Von Stierblut, Wolfsrudeln und Basler Gelassenheit

Es ist das grösste Spiel der Vereinsgeschichte – und was die Basler Spieler und der Trainer am Tag davor ausstrahlen ist neben der Vorfreude vor allem eines: eine Seelenruhe.

Und so sieht Basler Gelassenheit auch aus: Philipp Degen herzt Xherdan Shaqiri im Abschlusstraining. (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)

Es ist das grösste Spiel der Vereinsgeschichte – und was die Basler Spieler und der Trainer am Tag davor ausstrahlen ist neben der Vorfreude vor allem eines: eine Seelenruhe.

Wenn es denn stimmt, dann haben Spieler und Trainer eine erholsame Nacht hinter sich, bevor es am Mittwoch (20.45 Uhr, SF2 live) im mit 36‘000 ausverkauften St.-Jakob-Park gegen den FC Bayern im ersten von zwei Durchgängen um die Viertelfinals in der Champions League geht. «Wir haben mit der notwendigen Gelassenheit den Fokus auf dieses Spiel gerichtet», sagte Heiko Vogel am Dienstag vor den Medien. Und er sagte es mit einer Gelassenheit, dass man ihm diesen Satz abnehmen wollte.

Dazu nickten Xherdan Shaqiri und Yann Sommer, die neben dem FCB-Coach und vor einem riesigen Strauss Mikrofonen auf dem Podium im St.-Jakob-Park Platz genommen hatten. Zwei Greenhorns aus dem Kader des FCB, was ein Zeichen für die Hierarchien in dieser Mannschaft ist. Nicht die Platzhirsche Marco Streller, Alex Frei oder Benjamin Huggel beanspruchten am Tag vor dem bedeutendsten (Heim-)Spiel der 119-jährigen Clubgeschichte einen Platz im Scheinwerferlicht.

Dem konnte sich Heiko Vogel nicht entziehen. Unzählige Interviews musste er in den vergangenen Tagen geben und erlebte eine weitere Steigerung zum Manchester-Spiel; einen medialen Hype, den die Champions League auslöst, zumal durch einen Gegner aus Deutschland. Man weiss jetzt so gut wie alles über Heiko Vogel, nicht nur, dass er fast zehn Jahre Juniorentrainer bei den Bayern war (siehe Bilderschau), sondern auch, dass er als Sportwissenschaftsstudent an der TU München einst bei Real Madrid und dem freundlichen und zuvorkommenden Trainer Jupp Heynckes hospitieren durfte.

Der Wolf und die Fussballmannschaft

Warum Gelassenheit nötig ist, hat Heiko Vogel der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (online nicht verfügbar) mit der «optimalen Motivationslage» erklärt, wenn es gegen ein Schwergewicht wie den FC Bayern München geht: «Natürlich muss ich nicht literweise Stierblut in Eimern in die Kabine stellen und sagen, jeder nimmt jetzt mal eine Schöpfkelle.»

Neben «Akribie und Fleiss», die in die Vorbereitung des Spiels gesteckt wird, kam Vogel darauf zu sprechen, dass er sich von der Tierwelt inspirieren lässt und sich gerade mit dem Wolf beschäftigt. «Obwohl jedes einzelne Tier ein von der Natur gut ausgestatteter Jäger ist, wird die Beute im Rudel erlegt. Erfolg stellt sich also nur ein, wenn die Wölfe untereinander kooperieren. Die Jagdstrategie basiert vor allem auf Ausdauer und Timing», sagt Vogel im Interview und schlussfolgert: «Das lässt sich sehr gut auf eine Fussballmannschaft übertragen.»

In Rudyard Kiplings zweitem Dschungelbuch hat Vogel dazu eine Passage gefunden («Die Stärke des Packs ist der Wolf, und die des Wolfs ist das Pack») und diese seiner Mannschaft nicht vorenthalten. Wenn man Vogel richtig interpretiert, will er keine Spieler mit Schaum vor dem Mund, sondern schlaue Spieler auf dem Platz sehen. Solche, die wie Yann Sommer sagen: «Wir dürfen uns nicht verstecken und müssen mutig sein.»

Shaqiri zielt nicht absichtlich daneben

Kein Entgegenkommen haben die Bayern auch von Xherdan Shaqiri zu erwarten, auch wenn sie ihm vom Sommer an die ganz grosse Bühne bieten und die Taschen vollmachen werden. «Die Stadt, die ganze Region, alle freuen sich auf diesen Match. Aber es braucht das perfekte Spiel von uns wie gegen Manchester», sagt der junge, kleine Mann und strahlt die selbe Ruhe aus wie sein Trainer, wenn er verschmitzt darauf pocht: «Und wenn sich mir die Chance bietet, schiesse ich natürlich nicht absichtlich daneben.»

Nachdem der FC Basel mit dem Ausschalten von Manchester United und dem Sprung in die Achtelfinals in eine neue Dimension für den Schweizer Clubfussball vorgestossen ist, lotet er nun ein weiteres Mal seine Grenzen aus. Eine Parallele zu den Spielen gegen Manchester United ist augenfällig: Wie die Engländer, so treffen auch die Bayern nicht in einem Formhoch auf den FC Basel. Wie Manchester, so strahlen auch die Deutschen derzeit nicht die Unwiderstehlichkeit aus, die die Aufgabe als eine schier unlösbare erscheinen lässt.

Und wie im Dezember schon gilt zumindest in diesem Februar die Maxime, dass der Moment kaum günstiger sein könnte, seine Chancen mutig und im Vorwärtsgang zu suchen, dem Gegner auf den Zahn zu fühlen und seine Verunsicherung auszunutzen. Wie es vor dem Rückspiel am 13. März aussehen wird, ist wieder eine andere Sache. «Ganz am Ende», sagt Vogel, «werden wir für den Erfolg beten müssen.»

«Wer ManU rauswirft…»

Die «Jahrhundertspiele«, wie FCB-Präsident Bernhard Heusler die K.o.-Runde gegen die Bayern betitelt hat, gehören zu den ganz wenigen Spielen einer Saison, in denen der FC Basel Aussenseiter ist. «Eine angenehme Rolle, die Spieler sollen rausgehen und frech sein», sagt Georg Heitz.

Der Sportkoordinator macht bei allem Sinn für Realismus kein Hehl daraus, dass er der Mannschaft viel zutraut: «Wer Manchester United aus der Champions League rauswerfen kann, der sollte das auch gegen Bayern München schaffen können», sagte er jüngst im TagesWoche-Gespräch. Natürlich muss man sehen, was das alles bedingt. Es ist sicher die Ausnahme, und es muss wieder alles stimmen. Aber: Diese Mannschaft, mit dieser Winner-Mentalität, mit dieser Frechheit und mit diesem Selbstbewusstsein, das sie hat, die kann das. Sie kann die Bayern ärgern, das muss das Ziel sein.»

Und die Gelassenheit bei Heiko Vogel wird sich am Spieltag relativieren. Wer den jungen Chefcoach an der Seitenlinie gegen Manchester United erlebt hat, ahnt, wie  es ganz tief drinnen bei ihm aussehen wird. «Die Anspannung», räumt Vogel ein, «kommt am Mittwoch von ganz alleine.»

Hat der Trainer eine Überraschung parat?
Einerseits stellt sich die Mannschaft des FCB selbst auf. Es dürfte die selbe sein wie vergangenen Donnerstag beim 2:2 in der Meisterschaft in Bern. Eine Variante wäre, dass der von einer Oberschenkelzerrung kurierte Philipp Degen wie schon gegen Sion Rechtsverteidiger spielte, Markus Steinhöfer dafür auf linke wechselt und Joo Ho Park auf die Bank muss. Gegen Degen spricht die  Verletzungspause, für Park, dass er sich in der Champions League bewährt hat.
Das gilt allerdings auch für Cabral. Er hat hervorragende Spiele in der Königsklasse gezeigt, war in der Vorbereitung ebenfalls verletzt und hat keinen Ernstkampf in den Knochen. Es wäre also eine echte Überraschung, würde er im zentralen Mittelfeld – anstelle von Benjamin Huggel – auflaufen.
Ausschliessen kann man, dass Valentin Stocker, Schütze des so wichtigen Ausgleichtores in Bern, auf dem linken Flügel in der Startelf steht. Dafür ist es nach seinem Kreuzbandriss noch zu früh, sagt der Spieler selbst, dass es noch nicht für 90 Minuten reicht und es ihm ganz recht ist, wenn die Verteidiger von Fabian Frei bereits müde  gespielt sind, wenn er reinkommt.

Mögliche Aufstellung des FCB:
Sommer; Steinhöfer, Abraham, Dragovic, Park; Shaqiri, Huggel, Xhaka, F. Frei; A. Frei, Streller.
Es fehlen: Chipperfield, Yapi, Voser (verletzt), Kusunga (krank). – Beim FCB neu auf der Champions-League-Liste: Philipp Degen und Stephan Andrist; gestrichen: Roman Buess, Pascal Schürpf, Sandro Wieser, Taulant Xhaka.
Schiedsrichter: Rizzoli (Italien)

Zur Aufstellung von Bayern München geht es hier.
   


Direktlink zu Twitter

Nächster Artikel