Von Hoffnungsträgern und einem Problemlöser

Der FC Basel erlebt zur Saison 2012/13 einen Umbruch, er hat so viel wie nie in sein Kader investiert und kann dennoch auf etliche Konstanten setzen.

Wiedervereint im Club, in dem sie grossgeworden sind: Philipp (links) und David Degen. (Bild: Imago Sportfotodienst)

Der FC Basel erlebt zur Saison 2012/13 einen Umbruch, er hat so viel wie nie in sein Kader investiert und kann dennoch auf etliche Konstanten setzen.

Einen Haufen Geld hat der FC Basel durch die Transfers von Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka eingenommen, mehr als je zuvor, aber er hat auch so viel reinvestiert wie noch nie. Rund zehn Millionen Franken dürfte an Ablöse für fünf der neun neuen Spieler geflossen sein, der Löwenanteil für Marcelo Diaz (rund 4,5 Millionen an Universidad de Chile), für Mohamed Salah (rund 2 Millionen an Arab Con-structors) und für Gastón Sauro (1,5 Millionen an die Boca Juniors).

Bei allem Umbruch, den es gibt, bleibt der FCB eine Mannschaft mit etlichen Konstanten. Yann Sommer im Tor, die Verteidiger Markus Steinhöfer, Aleksandar Dragovic und Joo Ho Park, oder in der Offensive Valentin Stocker, Fabian Frei und vor allem Marco Streller und Alex Frei.

Am Fussballstil wird Trainer Heiko Vogel wenig ändern. Der Ballbesitz wird weiter hohe Bedeutung haben, die Geduld im Spielaufbau ebenso, wenn der rasche, vertikale Gegenstoss gegen tiefstehende Gegner nicht infrage kommt. Mehr Adaption verlangt der Trainer, grössere Aufmerksamkeit für das, was die Mitspieler machen. Hinbekommen muss Vogel eine neue stabile Innenverteidigung ohne David Abraham, ein zentrales Mittelfeld ohne Granit Xhaka auch, und auf dem rechten Flügel wird einer gesucht, der dem FC Basel so viel Freude bereiten soll wie Xherdan Shaqiri dem FC Bayern.

Am spielerischen Potenzial wird es nicht liegen, das darf man jetzt schon mutmassen, auch ohne Zuwanderer wie die beiden Südamerikaner Diaz und Sauro oder auch den Ägypter Salah genauer beurteilen zu können. Einer hat sich seine Meinung schon gemacht. «Es ist noch mehr Qualität und damit mehr Konkurrenz dazugekommen», ist Captain Marco Streller überzeugt.

Yapi und Diaz sind das Herz

In den Idealvorstellungen bilden das Herz im Mittelfeld Diaz und Gilles Yapi. Für Yapi standen die letzten zwölf Monate im Zeichen eines Kreuzbandrisses und einer vergleichsweise reibungslosen Genesung. Es war die erste schwere Verletzung in der Karriere des 30-Jährigen und er sagt über diese Zeit: «Ich habe gelernt, wie glücklich man darüber sein muss, wenn man gesund ist.»

2010 kam er von den Young Boys zum FC Basel, und als ob er die vergangene Spielzeit aus dem Gedächtnis streichen will, sagt er nun: «Es ist die zweite Saison für mich.»

Gilles Yapi hat keinen leichten Stand beim Publikum. Das verhehlt selbst Club-Präsident Bernhard Heusler nicht: «Bei Yapi sind die Fans geteilt.» In die, die ihn nicht mögen, und in jene, die sein Spiel verstehen, das Spiel, das ihm das Vogelsche System vorgibt. Der Trainer lässt sowieso nichts auf Yapi kommen: «Ihn zeichnet eine unglaubliche Dominanz aus. Er ist immer der mit den mit Abstand meisten Ballkontakten.»

Vogel: «Yapi ist unser Problemlöser»

Für das erste Zuspiel von hinten heraus ist Yapi zuständig, für den strategischen Aufbau. Als «grossen Motor für unser Spiel», bezeichnet ihn Vogel. Yapis Aufgabe wird im Verbund mit Diaz noch mehr die hängende Rolle im Zentrum zukommen – wenn nicht alles täuscht. «Gilles ist unser Problemlöser», sagt Vogel, «wenn keiner den Ball will – Gilles bietet sich an und will ihn.»

Yapi, der seine Ambitionen in der Nationalmannschaft der Elfenbeinküste mit der Ausbootung aus dem WM-Kader für 2010 ad acta gelegt hat, bleibt das Murren auf den Rängen nicht verborgen. Er meint dazu nur: «Ich weiss, dass ich mehr Verantwortung übernehmen, dass ich mehr zeigen muss. Aber ich bin Gilles Yapi, der nicht viel redet, sondern kämpfen und sein Talent auf dem Platz sprechen lassen will.»

Was für Yapi gilt, gilt für David Degen mindestens genauso, und damit auch für seinen Zwillingsbruder Philipp: den schweren Stand bei einem Teil der Fans. Eingedenk einer Ausleihe zum FC Aarau zu Beginn seiner Profikarriere ist es bereits seine dritte Rückkehr zum FC Basel. Heute weiss David Degen, dass er 2006 zu früh in die Bundesliga zu Mönchengladbach gewechselt ist, wo er nicht glücklich wurde.

Und nach vier Jahren in Bern (106 Ligaeinsätze/17 Tore) ist er mit 29 Jahren bei dem Club zurück, bei dem die Zwillinge aus Lampenberg grossgezogen wurden. Die Wiedervereinigung begreifen beide als Signal, um noch einmal richtig Gas zu geben.

«Philipp und ich polarisieren»

Auch David Degen weiss um die Vorbehalte: «Es gibt sicher einige, die mich nicht mit offenen Armen empfangen. Philipp und ich polarisieren.» Warum das so ist, darüber rätselt David Degen. «Wird sind keine Unschuldslämmer», sagt er zwar, und meint damit: «Wir sagen, was wir denken.» Das kann manchmal schon zu viel sein. Und dennoch pocht der ein paar Minuten ältere der Zwillinge darauf: «Ich habe mir doch noch nie einen Skandal auf dem Fussballplatz oder daneben irgendetwas geleistet.»

Eines darf prognostiziert werden: Gilles Yapi im Vollbesitz seiner Kräfte und die Degen-Zwillinge unter Dampf können beim Umbau dieser FCB-Mannschaft elementare Bestandteile sein.

Zugänge Abgänge
David Degen (Young Boys) David Abraham (Getafe/Spanien)
Marcelo Diaz (Universidad de Chile) Roamn Buess (FC Aarau, ausgeliehen)
Simon Grether (FCB, U21) Scott Chipperfield (Karriereende, FC Aesch)
Germano Vailati (FC St. Gallen) Massimo Colomba (Karriereende, Goalietrainer FCB)
Mohamed Salah (Arab Constractors FC, Ägypten) Marcel Herzog (FC St. Gallen)
Mirko Salvi (FCB, U21) Benjamin Huggel (Karriereende, Assistenztrainer FCB U21)
Gaston Sauro (Boca Juniors, Argentinien) Genséric Kusunga (Servette Genf, ausgeliehen)
Fabian Schär (FC Wil) Xherdan Shaqiri (Bayern München)
Stjepan Vuleta (FCB, U21) Granit Xhaka (Borussia Mönchengladbach)
Stand: 12. Juli 2012  

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13.07.12

Nächster Artikel