Wawrinka nach dem Triumph: «Das war einfach unwirklich»

Nach dem Sieg in Paris zollen die Grossen der Tenniswelt Stanislas Wawrinka Tribut. Doch der Romand bleibt auch nach seinem vielleicht stärksten Spiel bescheiden.

Spalier für den neuen König von Paris: Wawrinka auf dem Weg in die Umkleide nach dem Final.

(Bild: Reuters)

Nach dem Sieg in Paris zollen die Grossen der Tenniswelt Stanislas Wawrinka Tribut. Doch der Romand bleibt auch nach seinem vielleicht stärksten Spiel bescheiden.

Unter allen Lobpreisungen und Verbeugungen für den neuen Sandplatz-König von Paris ragte diese dann doch hervor: «Wow. So möchte ich auch Tennis spielen», gab Serena Williams, die Nummer 1 im Frauentennis und aktuelle Paris-Siegerin, am Sonntagabend zu Protokoll. Der Wunsch der Amerikanerin war verständlich: Denn so brillant und sensationell wie Stan Wawrinka hatte sich zuletzt keiner auf irgendeinen Grand-Slam-Thron gesetzt, auch keiner aus dem routinierten Machtquartett der Herren Djokovic, Federer, Nadal und Murray. 

Wie Wawrinka auf der Höhe seiner Kunst auftrat, wie er Djokovic‘ Traum vom Karriere-Grand-Slam torpedierte, das war grosses Tennis-Kino – so macht- und prachtvoll, dass sich das «Wall Street Journal» tags darauf an «Tricks aus den Hollywood-Computern» erinnert fühlte. Gustavo Kuerten, der brasilianische Zauberer und Zeremonienmeister nach dem Finale, brachte es kurz und bündig auf den Punkt: «Das war eine der besten Leistungen, die man je auf einem Tennisplatz gesehen hat.»

Und der Triumphator selbst? Er absolvierte am Tag danach erstmals in Paris den Stafettenlauf des Champions, vom Fototermin am Eiffelturm über ein letztes Pressegespräch im grossen Roland-Garros-Interviewraum bis hin zu TV-Interviews für Stationen von allen Kontinenten. Sympathisch und einnehmend präsentierte sich da ein bescheidener Gewinner, der noch einmal ins Kopfschütteln über sich selbst geriet, keinen Hehl aus seiner eigenen Verblüffung machte: «Gestern, auf dem Court, das war nicht normal, das war einfach unwirklich.» Ein sehr «spezielles Gefühl» sei es gewesen, dieser Sieg über Djokovic, den Besten der Welt, «der doch bis dahin alles gewonnen hatte – das wird für immer unvergesslich bleiben».

«Ich zog mich erst mal zurück, genoss für mich alleine.»

Stanislas Wawrinka

Als Feierbiest ist Wawrinka nicht bekannt, und auch der Abend des Sieges verlief in eher geordneten Bahnen: «Ich zog mich erstmal zurück, genoss für mich alleine», sagte der Romand bei seiner Medien-Tour, «später gab es eine kleine Party mit Freunden, dem Team.» Am Dienstag wird Wawrinka in die Schweiz zurückkehren, allerdings nicht für lange. Schon Ende der Woche geht es nach London, zum Queens-Turnier als Einstimmung auf die kurze, intensive Rasen-Saison. «Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Und guten Mutes», sagte Wawrinka.

Mit an Bord in England wird natürlich dann auch wieder Magnus Norman sein, dem Wawrinka seinen Aufstieg zum Championspieler in den letzten zwei Jahren wesentlich mitzuverdanken hat. Dessen Akademie in Schweden könnte fast nach den letzten Karriere-Kapiteln Wawrinkas benannt sein: «Good to Great». Er habe nur noch an ein «paar Stellschrauben gedreht», sagt Norman, ebenfalls ein zurückhaltender Zeitgenosse: «Die Basisarbeit ist in Stans Jugend gelegt worden.»

Womit der 39-Jährige auf Dimitri Zavialoff verweist, den allerersten Coach Wawrinkas, der für fast anderthalb Jahrzehnte auch die wichtigste Bezugsperson für den Junior und jungen Profispieler war. Zavialoff hatte auch am diesjährigen Pariser Turnier eine tragende Rolle: als Betreuer und Berater der neuesten Schweizer Tennisüberraschung Timea Bacsinszky.

Ein Pokal für den Trainer

Wawrinka sagte, er widme diesen Pokal ganz besonders Norman, auch weil der Trainer selbst einmal hier im Endspiel gestanden und verloren habe, 2000 gegen Gustavo Kuerten. Nach dem verwandelten Matchball hatte Wawrinka schon hochgedeutet auf die Tribüne und gesagt: «Das ist auch für Dich, Magnus.» So in den Mittelpunkt gerückt zu werden, ist dem zurückhaltenden Schweden genau so unangenehm wie das Kompliment seines Landsmannes Mats Wilander, der ihn als «gegenwärtig besten Trainer der Welt» bezeichnet hatte. «Ich muss meinen Namen nicht jeden Tag in der Zeitung lesen oder im Fernsehen entdecken», sagt Norman: «Ich mache meine Arbeit lieber im Hintergrund.»



Die Trophäe gehört auch dem Trainer: Zusammen mit Magnus Norman in der Kabine.

Die Trophäe gehört auch dem Trainer: Zusammen mit Magnus Norman in der Kabine. (Bild: Reuters)

Damit passt er bestens zum keinesfalls publicitysüchtigen Champion Wawrinka, dem er «noch viele gute Jahre» in der Spitze des Welttennis gibt: «Er wird weiter für Furore sorgen. Und man weiss nie ganz genau, wann es soweit ist.», sagte Norman. Und dachte dabei wohl an das French Open im Vorjahr: Damals war Wawrinka als amtierender Australian-Open-Champion nach Paris gereist und in der ersten Runde ausgeschieden. Das hatte niemand für möglich gehalten, so wenig wie nun den Gipfel- und Pokalsturm.

Djokovic hofft auf Wimbledon

Triumphiert hatten sie, Norman und Wawrinka, auch über das vorher hochgelobte Duo «Beckovic». Den Serben und seinen deutschen Chefcoach verbindet damit weiter eine unerfreuliche Gemeinsamkeit, nämlich nie in ihrer Karriere in Roland Garros gewonnen zu haben. Djokovic verlor inzwischen schon drei Finals, zwei Mal gegen Nadal, jetzt gegen Stan the Man, Becker kam drei Mal nicht über das Halbfinale hinaus. Doch auch Becker hielt Wawrinkas Sieg für verdient: «Stan hat beeindruckend gespielt. Wir wussten alle, welche Möglichkeiten er hat.»

Nun soll Wimbledon dem Camp Djokovic als Trostpflaster dienen, der Ort, an dem die Liasion zwischen Djokovic und Becker mit dem Finalerfolg gegen Roger Federer im letzten Jahr ihren ersten feierlichen Höhepunkt erreicht hatte.

Doch wer weiss: Vielleicht steht wieder ein Schweizer im Weg. Federer? Oder wieder Wawrinka, dann allerdings ohne die berühmt-berüchtigten Shorts?

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