London schwelgt nach dem 3:0 von Arsenal gegen Chelsea. Vor dem Duell mit dem FC Basel in der Champions League am Mittwoch präsentieren sich die Gunners in brillanter Form – und Granit Xhaka findet nach einer halben Stunde auch einen Platz bei der unwiderstehlichen Performance.
Früh eingewechselt bei Arsenal für den verletzten Coquelin und damit auch am Mittwoch Anwärter auf einen Startplatz gegen Basel: Granit Xhaka (links) mit Mesut Özil bei Arsenals 3:0-Gala gegen Chelsea.
(Bild: Reuters/John Sibley)Die Führung für Arsenal: Alexis Sanchez (rechts) nutzt einen bösen Ballverlust von Chelsea.
(Bild: Reuters/John Sibley)Alexis Sanchez: Abheben beim Torjubel...
(Bild: Reuters/John Sibley)...und sicher landen im Emirates Stadium bei Arsenal 3:0-Derbysieg über Chelsea.
(Bild: Reuters/Dylan Martinez)Die Gunners in Torschusslaune: Beim 2:0 gratuliert Mesut Özil (Nummer 11) Theo Walcott.
(Bild: Reuters/Dylan Martinez)Der Spass ist ihm anzusehen: Theo Walcott vollendet einen perfekten Spielzug von Arsenal zum 2:0 gegen Chelsea.
(Bild: Reuters/John Sibley)Knieverletzung: Nach einer halben Stunde kam für Francis Coquelin neu Granit Xhaka ins Spiel.
(Bild: Reuters/Dylan Martinez)Ohne Reibungsverlust ins Kombinationsspiel von Arsenal eingebunden: Der eingewechselte Granit Xhaka, hier gegen N'Golo Kante.
(Bild: Reuters/John Sibley)Von Arsenal überfordertes Chelsea: Torhüter Thibaut Courtois nach dem zweiten Gegentreffer im Emirates.
(Bild: Reuters/John Sibley)Hochzufrieden mit dem, was er von seiner Mannschaft kurz vor dem Champions-League-Spiel gegen Basel gesehen hat: Arsène Wenger, hier mit dem in der 79. Minute ausgewechselten Torjäger Alexis Sanchez.
(Bild: Reuters/John Sibley)Wenn die Fans des Arsenal FC ihren Sommerzugang Granit Xhaka sehen möchten, sind sie mittlerweile nicht mehr abhängig von den Entscheidungen ihres Trainers Arsène Wenger. Im Vereinsmagazin hat Arsenal seit dieser Saison ein drei Teile grosses Puzzle aus Pappe platziert. Bei richtigem Zusammenbau – eine Anleitung ist beigelegt – entsteht ein Tischaufsteller, das den Spieler zeigt, den die Anhänger sich bei einer Abstimmung im Internet gewünscht haben.
Gerade einmal bis zum zweiten Spieltag hat es gedauert, bis es Xhaka an die Spitze dieser Wertung und damit in die Kinderzimmer der jungen Gunners geschafft hat. Ihn gibt es jetzt zum Anfassen und Fotografieren. Für 45 Millionen Euro ist Xhaka von Borussia Mönchengladbach nach London gewechselt.
Die Miniaturausgabe verschleiert seine beeindruckende Physis, statt 1,86 Meter ist er nur 20 Zentimeter gross, damit er ins DIN A5-Heft passt. Der 23-jährige Mittelfeldspieler hat den rechten Arm in die Hüfte gelegt, sein Blick sieht ein wenig traurig aus.
Jetzt darf Xhakas Einsatz gegen Basel als gesichert gelten
Seit dem 3:0 von Arsenal am Samstagabend gegen Stadtrivale FC Chelsea, was die Gunners auf Rang drei in der Tabelle spült, haben sich die Chancen allerdings erhöht, dass Xhaka nun vermehrt in Originalgrösse zu finden sein wird – und zwar auf dem Spielfeld. Sein interner Kontrahent Francis Coquelin musste schon in der ersten Halbzeit mit einer Knieverletzung ausgewechselt werden.
Die Einsatzzeit von Xhaka in der Premier League kletterte dadurch am sechsten Spieltag von 213 auf 258 Minuten. Ein Nebeneffekt könnte sein, dass Xhaka am Mittwoch in der Champions League gegen seinen Heimatverein FC Basel von Beginn an mitwirken darf. Bislang galt das nicht als gesichert.
Zu den Gepflogenheiten Wengers gehört es nämlich, dass er Neuerungen erstmal mit Skepsis gegenüber steht. Selbst dann, wenn er sie veranlasst. «Wir hatten schon immer gute Mittelfeldspieler. Es ist nicht richtig, zu sagen, dass wir etwas vermisst haben», findet Wenger. Die Verantwortung vor der Viererkette trägt bislang Coquelin und Santi Cazorla, ein Duo, bei dem keiner ohne den jeweils anderen auskommen kann.
Coquelin, der 2013 mal für ein Jahr an den SC Freiburg ausgeliehen war (16 Einsätze), ist der Defensivmuskel in der Zentrale, und Cazorla verkörpert den Wengerschen Idealtypus eines Fussballers: wendig, spielintelligent, technisch begabt. Mit seinen bald 32 Jahren und den 78 Länderspielen für Spanien hat er ausserdem eine riesige Erfahrung.
Wengers lobende Worte für Xhaka
Vermisst hat Arsenal in der vergangenen Saison dagegen vor allem tiefreichende Qualität im Kader. Sobald erste Verletzungen aufgetreten sind, was unter Leitung von Wenger überdurchschnittlich häufig vorkommt, sackte das fragile Spielgebilde zusammen. Xhaka habe die Statur, die Stärke und Kraft, um das Spiel der Nord-Londoner aufrecht zu erhalten, sagt Wenger – sofern er Xhaka mal spielen lässt. «Ich sehe ihn als Nummer acht, als Profi, der hinten und vorne mitmischt.»
Nach dem Derbysieg und dem erzwungenen Einsatz von Xhaka merkte Wenger lobend an: «Als Xhaka ins Spiel kam, war er sehr schnell auf der Höhe des Geschehens. Und das macht einen Unterschied.»
Wenger gewährte jetzt einen ungewöhnlich langen Einblick in seine Gedanken zu Xhaka. Der Schweizer Nationalspieler redet momentan noch nicht mit den Medien. Der Fokus auf Fussball solle nicht beeinträchtigt werden, heisst es aus der Medienabteilung.
Selbst ein Besuch bei seinem vorherigen Arbeitgeber in Mönchengladbach, um sich dort offiziell zu verabschieden, blieb ihm verwehrt. Erst Ende Oktober darf er an den Niederrhein reisen, wenn der Spielplan mehr Lücken aufweist.
Die Grösse Arsenals bringt Anonymität mit sich, die Spieler trainieren in Colney, einer Autostunde nördlich von der Stadtmitte. Fans sind auf dem Trainingsgelände nicht erwünscht, öffentliche Einheiten existieren nur in der Theorie.
Le Professeur hilft nur ein Titelgewinn
Um die Verbindung zu den Fans zu wahren, helfen nur Titelgewinne. Die Pokalsiege 2014 und 2015 waren lediglich ein schwacher Trost für elf Spielzeiten ohne Meisterschaft. Spitze ist Arsenal auf der Insel bloss, was die Infrastruktur anbelangt. Einen beachtlichen Teil der Einnahmen haben die Verantwortlichen im vergangenen Jahrzehnt ins Stadion und die Akademie gesteckt.
Als Ausrede für ausbleibende Startransfers taugt das nicht. Vielmehr hängt das seriöse Auftreten Arsenals auf dem Transfermarkt mit der Herkunft Wengers zusammen.
» Der ewige Wenger – das ausführliche Portrait über den Elsässer in London
«Le Professeur» spricht fünf Sprachen und hat seine Arbeit im Fussball angefangen, als das Einkommen in der Sportart noch einem Nebenverdienst glich. Bei seiner Ankunft in London am 1. Oktober 1996 hat er mit seiner offensiven Spielanschauung und seinen neuartigen Ideen zur Professionalisierung eines Teams die Premier League reformiert.
Nicht wenige halten die ungeschlagene Meistermannschaft von 2003/04 aufgrund ihrer Ästhetik aus Technik und Athletik für die vollkommenste in der englischen Geschichte. Aber viele finden auch, dass der Fussball mittlerweile die Betrachtungsweise des 66-jährigen Wenger überholt hat.
Arsenal zaubert beim 3:0 gegen Chelsea
Das aktuelle Aufgebot orientiert sich im Stil an erfolgreiche Vorgängern. Im Londoner Derby vom Samstag gelingen gegen Chelsea in einer Halbzeit drei Tore in Perfektion. Dann zaubert der Angriff um Mesut Özil und Alexis Sanchez Kombinationen auf den Rasen, die in ihrer Schönheit und Vielfalt an einen reissenden Fluss erinnern.
Yes boss#AFCvCFC pic.twitter.com/ewYlu3gbpS
— Arsenal FC (@Arsenal) 25. September 2016
Aber dieses sich gleichende System ist über die Jahre hinweg ausrechenbar geworden. Personal und Grundordnung passen sich weder dem Gegner noch dem eigenen Leistungsvermögen an, obwohl die individuelle Qualität des Teams, gerade in der Defensive, nicht ausreicht, um die Gegner ohne ausgeklügelten Plan einfach so wegzuspielen.
Sehnsucht Champions League
Das Festhalten an den freiheitlichen Prinzipien der Spieler auf dem Feld reicht für einen vorderen Tabellenplatz in der Premier League aus. Auch an der Champions League nimmt der Klub zum 18. Mal hintereinander teil. Bei Arsenal möchten die Fans aber in einem Wettbewerb nicht nur dabei sein, sondern auch immer bis zum Schluss. In der Königsklasse gelang das mit Wenger nur einmal – das 1:2 im Endspiel gegen den FC Barcelona ist jetzt zehn Jahre her.
Arsène Wenger hat bei Arsenal eine Bestimmungshoheit über den sportlichen Bereich wie kaum ein anderer Trainer bei einem europäischen Spitzenverein. Die Kritik an ausbleibenden Trophäen hat für Zweifel an seiner Arbeit gesorgt, aber in letzter Instanz nie seinen Vertrag gefährdet. Sein aktueller Kontrakt läuft nächsten Sommer aus. Auch wenn Wenger noch einmal verlängert – es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis die Fans des FC Arsenal ihren Trainer nur noch in Pappe sehen können.