Der FC Basel gewinnt mit dem zweiten Anzug in Lugano, und Trainer Urs Fischer kann ein paar Kräfte schonen für den Dienstag und das kapitale Spiel in Tel Aviv, wo Eran Zahavi der Mann der Stunde bleibt. Maccabi-Trainer Slavisa Jokanovic liest seiner Mannschaft aber trotz geglücktem Start in der Liga die Leviten.
Sechstes Meisterschaftsspiel, sechster Sieg – eingeklemmt zwischen den beiden Playoff-Spielen gegen Maccabi Tel Aviv geht es fast unter, dass der Meister auf seinem Weg der sechsten Titelverteidigung seine weisse Weste im Tessin beibehalten hat. Derzeit kann in der Super League nur der weiterhin erstaunliche Grasshopper Club Schritt halten.
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Der FCB erfüllte seine nationale Hausaufgabe mit einer Mannschaft, die man als zweiten Anzug bezeichnen darf. Urs Fischer stellte sein Team mit dem bisher höchsten Rotationsfaktor zusammen: Im Vergleich zum Mittwoch-Spiel gegen Maccabi begannen im Cornaredo sieben neue Spieler, und es muss dem Trainer gefallen haben, dass die Mannschaft – von der Anfangsphase und dem frühen, schön herausgespielten Gegentor abgesehen – kaum Substanzverlust offenbarte.
Und das in einem «brisanten Match», wie es Fischer vorkam, weil der Umbau Risiken barg in einer «schwierigen Situation» nach dem unbefriedigenden 2:2 gegen Tel Aviv. Der FCB-Trainer attestierte einer «zusammengewürfelten» Elf, die so noch nicht auf dem Platz gestanden hatte, einen «reifen Auftritt». Auf den Rückstand hätten sie eine gute Antwort gegeben, den Gegner dominiert, und das 3:1 – 13 Jahre nach dem letzten Basler Meisterschaftsspiel in Lugano – empfindet Fischer «mehr als korrekt».
Auch Maccabi schont seine Kräfte
Genügend Kräfte konnte der FCB im Tessin also konservieren – übrigens genauso wie Maccabi, bei dem Trainer Slavisa Jokanovic zum Punktspielstart ebenso sieben Spieler aus der Mittwochs-Elf schonte. Das 2:2 nagt an Fischer, es sei ein Resultat «das nicht ganz dem entspricht, was wir gezeigt haben», und es macht das Rückspiel in Israel am Dienstag zu einer Spitz-auf-Knopf-Angelegenheit.
Dabei wird es auf Akteure wie Mohamed Elneny ankommen. Der Ägypter sprühte im Cornaredo vor Spielfreude, war einer der Leitwölfe, machte eine herausragende Partie und gab das einhellige Lob ans Team weiter: «Ich habe gespürt, dass alle Spieler für ein hohes Pressing bereit waren. Das wollen wir am Dienstag auch tun und alles geben für einen Sieg in einem kapitalen Spiel für den Club.»
Callas Verantwortungsbewusstsein, Gashis Schaffenskrise
Die vier Offensivpositionen hatte Fischer in Lugano komplett neu besetzt, und für die Tiefe des Kaders spricht, dass selbst dann einer wie Shkelzen Gashi auf der Bank Platz nimmt. Die aktuelle Schaffenskrise des Schweizer Torschützenkönigs von 2014 und 2015 manifestierte sich allerdings auch in Lugano nach seiner Einwechslung: zwei Top-Chancen, beide versiebt.
Mit einem 18-Jährigen, Albian Ajeti, mit einem Neuen, Jean-Paul Boëtius, mit Yoichiro Kakitani und mit Routinier Davide Calla waren die beiden vordersten Linie besetzt, und vor allem Davide Calla tat sich hervor. Ein erstes Mal beim morgendlichen Spaziergang mit Urs Fischer, als darüber gesprochen wurde, wer zu einem allfälligen Elfmeter antreten würde. Calla meldete sich, übernahm am späten Nachmittag dann auch die Verantwortung und krönte seine Vorstellung mit einem weiteren Treffer: «Ich bin froh, dass er belohnt wurde dafür», sagt Fischer.
Parat, als es ihn braucht: Davide Calla. (Bild: Keystone/GABRIELE PUTZU)
Gut möglich, dass aus diesem Quartett auch am Dienstag in Tel Aviv einer aufläuft. Unsicher ist, ob Matias Delgado mit seiner Rippenprellung den Flug mitmachen wird, und das gleiche gilt für Marc Janko, der sich am Mittwoch einen Muskelfaserriss zugezogen hat, von dem es laut Fischer aber «positive Rückmeldungen» gibt. Soll heissen: Offenbar scheint es nicht ausgeschlossen, dass auch der Österreicher zur Reisegruppe gehört.
«Das positive Gefühl dieses Sieges nehmen wir mit nach Israel», sagt jedenfalls Jean-Paul Boëtius. «Vollgas» verspricht Calla beim Unterfangen, zum sechsten Mal die Gruppenphase zu erreichen.
Jokanovic lobt Zahavi und liest dem Rest die Leviten
Das will Maccabi Tel Aviv auch, zum zweiten Mal nach 2004/05, und mit dem Glücksgefühl des späten Ausgleichs in Basel sind die Hoffnungen mit einem Schlag gewachsen. Der Meisterschaftsstart ist mit einem 3:2 gegen Bnei Sachnin vor 11’000 Zuschauern im Bloomfield Stadium ebenfalls gelungen, und der Trainer gibt sich alles Mühe, auf die Euphoriebremse zu treten.
«Wir sind noch nicht dort, wo wir sein müssen. Ich will mehr Leidenschaft auf dem Platz sehen», sagte Jokanovic nach dem Spiel, in dem Eran Zahavi, der Doppeltorschütze von Basel, erneut zwei Treffer machte.
29 Tore in 39 Spielen der vergangenen Saison hat der 28-jährige Nationalspieler erzielt, und auch aktuell ist er der Mann der Stunde: Elf Pflichtspieltore stehen schon wieder auf seinem Konto, fünf Mal hat er doppelt getroffen, und so war es am Samstag erneut gegen Bnei Sachnin, gegen das Maccabi früh in Rückstand geraten war und am Ende, nach einer Roten Karte für Nikola Mitrovic, nur noch zu zehnt war.
Jokanovic windet Zahavi ein Kränzchen und liest dem Rest des Teams gleichzeitig die Leviten: «Im Augenblick ist Eran der einzige, der auch ohne den Ball hart arbeitet über den Platz. Das ist kein gutes Zeugnis für uns. Maccabi ist nicht nur Eran. Wenn wir wichtige Spiele gewinnen wollen, muss die ganze Mannschaft von der ersten bis zur letzten Minute alles geben.»
Der Sportdirektor wünscht sich ein bisschen mehr Fortune
Das wird am Dienstag natürlich auch für den FC Basel gelten. Dass ein Ausscheiden zwar höchst ärgerlich, aber kein Drama wäre, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht, darf man behaupten. Mit negativen Szenarien beschäftigt sich Sportdirektor Georg Heitz jedoch nicht. Zum Aufstieg in die Gruppenphase braucht es aus seiner Sicht in Tel Aviv zweierlei: «Die gleiche Leistung wie im Hinspiel und ein bisschen mehr Fortune.»
Artikelgeschichte
Der ursprüngliche Titel «Mit Vollgas nach Tel Aviv» wurde nach einem Hinweis aus unserer Leserschaft geändert.