Was soll ich denn tun?

Er ist der erfolgreichste FCB-Spieler aller Zeiten, einer der grössten Publikumslieblinge überhaupt – und jetzt geht er. Scott Chipperfield will weiterspielen. Er muss, sagt er.

Australia's Scott Chipperfield, holds balls as he leaves the pitch at the end of the World Cup group D soccer match between Australia and Serbia at Mbombela Stadium in Nelspruit, South Africa, Wednesday, June 23, 2010. (AP Photo/Martin Meissner) (Bild: Keystone/Martin Meissner)

Er ist der erfolgreichste FCB-Spieler aller Zeiten, einer der grössten Publikumslieblinge überhaupt – und jetzt geht er. Scott Chipperfield will weiterspielen. Er muss, sagt er.

Er will es tatsächlich tun. Kommt der richtige Verein, will Scott Chipperfield in der nächsten Saison ins Joggeli zurückkehren. Als Gegner. Chippy in einem Zürcher Shirt, einem St. Galler, einem Luzerner gar. Gegen den FC Basel. Man möchte ihn schütteln und ihm sagen. Tu das nicht, Scott.

Es war Liebe auf den ersten Blick, als dieser damals unbekannte Australier im Juli 2001 nach Basel kam. Er hatte noch kein Spiel gemacht, da hing schon ein Banner mit seinem Namen in der Muttenzerkurve. Der FC Basel hatte das erste Spiel der Saison gegen Sion mit 1:8 verloren, Chipperfield hörte am Flughafen in Sydney davon und dachte: «Das kann eine lange Saison werden.» Aber dann betrat er am 11. Juli das Spielfeld gegen Servette und die Menge jubelte. Er verstand nicht warum, aber er spürte es vom ersten Moment an: «Die Fans stehen hinter mir.»

Wie hätten sie auch anders gekonnt? Seine Flügelläufe über die linke Seite, als ob es keine Gegenspieler gebe und das Spiel nur eine halbe Stunde dauern würde. Dieser Einsatz, als ob es nicht sein eigener Körper wäre, den er da in den Schuss wirft oder über den Rasen schleift, um einen Ball vor dem Aus zu retten. Und Tore hat der Mann geschossen: Viele, wichtige und spektakuläre! Das allerschönste Tor hat er wohl 2007 gegen Südafrika gemacht im Trikot der Nationalmannschaft:

387 Mal rannte, grätschte und kämpfte der Australier für den FC Basel. Nur Benjamin Huggel und Massimo Ceccaroni haben mehr Spiele gemacht. Eines hat er den beiden anderen Ikonen des FCB voraus: Titel. Chipperfield ist der erfolgreichste Spieler beim FC Basel, den es bisher gab. 13 Titel hat er geholt, 5 mehr als als die Legende Karl Odermatt.

Der 36-Jährige selbst schenkt diesem Rekord bis heute keine grosse Bedeutung. «Ich bin stolz auf das, was ich mit dem FC Basel erreicht habe», sagt er, «aber du spielst, um Titel zu gewinnen. Nicht um der grösste Spieler zu werden.»

Chipperfield mag ihn nicht, den grossen Trubel um seine eigene Person. Er ist und spricht, wie er spielt: schnörkellos, präzis, ehrlich, sachlich. Er selbst umschreibt seinen Spielstil mit: «Running and fighting.» Die Fans lieben ihn dafür – und nicht nur die Basler.

Viele wichtige Tore hat der Allrounder geschossen gegen eigentlich alle Schweizer Clubs, viele harte Tacklings angesetzt, und dennoch geniesst kein FCB-Spieler mehr Respekt bei den gegnerischen Fans als Scott Chipperfield. Er weiss das und ist stolz darauf. «Ich spiele hart, aber fair. Ich glaube, die Fans schätzen das.»

Dieser Mann also, den die Fans anhimmeln, dieser Mann, der jeden Titel in der Schweiz gewonnen hat, den man gewinnen kann; der international genau so für Furore gesorgt hat wie national, will nun tatsächlich nochmals die Fussballschuhe binden und womöglich – nichts gegen Luzern, Zürich, Sion oder Bern – in der Fussball-Provinz der Schweiz kicken?

Konkrete Angebote gab es in den vergangenen Jahren immer wieder für Chipperfield: Borussia Mönchengladbach, Charlton Athletics oder auch Hertha Berlin wollten ihn. Das Trikot der Hertha hatte er bereits in den Händen und es schien alles perfekt, bis ihm der medizinische Test ein Strich durch die Rechnung machte. «Im Nachhinein bereue ich nicht, dass ich nicht gegangen bin», sagt Chipperfield.

Stattdessen sammelte er in der Schweiz weiter Titel. Der unermüdliche und scheinbar unverwüstliche Chipperfield war immer zur Stelle, wenn es ihn brauchte. Im vergangenen Herbst, als Alex Frei und Marco Streller ausfielen, legte er mit einem fantastischen Lauf gegen Benfica Lissabon den Grundstein für die famose Champions-League-Kampagne des FC Basel. Es war eines seiner besten Spiele im Trikot des FC Basel – und das mit 36 Jahren. Auf den Höhepunkt folgte allerdings ein Tiefschlag: der Muskelbündelriss im rechten Oberschenkeln im Winter-Trainingslager.

Die schlimmsten vier Monate der Karriere

Scott Chipperfield hatte in seiner Karriere einige schwierige Momente. 2006 etwa verlor er gleich drei wichtige Spiele in den letzten Sekunden: Erst gegen Middlesborough in der Europa League, dann gegen den FC Zürich in der Finalissima und dann auch noch mit Australien an der WM gegen Italien. «Wir hatten in allen drei Spielen eine gute Chance zu gewinnen. Das war hart.» Die vergangenen vier Monate waren allerdings noch härter, wie er sagt.

Er hat hart trainiert, gekämpft für das Comeback. Wusste, er muss nochmals zurück kommen, wenn es ein zwölftes Jahr beim FC Basel geben soll. Aber Chipperfield ahnte bereits Mitte März: «Das war es.» Der Muskelbündelriss im rechten Oberschenkel entpuppte sich als langwieriger als gedacht, er konnte sich nicht mehr aufdrängen wie in den vier Jahren zuvor.

Damals war er pünktlich zur Stelle gewesen, wenn es ihn brauchte. Schoss wichtige Tore, machte tolle Spiele und der FC Basel verlängerte immer wieder den Vertrag. «Ich habe auch dieses Mal gewartet, wie es ich in Basel entwickelt, aber ohne Spielpraxis war das Ende klar.»

Der FC Basel hat ihm einen Anschlussvertrag im Trainer- und Betreuerstab angeboten, er lehnte aber ab. Der Dauerläufer will unbedingt noch eine Saison spielen. Eine Saison ohne Verletzung, dafür nochmals mit ein paar Einsätzen. Den Entschluss des Vereins versteht er, der FCB habe viele junge, gute Spieler, wie er sagt. Er ist aber auch überzeugt, dass er nochmals eine Saison auf höchstem Niveau hätte spielen können – auch beim FC Basel. «Wenn ich fit bin, hätte ich dieser Mannschaft immer noch helfen können.»

«Ich liebe das Spiel»

Schon einmal ist Chipperfield zurückgekommen, als es einen Umbruch in der Mannschaft gab. Nach dem Ende von Christian Gross kam Thorsten Fink und Chipperfield spielte wohl seine beste Saison im Trikot des FCB. Fink liess ihm Freiheiten. «Ich konnte mir die Kräfte einteilen», sagt Chipperfield. Mit Gross sei es immer «volles Programm» im Training gewesen, «nichts mit verstecken».

Die Rolle hinter Alex Frei und Marco Streller als Stürmer Nummer drei nahm zudem Druck von ihm. Er musste sich nicht abrackern und beweisen für einen neuen Vertrag, sondern wusste um seine Rolle. Und genau die nahm er nach dem Armbruch von Frei ein: Chipperfield sprang für den Goalgetter ein und spielte brillant.

Genau das bestärkt ihn im Vertrauen, dass es noch einmal weitergeht. Auf dem Platz. Motiviert ist er noch immer wie am ersten Tag bei den Wollongong Wanderers, als er halbtags als Busfahrer arbeitete, um Fussballspielen zu können, wie er sagt. Es ist tatsächlich auch kein Mythos, dass er sein erstes Aufgebot zur Nationalmannschaft während einer Fahrt erhielt und über die Lautsprecher verkündete. «Es waren nur ein paar Leute im Bus – aber die jubelten wirklich!», sagt Chipperfield und lacht. Er hat erst mit 20 Jahren mit dem Fussball angefangen, seither ist es aber sein Traumjob. «Ich geniesse es zu spielen. Ich liebe das Spiel.»

Dass er sich vorstellen kann, hier in der Schweiz mit dem Fussball weiterzumachen, hat auch einen anderen Grund. Zurück nach Australien kann er kaum: Chipperfield fühlt sich inzwischen mehr als Schweizer denn als Australier, «auch wenn ich kein Mundart spreche», sagt er lachend. Der wichtigste Grund sind aber seine beiden Kinder. Sie leben bei ihrer Mutter. Ein Wechsel in die alte Heimat sei deshalb schwierig, sagt er.

Angesichts der beiden Optionen wird mit jedem Wort des 36-Jährigen klarer, warum er diesen harte Entscheidung treffen muss und womöglich gegen den FC Basel spielt. Er ist hier zu Hause, der Fussball alles für ihn. «Wenn ich aufhöre zu spielen, was soll ich dann tun?»

 

Ein Fan hat sich die Mühe gemacht ein paar Best-of-Szenen von Scott Chipperfield zu sammeln. Mit dabei die legendäre Szene von der WM 2006, als Chipperfield das Trikot von Roberto Carlos ablehnte. Roberto Carlos hatte einen Betreuer zum Trikottausch losgeschickt, Chippy blickte kurz drauf und schickte es zurück. Australien hatte das Spiel 0:2 verloren, Chipperfield aber nicht sein Gesicht:

Verabschiedung um 19.45 Uhr im Stadion:

Der FC Basel möchte in einer würdigen Atmosphäre unter anderem die Spieler David Abraham, Benjamin Huggel, Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka und Scott Chipperfield verabschieden. Der Club bittet die Fans am Mittwochabend gegen YB (20.15 Uhr, St. Jakobs-Park/SF2 überträgt live) bereits um 19.45 Uhr im Stadion zu sein. Am Montagabend waren für das Spiel bereits 34 000 Tickets verkauft.

Das Spielfeld gehört den Spielern

Der FCB legt zudem grossen Wert darauf, dass es eine ungestörte Pokalübergabe gibt und Spieler sowie Trainer ungestört eine Ehrenrunde machen können. Der Club bittet die Fans darauf Rücksicht zu nehmen und das Spielfeld nicht zu betreten.

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