Was hinter den Ausschreitungen der kroatischen Fans steckt

Die Ausschreitungen der kroatischen Ultras sind nicht nur auf Alkohol, Nationalismus und Testosteron zurückzuführen. Vielmehr steckt Strategie dahinter. Die milde Strafe soll dagegen wirken.

Football Soccer - Czech Republic v Croatia - EURO 2016 - Group D - Stade Geoffroy-Guichard, Saint-�tienne, France - 17/6/16 Stewards tend to flares that have been thrown onto the pitch by fans REUTERS/Max Rossi Livepic

(Bild: REUTERS/Max Rossi Livepic)

Die Ausschreitungen der kroatischen Ultras sind nicht nur auf Alkohol, Nationalismus und Testosteron zurückzuführen. Vielmehr steckt Strategie dahinter. Die milde Strafe soll dagegen wirken.

Die Kroaten sind wirklich nicht zu beneiden. Da werfen ein paar Fans Böller und Bengalos auf das Spielfeld und schon steht man kollektiv als unzivilisiertes Balkanvölkchen am Pranger der Weltöffentlichkeit.

Den kroatischen Ultras ist das ebenso egal wie das Abschneiden der eigenen Nationalmannschaft. Trotz der 2:1 Führung gegen Tschechien wollten sie einen Spielabbruch provozieren. Ihr Ziel ist es, den kroatischen Fussballverband (Hrvatski nogometni savez HNS) niederzumachen und auf Dauer einen Personalwechsel zu erzwingen – ein Ziel, das die rivalisierenden Ultra-Gruppierungen Hajduk Split und Dinamo Zagreb gemeinsam verfolgen. 

Der Hauptfeind ist dabei der Verbandsvizepräsident Zdravko Mamić, der mit seinem Bruder die Geschicke von Dinamo Zagreb lenkt. In dieser Funktion hat sich Mamić einen zweifelhaften Ruf erarbeitet. Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche sind eine kleine Auswahl der Vorwürfe, welche die kroatische Anti-Korruptions-Behörde gegen ihn erhebt.



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Zdravko Mamić (Mitte) mit Davor Suker – die Führungsriege des kroatischen Fussballverbands. (Bild: imago sportfotodienst)

Bei Transfers wie dem von Luka Modrić zu Tottenham soll Zdravko Mamić persönlich finanziell profitiert haben, während für Dinamo Zagreb eine verdächtig niedrige Transfersumme übrigblieb. Dafür sass Mamić bereits in Untersuchungshaft und kam nur auf Kaution wieder frei. Im September beginnt der Prozess gegen ihn. Die Ultras halten ihn für den wahren Machthaber im kroatischen Fussballverband, den Präsidenten Davor Šuker für seine Marionette.

Der Verbandspräsident hat den Ruf einer Marionette.

Viele der normalen Fans haben längst kapituliert, die kroatischen Stadien sind schlecht besucht. Aber einige Ultras haben es sich zum Ziel gesetzt, dem Verband zu schaden – koste es, was es wolle. Sie glauben, Mamić gehöre ins Gefängnis, werde aber aufgrund seiner Kontakte in Politik, Wirtschaft und Halbwelt geschützt.

Was soll die Uefa tun?

Der in Graz lehrende Sportsoziologe Dario Brentin promoviert über Sport und nationale Identitäten im post-sozialistischen Kroatien. Ihm zufolge befand sich die Uefa in einer schwierigen Situation: «Bestraft sie den Verband hart, dürfen sich die Anhänger als Sieger fühlen. Genau das wollen sie erreichen. Ist die Uefa zu milde, wäre das nach einer Woche mit Hooligan-Krawallen um das englische, russische und deutsche Team ein schlimmes Signal.»

Das Urteil ist inzwischen klar: Mit einer Geldstrafe von 100’000 Euro und einem Verbot des Ticketverkaufs an bekannte Gewalttäter ist die Strafe dann doch recht gnädig ausgefallen. Die Randalierer haben damit ihr Ziel, dem Verband maximal zu schaden, nicht erreicht.

Breit diskutierte Verschwörungstheorien

In Kroatien kam die Aktion der Ultras bei vielen Fussballfans nicht gut an. Und weil echte kroatische Patrioten niemals so handeln würden – schon gar nicht wenn die Mannschaft gerade am Gewinnen ist –, müssen andere Schuldige gefunden werden.

Hinter der Aktion stecken demnach – so eine weitverbreitete Theorie – Jugoslawiennostalgiker, die Kroatien wieder unter eine kommunistische und serbische Herrschaft zwingen wollen. Klingt absurd? Nicht absurd genug, um nicht vom kroatischen Moderator Velimir Bujanec in seiner Sendung «Bujica» (auf «Osijecka Televizija») verbreitet zu werden.



Football Soccer - Czech Republic v Croatia - EURO 2016 - Group D - Stade Geoffroy-Guichard, Saint-�tienne, France - 17/6/16 Croatia fans clash during the game REUTERS/Robert Pratta Livepic

Auch innerhalb des kroatischen Fanblocks kam es zu Auseinandersetzungen. (Bild: REUTERS/Robert Pratta Livepic)

Hakenkreuz im Rasen

Vor einem Jahr musste Kroatien das Rückspiel für die EM-Qualifikation gegen Italien vor leeren Rängen abhalten. Beim Hinspiel hatten kroatische Fans randaliert und Pyros aufs Spielfeld geworfen. Aufgrund der physischen Abwesenheit liessen sich die Gegner des HNS etwas ganz Besonderes einfallen: Unbekannte ätzten mit Chemikalien ein überdimensionales Hakenkreuz in den Rasen des Poljud-Stadions von Hajduk Split. Sportsoziologe Brentin glaubt, dass es sich bei der Aktion einfach um die grösstmögliche Provokation handelte.

«Kroatische Rechtsextreme hätten eher ein Ustascha-Kreuz gewählt. Ich glaube, das waren Leute, die dem kroatischen Verband schaden wollten.» Das Hakenkreuz sei demnach eine bewusste Wahl des universell wohl bekanntesten Symbols für das Böse gewesen.

Rechte Fans und …

Das heisst aber nicht, dass der kroatische Fussball kein Problem mit rechtsextremem Gedankengut hat. Die meisten Ultras sind nationalistisch bis rechtsextrem. So sei die Verwendung der Ustascha-Parole «Za dom spremni» (für die Heimat bereit) in kroatischen Stadien weitgehend Normalität, sagt Zlatko Nikolić.

Nikolić ist Mitglied der Fangruppe «Bijele Anđele» (Weisse Engel), die sich gegen Antisemitismus, Rassismus und Homophobie einsetzt. «‹Za dom spremni› galt als Dienstgruss des NDH-Staats, den Hitler und Mussolini geschaffen hatten. Die Grussformel stand auf den Dokumenten, in denen die Deportation und Vernichtung der Juden beschlossen wurde. Sie ist die kroatische Version des deutschen ‹Sieg Heil›», sagt er.

NDH war ein Vasallenstaat, in dem Juden, Serben, Roma und Oppositionelle von den Ustascha verfolgt und ermordet wurden. Sportsoziologe Brentin hat sich im Rahmen seiner Forschungsarbeiten damit beschäftigt. Er kritisiert, dass Politik und Medien den Gruss als «Teil der Fankultur» akzeptieren. Zu einer Debatte komme es erst, «wenn das Thema im Ausland aufgegriffen wird und eine Rechtfertigung konstruiert werden muss».

… rechter Verband

Dabei ist die Verharmlosung des Ustascha-Regimes nicht nur ein Problem in der kroatischen Fanszene, sondern auch des Verbands selbst. Berühmt ist das Foto des Verbandspräsidenten Davor Šuker am Grab des NDH-Diktators und Nazikollaborateurs Ante Pavelić (Link zur Geschichte bei der «Frankfurter Allgmeinen Zeitung»).

Šuker sieht bis heute keinen Grund, sich zu distanzieren. Stattdessen lässt er den Sänger Marko Perković die Hymne der Nationalmannschaft singen. Besser bekannt ist der Mann unter seinem Spitznamen Thompson, nach der Waffe, die er im Kroatienkrieg benutzte.

Bekannt ist der bekennende Patriot auch für Lieder, in denen er das Ustascha-Regime glorifiziert, während er gleichzeitig die Massenvernichtung von Menschen im Konzentrationslager Jasenovac verharmlost. Zum kroatischen Trainerstab gehört inzwischen auch Josip Šimunić, der nach der WM-Qualifikation Kroatiens ein lautes «Za dom spremni» an die Fans richtete. Dafür wurde er von der Fifa einst für mehrere Spiele gesperrt.

Rechte Fans gegen rechte Funktionäre – der Konflikt zwischen den kroatischen Ultras und dem HNS ist letztlich einer, der sich im rechten Spektrum der kroatischen Gesellschaft abspielt. Die Rechnung bezahlen wie so oft jene, die nichts damit zu tun haben wollen.



Football Soccer - Czech Republic v Croatia - EURO 2016 - Group D - Stade Geoffroy-Guichard, Saint-�tienne, France - 17/6/16 Croatia fans are watched by police REUTERS/Max Rossi Livepic

Szenen auf den Rängen während des Spiel zwischen Tschechien und Kroatien (Bild: REUTERS/Max Rossi Livepic)

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