Der FC Basel wird vom FC Sion taktisch vorgeführt und verliert den Cupfinal mit 3:0. Im heimischen St.-Jakob-Park gerät der Meister von der ersten Minute an unter die Räder. Auch, weil die Walliser mit mythischer Überzeugung zu Werke gingen.
Der Jubel des Torschützen zum 2:0 – Edimilson Fernandes trifft in der 50. Minute.
(Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)Eine Klasse für sich: Sion-Angreifer Moussa Konaté feiert seinen Treffer zum 1:0.
(Bild: Keystone/PATRICK STRAUB)Die Basler verloren fast jeden Zweikampf: Hier setzt sich der starke Assifuah gegen gleich drei FCB-Verteidiger durch.
(Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)Ruft zur Besinnung auf: Sion-Coach Didier Tholot wendet sich an die entfesselte Sion-Kurve.
(Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)Spielunterbruch: Hier wurde es Schiedsrichter Nikolaj Hänni zu bunt.
(Bild: Keystone/PATRICK STRAUB)Luca Zuffi im Zweikampf mit Veroljub Salatic: Meist ging der Walliser als Punktsieger hervor.
(Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)Kam in der Regel zu spät: FCB-Linksverteidiger Traoré war gegen die wendigen Sion-Angreifer notorisch überfordert.
(Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)Der beste Basler: Germano Vailati, Schlussmann Nummer zwei des FC Basel, rettete mehrfach, hier gegen Konaté.
(Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)Noch so ein Zuspätkommer: Innenverteidiger Fabian Schär muss Konaté vor dem 1:0 gewähren lassen.
(Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)Immerhin ein Ex-Basler mit dem Cup: Carlitos (links), der für Sion mit zwei Assists und einem Treffer einen hinreissenden Final spielt, mit Moussa Konate, einem anderen Sittener Torschützen.
(Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)Es ist wohl als zärtliche Geste gedacht. Die Sittener Spieler, die eben den FC Basel aus dem eigenen Stadion gedrückt haben, machen sich auf den Weg nach oben, die Tribüne hoch, auf die nächste Etage, um den Pokal in Empfang zu nehmen – doch einer nimmt sich sehr, sehr viel Zeit.
Carlitos, an diesem Cupsonntag nicht zu fassen zu kriegender Offensivspieler des FC Sion, schlendert die Treppe hoch, bietet sich für Selfies an, wo gar kein Interesse besteht. Da greift sein Trainer Didier Tholot kurzerhand in den aufwändig präparierten Schopf des Portugiesen und zerrt ihn lachend die Stufen hoch.
Böser Verdacht
Es sind zwei Figuren des Endspiels, beide mit Basler Vergangenheit, beide haben sie viel Anteil am deutlichen Cupsieg des FC Sion. 1:0 Konaté, 2:0 Fernandes, 3:0 besagter Carlitos, vor allem aber: Der 13. Sittener Sieg in einem Cupfinal in Serie. Der Finaltag dürfte nun zum kantonal sanktionierten Feiertag umgewidmet werden.
Der böse Verdacht, dass dem FCB keiner verraten hat, wer da nach Basel reist, stellt sich schon in den ersten Minuten ein. Sion spielt mit einem Furor, als ginge es ums Eingemachte, als würde der Verein bei einer Niederlage von Präsident Christian Constantin noch auf dem Spielfeld liquidiert. Und Basel wirkt überfordert mit den hochstehenden Wallisern, die dem Meister keine Zehntelsekunde gönnen, sich zu organisieren.
Sion-Trainer Tholot erhebt die Startphase später zur Schlüsselstelle des Spiels: «Der FC Basel hat nicht erwartet, dass wir von Beginn an so aggressiv pressen.» Tholot, das Urteil lässt sich fällen, hat den FCB-Fachkollegen Paulo Sousa auf dem falschen Fuss erwischt.
Auch indem er in den letzten Stunden vor dem Anpfiff die Aufstellung nochmals verändert hatte – die Bulletins waren bereits gedruckt und verteilt. Ein taktischer Kniff, erklärt Tholot: «Wenn du nach Basel kommst und um den Titel spielst, kannst du nicht alles so machen wie immer.»
Er schickt überraschend Elsad Zverotic und Ebenezer Assifuah aufs Feld – überraschend vor allem für den FC Basel, der mit Assifuah eine Halbzeit lang grösste Mühe bekundet. Tholot setzt den Ghanaer auf Fabian Schär an, den Stelleninhaber Spielauslösung beim Meister. Schär, der eben den nächsten Karriereschritt vollzieht und zu Hoffenheim in die Bundesliga wechselt, bleibt keine Atempause. Seine langen Zuspiele verlieren sich in der Sittener Abwehr, wenn er nicht schon vorher den Ball verliert.
Zverotic wiederum fällt die Aufgabe zu, Basel-Angreifer Shkelzen Gashi zu neutralisieren. Auch das gelingt ohne Abstriche: Gashi findet fast 90 Minuten lang nicht zu seinem Spiel, vom Flügel in die Mitte zu ziehen.
Redet auf die Sittener Fans ein: Didier Tholot, Sion-Trainer, mit Lautverstärker. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Das Muster lässt sich fast beliebig auf jede Position übertragen. Im Zentrum sind Salatic und Kouassi den Baslern Frei und Elneny in den Zweikämpfen, im Positionsspiel drückend überlegen. Wobei Salatic auch noch blitzschöne Seitenwechsel und Steilpässe einstreut. Im Wallis scheint der als schwieriger Typ taxierte Salatic tatsächlich glücklich zu werden.
Basels Linksverteidiger Adama Traoré wird regelrecht vorgeführt. Über seine Seite gelangen immer wieder gefährliche Flanken ins Zentrum, zweimal führen sie zum Gegentor. Unterstützung erhält Traoré, obwohl offensichtlich überfordert, von seinen Vorderleuten kaum.
Pressekonferenz abgesagt
Der FC Basel, mit dem Bestreben angetreten, die Sittener über ihr Aufbauspiel unter Kontrolle zu bringen, gerät unter die Räder. Und hat nachher Mühe damit, derart unterlegen gewesen zu sein. Sousa sagt nach der Partie die Pressekonferenz kurzerhand ab. Auf eine einzige Frage gibt er in der Mixed Zone Antwort: Was ist passiert? «Unser Gegner war schneller, aggressiver, er war in allen Belangen besser, das ist passiert.» Dann geht der Portugiese grusslos, FCB-Sprecherin Andrea Roth verweist entschuldigend auf eine Bilanzkonferenz am Folgetag. Man will sich jetzt nicht die Saison kaputt reden lassen.
Mitleiderregend: Trauriger Karriereabschied von FCB-Ikone Marco Streller. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Dabei gibt es Fragen, auf deren Beantwortung durch die sportliche Leitung man gespannt wäre. Wie konnte man den FC Sion derart falsch einschätzen? Wieso gab es keinen Plan, sich aus dem aggressiven Pressing zu lösen? Welchen Einfluss hatten die Kehrauspartien nach dem Gewinn der Meisterschaft, in denen jeder mal ran durfte und die in irritierenden Aktionen mündeten, als zum Ligaabschluss gegen St. Gallen nur noch wichtig schien, Marco Streller sein 200. Tor zu ermöglichen?
Höchststrafe für die Lokalikone
Streller erhält im Cupfinal die Höchststrafe als Lokalikone: Er tut einem leid. In seiner letzten Profi-Partie liefert er sich Wortgefechte mit der Sittener Bank, wirft er den Gegenspielern böse Blicke zu, reibt er sich gegen den knochenharten Sion-Verteidiger Léo Lacroix auf. Nach 74 Minuten erhält er humpelnd, wahrscheinlich auch aus Enttäuschung, eine Standing Ovation, die im Gejohle der Sion-Fans untergeht.
Unterbruch nach Emotionsexplosion: Sittener Kurvenverhalten veranlasst Schiedsrichter Nikolaj Hänni, eine Pause anzuordnen. (Bild: Keystone/PATRICK STRAUB)
Der Walliser Anhang ist taktisch ähnlich eingestellt wie sein Club. Ruppig bis rüpelig verhalten sich die Fans, die zu Zigtausenden und in der Überzahl im Stadion sind. Nicht nur in der Kurve: Als Streller einmal an der Seitenlinie gepflegt wird, fliegen aus den teureren Rängen Wurfgegenstände auf den FCB-Captain.
Einige grobe Zweikämpfe später unterbricht Schiedsrichter Nikolaj Hänni die Partie minutenlang, wirkt als Mediator im Mittelkreis auf die Spieler ein. Der Sion-Anhang tobt, zündet Böller und Petarden. Die penetranten Ermahnungen des Stadionsprechers verhallen ungehört.
Spielunterbrüche als Strategie
Auch vor dem Anpfiff zur zweiten Hälfte interveniert Hänni und schickt die Spieler zurück in die Kabine. Erst Sion-Präsident Christian Constantin, dann Didier Tholot stehen vor die Ultras hin: «Ich habe ihnen klargemacht, was auf dem Spiel steht, wenn es so weitergeht», sagt Tholot. SFV-Sprecher Marco von Ah erklärt die Unterbrüche zur Strategie. Man habe sich vorgenommen, die Gemüter zu beruhigen, bevor es zur Eskalation kommt.
Romantikfreie Pokalübergabe: Einsatzpolizisten schirmen die Offiziellen ab aus Angst vor einem Platzsturm. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Ein selten gesehener Polizeieinsatz mit einer Hundertschaft Einsatzkräften in Strassenkampf-Montur vor der Pokalübergabe komplettierte das Bild eines Cupfinals, bei dem einige an die Grenzen gegangen sind.
Auch er, Carlitos. Mit grossem Spielwitz gesegneter Portugiese, in seiner Zeit in Basel nie wirklich heimisch geworden. Carlitos ist nicht zu bändigen, spielt Pässe, die in einem derart physischen Spiel eigentlich keinen Platz finden können. Zwei Tore bereitet er vor und versenkt dann auch noch einen Flugkopfball zum 3:0. Vielleicht greift ihm sein Trainer nach dem Spiel deshalb in die Haare.
Falsch verstanden: Der Schampus gehört von der Flasche in den Mund – nicht umgekehrt. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Didier Tholot hebt ihn nach der Partie nicht gesondert heraus. Sondern die Mannschaft, den Präsidenten, vor allem den Kanton. Aus der Herkunft ist die Überzeugung genährt, mit der Sion antrat und die ein saturiert wirkender FC Basel nie kenntlich machen konnte. Ein fast mythisches Motiv, so Tholot, liegt dem Sieg zugrunde: «Wir wollten den 13. Stern.» 13 Sterne weist die Walliser Flagge auf, 13 Cupsiege hat der FC Sion nun. Der Sternenhimmel des FC Basel dagegen ist bereits weitgehend abgeerntet.
Anhänger beider Mannschaften sind nach Spielschluss zuerst in der Unterführung der St. Jakobs-Strasse und anschliessend an verschiedenen Orten in der Basler Innenstadt aneinandergeraten. Das meldet die Basler Polizei. Die Beamten setzten dabei Gummischrot ein, um die Fangruppen zu trennen. Laut Polizeiangaben wurden drei Personen verletzt, darunter zwei Polizisten. Zwei Personen wurden festgenommen.