen verstummen lassen konnte, und weil seine Selbstzweifel plötzlich wie verflogen waren. «Ich hatte einen wirklich anstrengenden und intensiven Sommer», erinnert sich der 33-Jährige. Ammann hat im Moment definitiv die Form und das Selbstvertrauen, um erstmals die Tournee zu gewinnen, allerdings weiss keiner besser als der Toggenburger, dass plötzlich Senkrechtstarter auftauchen können, die zwischen Oberstdorf und Bischofshofen in anderen Sphären schweben. «Wichtig wird sein, wie gut ich mich zwischen den Bewerben regenerieren kann», weiss Ammann. Da ist es ein Vorteil, dass die Tournee heuer bereits am 28.12. beginnt und dem Routinier zwei zusätzliche Ruhetage zur Verfügung stehen.

5 von 5 Sternen.



Noriaki Kasai of Japan soars during the World Cup men's ski jump, large hill, in Lillehammer, Norway, Sunday Dec. 7, 2014. Noriaki Kasai placed 17th. (AP Photo/Cornelius Poppe, NTB Scanpix) NORWAY OUT

Noriaki Kasai. (Bild: POPPE, CORNELIUS)

Noriaki Kasai: Wer den 42-Jährigen abschreibt und schon zum alten Eisen zählt, der macht einen grossen Fehler. Kasai mag vielleicht nicht mehr der eifrigste Trainierer sein, aber auf seine aussergewöhnlichen Flugeigenschaften kann sich der Japaner seit Jahrzehnten verlassen. Die meisten seiner heutigen Konkurrenten waren noch nicht einmal geboren, als der Luftikus aus Shimokawa 1988 seinen Jungfernflug im Weltcup absolviert hatte. Sein Sieg in Kuusamo, ex aequo mit Simon Ammann, ist ein Beleg für die aktuelle Form des Oldies, der die letzten Weltcupspringen in Nishni Tagil (Rus) und Engelberg bewusst ausgelassen hat, um sich für die Tournee zu schonen.

4 von 5 Sternen.



epa04529480 Second placed Anders Fannemel of Norway reacts during the award ceremony of the HS134 Large Hill Individual competition at the FIS Ski Jumping World Cup in Nizhny Tagil, Russia, 14 December 2014. EPA/SERGEI ILNITSKY

Anders Fannemel. (Bild: SERGEI ILNITSKY)

Anders Fannemel: Der Norweger ist in diesem Winter ein Muster an Konstanz und reist nicht von ungefähr im Trikot des Weltcupführenden zum Tourneestart nach Oberstdorf. Dazu durfte er zuletzt in Nishni Tagil auch seinen ersten Weltcupsieg feiern. Fannemel ist ein echter Stilist, er spielt vor allem bei Aufwind sein Fluggefühl aus und kriegt selbst bei den weitesten Sprüngen noch eine saubere Telemark-Landung hin. Das alles spricht für den 23-jährigen Norweger, der in seinem Team Routinier Anders Bardal längst überflügelt hat.

4,5 von 5 Sternen.



Severin Freund from Germany during the men's Ski jumping FIS World Cup at the Titlisschanze in Engelberg, Switzerland, Saturday 20 December 2014. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Severin Freund. (Bild: URS FLUEELER)

Severin Freund: Die Deutschen wären wieder einmal fällig für einen Tournee-Gesamtsieg. Seit Rekordspringer Sven Hannawald, der 2001/02 als erster und einziger Springer an allen vier Stationen gewinnen konnte, warten die DSV-Adler auf den grossen Erfolg beim ersten Saisonhighlight. Severin Freund nährt die Hoffnung auf ein Ende der Durststrecke, mit seinen 26 Jahren ist der zehnfache Weltcupsieger konstanter, gelassener und reifer denn je. Ein weiterer Vorteil für Freund: diesmal lasten die Verantwortung und der Druck nicht allein auf seinen Schultern. Die Teamkollegen Richard Freitag (ein Saisonsieg) und Markus Eisenbichler haben in diesem Winter ebenfalls schon aufgezeigt und sind Kandidaten für Spitzenplätze.

4 von 5 Sternen.



Michael Hayboeck from Austria celebrates his 3rd place after the men's FIS World Cup Ski Jumping at the Titlisschanze in Engelberg, Switzerland, Sunday, 21 December 2014. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Michael Hayböck. (Bild: URS FLUEELER)

Michael Hayböck: Der 23-Jährige ist der Hoffnungsträger auf eine Fortsetzung der österreichischen Erfolgsserie bei der Vierschanzentournee. Seit 2009 stellen die Springer aus Österreich die Gesamtsieger, dabei gab es fünf verschiedene Siegergesichter. Weil die ehemaligen rot-weiss-roten Tourneegewinner im Kollektiv schwächeln, erwarten sich die Österreicher, dass Hayböck diesmal für die prominenten Kollegen in die Bresche springen kann. Der Oberösterreicher wartet zwar noch auf seinen ersten Weltcupsieg, er springt allerdings beständig auf einem hohen Level. Hayböck ist der einzige Springer, der in diesem Winter immer in den Top Ten gelandet ist, dazu kann er vier dritte Plätze vorweisen. Die Vergangenheit zeigt: es haben auch schon Springer die Tournee gewonnen, die keinen Tagessieg feiern konnten.

4 von 5 Sternen.



Peter Prevc from Slovenia during the men's Ski jumping FIS World Cup at the Titlisschanze in Engelberg, Switzerland, Saturday 20 December 2014. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Peter Prevc. (Bild: URS FLUEELER)

Peter Prevc: Der Stilist ragt aus einer starken slowenischen Mannschaft heraus. Auch Peter Prevc ist ein Muster an Konstanz, dabei attestieren ihm die Trainer und Konkurrenten noch viel Luft nach oben. Obwohl seine Sprünge noch enormes Entwicklungspotenzial haben, liegt der 22-Jährige im Gesamtweltcup in Lauerstellung bereits an sechster Stelle. Auf den ganz grossen Coup wartet Prevc noch, mit seinen beiden Medaillen bei Olympia (Silber bzw. Bronze) und bei der letzten Nordischen WM (ebenfalls Silber, Bronze) hat er allerdings gezeigt, dass ihm nicht mehr viel zum ersten wichtigen Titel seiner Karriere fehlt.

3,5 von 5 Sternen.



Gregor Schlierenzauer from Austria during the men's FIS World Cup Ski Jumping at the Titlisschanze in Engelberg, Switzerland, Sunday 21. December 2014. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Gregor Schlierenzauer. (Bild: URS FLUEELER)

Gregor Schlierenzauer: Wenn irgendwo auf einer Schanze ein Titel zu vergeben ist, dann muss zwangsläufig auch der Name von Gregor Schlierenzauer fallen. Mit seinen 24 Jahren ist der Tiroler bereits der erfolgreichste Skispringer der Weltcuphistorie (53 Siege), dass er die Tournee schon gewonnen hat (2012 und 2013) versteht sich von selbst. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren wird Schlierenzauer diesmal nicht als Topfavorit gehandelt, obwohl er auch in dieser Saison schon einen Weltcupsieg (Lillehammer) auf seiner Habenseite hat. Nach Material- und Technikumstellungen ist die Form des Stubaiers noch zu schwankend, zuletzt landete er in Engelberg sogar nicht einmal unter den Top 20. «Es fehlt aber nicht viel. Ich brauche nur das Aha-Erlebnis», versichert Schlierenzauer.

3 von 5 Sternen.



epa04065518 Thomas Diethart of Austria in action during the Normal Hill Ski Jumping competition Gorki Jumping Center at the Sochi 2014 Olympic Games, Krasnaya Polyana, Russia, 09 February 2014. EPA/VALDRIM XHEMAJ

Thomas Diethart. (Bild: VALDRIM XHEMAJ)

Thomas Diethart: Beim 22-jährigen Österreicher ist ein Phänomen zu beobachten, das im Reich der Schanzen häufiger vorkommt. In keiner anderen Sportart wechseln sich Höhenflüge und Abstürze so schnell ab, wie im hochsensiblen Skispringen, wo die Geschichte schon einige One-Hit-Wonder hervorgebracht hat. Thomas Diethart, der im vergangenen Winter ohne Anlauf und grosse Weltcuperfahrung bei der Tournee durchstartete und sensationell gewann, ist heuer nur mehr ein Schatten seiner selbst und landete erst einmal in den Punkterängen.

0,5 von 5 Sternen.



Kamil Stoch of Poland prepares for the start during the qualification at the FIS Ski Jumping World Cup in Klingenthal, Germany, Friday, Nov. 21, 2014. (AP Photo/Jens Meyer)

Kamil Stoch. (Bild: JENS MEYER)

Kamil Stoch: Der polnische Doppelolympiasieger und amtierende Weltcup-Gesamtsieger kämpft nach einer Knöchelverletzung um die Rückkehr in den Weltcup. Am Heiligen Abend absolvierte er in Wisla seine ersten Sprünge seit der Ende November zugezogenen Blessur. Danach wurde er für das polnische Team nominiert. Ein Stoch in Normalform wäre jederzeit ein Anwärter auf den Tourneesieg, nach der einmonatigen Wettkampfpause kann aber niemand die Verfassung des 27-Jährigen genau einschätzen. Wie Simon Ammann fehlt auch Stoch der Tourneesieg noch in der Trophäensammlung.

1 von 5 Sternen.

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