Marc Jankos Wechsel in die australische A-League schien wie der Gang in die Frühpension. Aber Österreichs Nationaltrainer Marcel Koller setzte unbeirrt auf den Stürmer. Der Transfer in die Schweiz soll nun die ideale Lösung sein. Für den Stürmer, seinen Nationaltrainer – und den FC Basel.
Es ist jetzt ein Jahr her, dass der Verfasser dieser Zeilen im österreichischen TV eine Prognose abgab, die sich heute längst als kompletter Nonsens herausgestellt hat und die ihm – völlig zu Recht – noch längere Zeit Spott und Häme garantieren wird. Zumindest jedenfalls noch ein weiteres Jahr, bis zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich.
Befragt nach den Chancen der österreichischen Nationalmannschaft auf eine Teilnahme am EM-Turnier fiel die Antwort seinerzeit nämlich so eindeutig und unmissverständlich aus, dass nicht einmal der viel zitierte Interpretationsspielraum jetzt noch als Milderungsgrund herhalten kann: Österreich brauche sich erst gar keine Hoffnungen auf die Euro 2016 zu machen, denn der Mannschaft fehle es schlicht an einem Stürmer von internationalem Format. So lautete die Expertise 2014.
Schuld an dieser Fehleinschätzung war in erster Linie ein gewisser Marc Janko.
Der hatte da gerade ein Seuchenjahr als Tribünengast und Reservist in Trabzon hinter sich. Und sein Trip nach Ozeanien zum hiesigen Sydney FC schien eher die Frühpension als eine späte Wiederauferstehung zu verheissen.
Als Janko 39 Tore schoss, verwiesen die Kritiker auf die 41 Treffer Krankls
Wer hätte im Frühsommer auch denken können, dass dieser Marc Janko down under wieder zur Hochform auflaufen würde? Wer hätte es schon jemals für möglich gehalten, dass das Land der Kangaroos ein Sprungbrett sein könnte? Und wer hätte damals geglaubt, dass Marc Janko Österreich zur ersten – sportlich legitimierten – EM-Teilnahme verhelfen würde?
Andererseits: wer, wenn nicht er?
Marc Janko wurde Zeit seiner Karriere nicht nur von lästigen Verteidigern verfolgt, er musste auch immer gegen Vorbehalte und Vorurteile ankämpfen. Zu verletzungsanfällig, zu langsam, zu limitiert – so hatte es lange über den inzwischen 32-Jährigen geheissen.
Und selbst als er in der Saison 2008/2009 stolze 39 Ligatore für Salzburg erzielte, verwiesen die Kritiker darauf, dass es Hans «I wear narrisch» Krankl 1978 sogar einmal auf 41 Saisontreffer gebracht hatte.
Allen Widrigkeiten und Zweifeln zum Trotz
Marc Janko hatte aber für all die Skeptiker, Nörgler und Besserwisser stets nur eine Antwort parat, die beste Antwort wohlgemerkt: Tore.
Er schoss sie für Twente Enschede, wohin er von Salzburg aus gewechselt war, und auch für den FC Porto; er erzielte sie in Australien, und vor allem machte er trotz aller Widrigkeiten und Zweifel diese wichtigen Tore für die österreichische Nationalmannschaft.
Marcel Koller (links) ist Marc Jankos Fürsprecher – der Nationaltrainer Österreichs setzte auch auf den Stürmer, als er in die tiefer eingestufte australische Liga wechselte. (Bild: Keystone/HERBERT NEUBAUER)
Dass sich das ÖFB-Team aller Voraussicht nach zum ersten Mal überhaupt in der Verbandsgeschichte für eine EM qualifizieren wird, ist auch und vor allem das Verdienst von Janko, der für die big points verantwortlich zeichnet: Jankos spektakulärer Fallrückzieher zuletzt zum österreichischen 1:0-Sieg in Russland – eine Zirkusnummer bei einem Gardemass von 1,96 Metern – sollte eigentlich das EM-Ticket bedeuten.
Dabei ist dieser Marc Janko ja eigentlich ein pflegeleichter Typ. Weder Exzentriker noch Egomane, weder Eigenbrötler noch Einfaltspinsel. Das Einzige, was er braucht, das ist Vertrauen.
Ein Fürsprecher als Nationaltrainer
Deshalb ist es auch kein Zufall, dass der Niederösterreicher im Spätherbst seiner Karriere noch einmal einen Frühling erlebt. Denn da gibt es einen, der Marc Janko bedingungslos die Stange hält, ja der sogar sein Schicksal mit dem baumlangen Angreifer verknüpft hat.
Marcel Koller.
Jeder hätte es verstehen können, wenn der Schweizer in seiner Funktion als neuer österreichischer Teamchef seinerzeit auf die Dienste von Janko verzichtet hätte. Das Gegenteil war der Fall: Koller machte sich sogar angreifbar, als er den durchaus umstrittenen Stürmer weiter forcierte, obwohl dieser in seiner Zeit in der Türkei weder Spielpraxis noch Tore vorweisen konnte.
Koller erkannte sofort die aussergewöhnlichen Fähigkeiten des Stürmers und ihm war schnell klar, dass die hochgesteckten Ziele der Nationalmannschaft nur mit Janko zu erreichen sind.
Mittlerweile wissen alle: Es war die richtige Entscheidung. Gut möglich, dass Koller ohne die Tore von Janko – dessen Mama Eva 1968 eine Olympiamedaille im Speerwurf gewann – heute schon nicht mehr österreichischer Teamchef wäre. Und ohne die Unterstützung des Schweizers hätte es der Stürmer wohl auch nicht zum FC Basel geschafft.
Keine 24-Stunden-Anreisen mehr
Jetzt profitieren alle: Koller, weil er seinen wichtigsten und wuchtigsten Angreifer praktisch vor der Haustüre hat; Janko, weil er in der Saison vor der EM in einer adäquaten Liga am Ball ist und ihm die mühseligen 24-Stunden-Anreisen zu Länderspielen erspart bleiben. Und nicht zuletzt sollte auch der FC Basel von dieser Konstellation Profit schlagen.
Dass Marc Janko auch mit seinen 32 Jahren immer noch in Form und Torlaune ist, hat er nicht zuletzt auch in seinem letzten Jahr beim FC Sydney bewiesen: Der Österreicher wurde nicht nur Torschützenkönig, er wurde nebenbei auch noch in das Team des vergangenen Jahrzehnts gewählt.
Die Treffer im Trikot der Nationalmannschaft sprechen ohnehin eine eigene Sprache – und für den Routinier.
Ob das alles reicht, um beim FCB in die grossen Fussstapfen seines Vorgängers zu treten? Kann Marc ein würdiger Ersatz für Marco sein, oder trennen Janko (1,96cm) von Streller (1,95) dann doch mehr als nur das «o» und der eine Zentimeter?
Kaltschnäuzig, blitzschnell und akrobatisch
Marc Janko hat jedenfalls gezeigt und bewiesen, dass er ein Leader und Goalgetter ist – nicht zuletzt in den Zeiten, in denen kaum noch wer auf ihn gesetzt hat. Der Österreicher ist bei aller körperlichen Ähnlichkeit aber ein anderer Typ Stürmer als Streller.
Das bevorzugte Jagdrevier des 32-Jährigen ist der Strafraum, und auch wenn er mitunter für Minuten die Tarnkappe überzieht, in den entscheidenden Momenten ist er meist zur Stelle: kaltschnäuzig, blitzschnell oder akrobatisch wie zuletzt mit dem Team in Russland.
Der FC Basel dürfte folglich mit dieser Verpflichtung weniger danebenliegen, als der Verfasser dieser Zeilen mit seiner Einschätzung vor einem Jahr.